Süffige Geschichte um Bier und Frauen
Rezensionen / 22. Juli 2021

Natürlich geht es um Bier in diesem Buch, um Craft Beer vor allem, handwerklich hergestelltes Bier. Aber noch wichtiger als Hopfen und Malz sind die Frauen, die mit Bier Karriere machen. J. Ryan Stradal stellt in seinem Roman „Die Bierkönigin von Minnesota“ drei starke Frauen in den Mittelpunkt, die Männer bleiben nebensächlich. Es sind die Frauen – Großmutter, Großtante und Enkelin – die dieses Buch tragen. Durch Zufall zum Bier Edith, die Duldsame, die immer anderen den Vortritt gelassen hat. Nachdem Dianas Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen sind, nimmt sie die Enkelin Diana bei sich auf, ein selbstbewusstes, aufmüpfiges aber auch liebevolles Mädchen, das sich mit Diebstählen ein Zubrot verdient. Meist, um die naive Großmutter zu unterstützen. Zum Bier kommt Diana, anders als ihre Großtante Helen, nur durch einen unglücklichen Zufall. Ausgerechnet ein Braumeister erwischt sie bei einem Raubzug und verdonnert sie dazu, ihre Schulden durch Arbeiten in der Brauerei abzuarbeiten. Craft Beer statt billige Plörre Bald schon kreiert Diana ihr eigenes Bier, natürlich ein charaktervolles Craft Beer. Etwas ganz anderes als das, was ihre Großtante Edith für die Großbrauerei Blotz zusammengebraut hat. Anders als Diana wollte Edith immer schon Bier brauen, die Heirat mit dem Blotz-Erben war…

Der Dorfnazi ist auch ein Mensch
Rezensionen / 22. Juli 2021

  Mit  „Unterleuten“  hat Juli Zeh nicht nur die Kritik überzeugt, sie hat auch einen großen Leserkreis angesprochen. Nun also das Nachfolgebuch „Über Menschen“. Wie „Unterleuten“ spielt auch dieser Roman in der brandenburgischen Provinz, da, wo die Autorin selbst seit vielen Jahren lebt. Von Corona vertrieben Im Zentrum steht die Werbetexterin Dora. Sie ist mit ihrer Hündin, die transgendermäßig Jochen der Rochen heißt, nach Bracken gezogen, wo sie ein heruntergekommenes Haus erworben hat. Corona hat Dora aus Berlin vertrieben, hat ihr das Zusammenleben mit ihrem zum Greta-Thunberg-Jünger und rechthaberischen Corona-Moralisten mutierten Freund vermiest. Nun will sie in Bracken Fuß fassen, lernen von dem zu leben, was das Land hergibt. Spiel mit Klischees Hin und wieder wird man bei der Lektüre dieses neuen Dorfromans an das Motiv der edlen Wilden erinnert. Nur eines von vielen Klischees, mit denen Juli Zeh in „Über Menschen“ spielt. Auch der Nachbar, der sich über die Gartenmauer mit „Ich bin hier der Dorfnazi“ vorstellt, wirkt wie ein Klischee.  Doch Juli Zeh ist eine viel zu versierte Autorin, um es bei solcher Typisierung zu belassen. Was am Anfang so eindeutig erscheint, wird bald in Frage gestellt. Angst vor der Wahrheit Der Nazi Gote erweist sich als fürsorglicher…

Hochgebirge mit vielen Gesichtern
Rezensionen / 21. Juli 2021

Einen runden Geburtstag kann der Nationalpark Hohe Tauern in diesem Jahr feiern. Denn 1971 legten die Landeshauptleute von Tirol, Salzburg und Kärnten in Heiligenblut mit dem Drei-Länder-Abkommen das Fundament für den 1800 Quadratkilometer großen Nationalpark mit mehr als 300 Dreitausendern. Susanne Schaber geht in dem eindrucksvollen Bildband „Nationalpark Hohe Tauern – Naturparadies im Herzen der Alpen“ nicht nur auf die Geschichte ein, sie spricht auch mit einem Ranger über die Folgen des Klimawandels – auch auf die Gletscher. Vergessene Rettungsaktion Und sie erzählt von einer fast vergessenen Rettungsaktion, bei der es gelungen ist, nach dem Krieg mehrere tausend Juden über das Krimmler Tauernhaus in Richtung Italien zu schleusen und damit nach Israel. Auch von einer antiken Straße über die Hohen Tauern weiß die Autorin zu berichten und vom legendären Tauerngold. Natürlich kennt sie die Sagen und Legenden, die sich um die hohen Berge ranken – und die Gefahren, denen Gipfelstürmer ausgesetzt sind. Bergabenteuer mit tödlichem Ende Eine dramatische Rettungsaktion im Jahr 2010 am Großglockner mit tödlichem Ende ist den Bergrettern noch in schlechter Erinnerung. Der „kleine Bruder des Kailash“, wie der höchste Gipfel im Nationalpark Hohe Tauern gern genannt wird, gilt als magischer Berg aber auch als Projektionsfläche für Grenzerfahrungen….

Von Thurnhosbach nach Indien
Rezensionen / 20. Juli 2021

Margot Flügel-Anhalt engagiert sich zwar in dem kleinen Thurnhosbach, wo sie Ortsvorsteherin ist. Aber die Rentnerin zieht sie immer wieder hinaus in die Welt. Nachdem sie mit ihrer Enduro „Über Grenzen“ durch Europa und Asien gedüst und mit dem gleichnamigen Buch und Film Furore gemacht hatte, bricht sie noch einmal auf – mit einem alten Mercedes Benz in Richtung Indien. „Wie wäre es, wenn ich einfach losfahre in Thurnhosbach und eines Tages wirklich ankomme in Jaipur?“ hatte sie sich gefragt. Kein Urlaub aus dem Katalog Im Buch „Einfach abgefahren“ beschreibt sie, wie es war. Auf jeden Fall nicht gerade einfach, nicht einmal für die welterfahrene und meist optimistische 65-Jährige. Aber sie hat es ja so gewollt. Hat sich für eine Reise entschieden, die „kein Urlaub aus dem Katalog“ sein sollte, kein „Rundum-Sorglos-Paket“. Sie wollte im wirklichen Leben unterwegs sein und „sogar ein bisschen am Alltag der Leute vor Ort teilnehmen“. Vom Glück der großen Freiheit Dazu hatte sie ausreichend Gelegenheit – dank der Bürokratie, die sie zu einem längeren Aufenthalt in der Türkei zwang. Auch wenn sie an der Grenze zu Syrien an den blutigen Bürgerkrieg erinnert wird, schwärmt sie gleich wieder vom „Glück der großen Freiheit“, von der „aphrodisierenden…

Lust auf Seitenwege
Rezensionen / 6. Juli 2021

Saale Unstrut – wo genau ist das.  Stephanie von Aretin kann dazu Auskunft geben und sie ist überzeugt: „Wer einmal hier war, kommt wieder zurück.“ Die Reisejournalistin liebt die Gegend um Saale und Unstrut, wo sie mit ihrer Familie „so viel Zeit wie möglich verbringt“. Ihr Büchlein soll Lust machen auf Entdeckungen auf Seitenwegen. Magischer Grenzfluss In der anfänglichen Geschichtslektion im Zeitraffer erfährt man nicht nur, dass die Saale „ein magischer Grenzfluss zwischen der christlichen und der heidnischen Welt“ war, sondern auch dass der Weinbau an der Unstrut erstmals 998 urkundlich erwähnt ist. Nach ihren „Top 10“ und allerlei Kuriosa stellt die Autorin vier Routen ausführlich vor – samt Mikroabenteuern und kinderfreundlichen Angeboten. Familientour durch Flussauen Eine Familienfahrradtour führt von Weißenfels bis Freyung 18 Kilometer durch Flussauen, wo es auch an Sommertagen angenehm kühl bleibt, es aber auch mit einen 20prozentigen Anstieg zur Burg Goseck zu bewältigen gilt. Auf die Beschreibung der Radtour folgen zahlreiche Tipps zu Seitenwegen wie zum Sonnenobservatorium von Goseck oder zur Doppelkapelle im Schloss Neuenburg. Naumburg und die Arche Nebra Entlang der Saale von Naumburg bis Dornburg geht es auf der zweiten Route, wobei Naumburg mit dem Dom und die Saale-Weinstraße um die Aufmerksamkeit der Leser…

Reisen als Ansichtssache
Rezensionen / 6. Juli 2021

Als Reiseführer taugt dieses Buch nicht, eher als Reisebegleiter für lange Abende oder Zugfahrten. 25 Autoren setzen sich mit dem Thema Reisen auseinander. Wobei sie Reisen ganz unterschiedlich interpretieren. Nicht immer geht es um Fortbewegung, um Urlaub von Zuhause oder vom Alltag. Vieles spielt sich auch nur im Kopf ab, in der Erinnerung. Zeitreisen sind dabei, Traumreisen und Geschichten zwischen Raum und Zeit, philosophische Betrachtungen, Surreales. Buchstäblich durch die Wand So hat Terézia Mora, Büchnerpreisträgerin 2018, eine poetische Wegbeschreibung verfasst, die am letzten Haus eines Ortes in Österreich beginnt und ein kleines, weißes Haus in Ungarn zum Ziel hat. Eine Reise durch Grenzgebiete, über eine Staatsgrenze, einmal buchstäblich durch eine Wand. Auch Corona spielt eine Rolle. Lutz Seiler (Kruso, Stern 111) etwa erzählt von einer Reise in Pandemie-Zeiten nach Schweden zu seiner Liebsten – mit Checkpoints und Durchreiseverboten. Stress beim Reisen Dass Reisen nicht nur eitel Wonne bedeutet, sondern auch Stress, kann man aus einigen der Geschichten auch herauslesen. Die vier Menschen etwa, die sich im Urlaub zum Partnerwechsel verabreden, sind hinterher nicht mehr dieselben. Das Ehepaar, das vergeblich versucht, einen überdimensionierten Koffer ins Auto zu laden, ist noch vor der Urlaubsfahrt heillos zerstritten. Und die beiden Freundinnen, die sich…

Vertreibung aus dem Paradies
Rezensionen / 24. Juni 2021

„Die Skrupellosen“ ist der Titel des neuen Romans von Sadie Jones.  Schade, dass der Verlag nicht den Originaltitel übernommen hat, The Snakes, die Schlangen. Denn die Schlangen-Metapher zieht sich durch den ganzen Roman. Der deutsche Titel „Die Skrupellosen“ dagegen führt eher in die Irre. Die „heilige Bea“ Die Unterüberschrift für das Buch habe anfangs „Die Unmöglichkeit des Guten“ geheißen, verriet die Autorin. Und genau darum geht es auf den 458 aufwühlenden Seiten. Das Gute verkörpert Bea, Tochter eines skrupellosen Immobilienhais in London, Psychotherapeutin mit Helferinnen-Syndrom und verheiratet mit dem erfolglosen farbigen Künstler Dan. Die „heilige Bea“, so Dans Spitzname für seine Frau, ist eine moralische Instanz aber hin und wieder auch ziemlich nervig. Auszeit mit Folgen Sie hat komplett mit dem Elternhaus gebrochen – den Vater bezichtigt sie der Gier, die Mutter des Missbrauchs. Nur der gescheiterte aber liebenswerte Bruder Alex kann vor ihren Augen bestehen. Bea und Dan leben bescheiden in einer winzigen Wohnung und scheinen mit sich und der Welt zufrieden. Bis sie sich zu einer Auszeit entschließen – und bei Alex in Frankreich Station machen. Verwahrloster Garten Eden Der Drogensüchtige haust in einem heruntergekommenen Hotel, das ihm die Eltern gekauft haben. Als die dann in diesem verwahrlosten…

Spannung mit Schach
Rezensionen / 24. Juni 2021

Das Damengambit: Von der Serie zurück zum Buch. Sechs Teile waren für die Netflix-Serie geplant – sieben wurden es. Zu spannend war es, zu sehen, wie die Waise Beth Harmon auf dem Schachbrett reihenweise Männer mattsetzt. Schach als Thriller? Für passionierte Schachspieler keine Frage. Aber auch Menschen mit wenig oder keiner Schach-Erfahrung folgten gebannt dem Aufstieg der Schachspielerin Elizabeth vom Keller des Waisenhauses bis nach Las Vegas und ihrem Siegeszug in Moskau. Lesend in die Schachwelt eintauchen Wer die Serie nicht gesehen oder wenig Lust auf Streaming hat, kann sich auch lesend in die Welt des Damengambits hineinversetzen. Denn Diogenes hat die Romanvorlage des Amerikaners Walter Tevis von vor knapp 40 Jahren neu aufgelegt. Die Parallelen zwischen dem an Lungenkrebs verstorbenen Autor und seiner Protagonistin kommen nicht von ungefähr. „Ich habe mich von meinen Ängsten befreit, indem ich mich in die Sicherheit, die Schach mir bot, zurückgezogen habe“, soll Tevis beim Erscheinen seines Romans gesagt haben. Suchterfahrungen im Waisenhaus Wie Beth war er jahrelang alkoholkrank, obwohl er als Autor durchaus erfolgreich war. Mit seinen Romanen „Haie der Großstadt“ und „Die Farbe des Geldes“(beide verfilmt mit Paul Newman) hatte er sich international einen Namen gemacht. Beths Abhängigkeit von Drogen und ihren…

Buwaldas tollkühne Höllenfahrt
Rezensionen / 23. Juni 2021

Otmars Söhne – das sind Dolf, das Wunderkind, und Dolf, der Sohn seiner zweiten Frau, der alsbald in Ludwig umgetauft wird. „Otmars Söhne“ ist auch der Titel des ersten Teils einer Romantrilogie von Peter Buwalda. Ein 600 Seiten starker, wuchtiger Einstieg, an dessen Ende völlig unklar ist, wie es mit Otmars Söhnen weitergeht. Der Stiefsohn und die Wunderkinder Stiefsohn Ludwig jedenfalls hat Glück mit Otmar, der stundenlang mit ihm Flugzeuge zusammenbastelt. Die beiden anderen Kinder, Dolf und Tosca, beides musikalische Genies, haben weniger Glück. Sie werden auf Erfolg programmiert. Mit dem arroganten Dolf kann Ludwig wenig anfangen, näher fühlt er sich der aufmüpfigen Tosca, die unbewusst seinen jugendlichen Sextrieb stimuliert. Dass er später an vorzeitigem Samenerguss leidet, macht seine Beziehung zu Frauen schwierig. Verlogene Lebenskonstrukte In der eher reizlosen Juliette glaubt er, endlich eine Partnerin fürs Leben gefunden zu haben. Doch das Konstrukt dieser Ehe ist ebenso verlogen wie Ludwigs Engagement beim Energieriesen Shell. Als er auf er russischen Halbinsel Sachalin auf den skrupellosen aber charismatischen Johan Tromp, CEO von Sakhalin Energy, stößt, ist er überzeugt davon, seinen leiblichen Vater gefunden zu haben. Ein Manager unter Verdacht Von der wölfischen Macht des Managers ist Ludwig abgestoßen und fasziniert zugleich. Da…

Weltenbummler unter Segeln
Rezensionen / 22. Juni 2021

Die große Freiheit lockt viele Weltumsegler ebenso wie der Traum vom Segeln. „Jede Weltumseglung ist eine Liebesgeschichte“, schreibt Kristina Müller im Vorwort zu dem Buch „Freiheit auf Zeit“. Dafür hat sie mit zwölf Weltumseglern gesprochen, mit Paaren, Soloseglern und einer Familie, mit Alten und Jungen. Sparen auf das ganz große Abenteuer Es sind keine Profisegler, auch keine Superreichen, sondern Menschen, die sich ihren Traum vom Segeln viel haben kosten lassen. Manche haben sich ihre Yacht buchstäblich vom Mund abgespart, andere haben Wohnung oder Haus dafür verkauft, wollten den ganz großen Ausstieg wagen. Ein Weltumsegler hat eine ganze Zahnarztpraxis an Bord, wo er die Menschen in der Südsee behandelt, ein anderer hat ein Projekt gegen die Verschmutzung der Meere ins Lebens gerufen. Unterwegs auf unterschiedlichen Yachten So unterschiedlich wie die Menschen und ihre Motive sind auch die Yachten, die sie durch die Welt getragen haben. Manche konnten sich nur ältere Segelboote leisten und schraubten selbst an ihrem Traumschiff, andere gönnten sich eine der weltweit schönsten Yachten, der Zahnarzt im Unruhestand schwört auf seinen Katamaran, und der Einhandsegler versenkte am Ende schweren Herzens sein Boot. „Fidel zu versenken war wie einen guten Freund zu ermorden“, gesteht er. Auf für Weltumsegler ist die…