Ein Lob der Weltverbundenheit

11. Juni 2019

Dass Reisen glücklich macht, suggeriert jeder Reisekatalog. Doch stimmt das wirklich? Philipp Laage müsste es wissen. Der Reisejournalist war schon als Jugendlicher viel unterwegs und ist es jetzt hauptberuflich. In dem außergewöhnlich schön aufgemachten Buch „Vom Glück zu reisen“, das er „mit der Brille eines wohlhabenden Mitteleuropäers“ geschrieben hat, singt Laage aber keineswegs der Hohe Lied des Reiseglücks.

Die Bucket List hat ausgedient

Gerade weil er viel von unserer Welt gesehen hat, weil er sich auch seine Gedanken zum Massentourismus gemacht und einiges darüber gelesen hat, ist Philipp Laage kritisch, was die Erwartungen an eine Reise angeht. Vom Abhaken einer Bucket List hält er nichts  („Fuck you, bucket list“ heißt ein Kapitel) , wichtiger sind ihm das Erleben, die Herausforderung, die Auszeit vom Alltag, die Begegnung mit anderen Menschen. Und da kann der Reisejournalist einiges erzählen. In das Buch eingestreut finden sich einige außergewöhnliche Reiseerlebnisse in Ländern, wo der normale Tourist kaum hinkommt. Auch sie machen das Buch lesenswert.

Wenig Sympathie für die Selfie-Manie

Es lebt aber auch von Laages Belesenheit, von seiner Distanz zu schnellen Urteilen und schnellen Posts. Instagrammable muss für ihn nichts sein auf seinen Reisen, auf wohlfeile Selfies verzichtet er weitgehend, er muss sich auch nicht sensationell verorten. Ihm genügt die Bereicherung der eigenen Erfahrung, und er weiß, dass Reisen auch anstrengend, ja sogar krank machend sein kann. Aber „scheitern taugt nicht für Content-Snacks. Zweifel, Ängste und Krisen sind kein Anekdotenstoff, den wir gerne mit 600 losen Bekannten auf Facebook teilen.“ Auch nicht den Overtourism, zu dem die Reisenden selbst beitragen. Denn, da ist Philipp Laage ganz realistisch, „der Reisende entkommt nicht seiner Rolle als Tourist“.

Nahe dran am Fremden

Das gilt auch für Traveler, die sich stets für die besseren Reisenden halten. Vieles, was sie für sich reklamieren wie authentische Begegnungen mit Einheimischen, hat die Tourismusindustrie schon vereinnahmt, so manches ist dadurch zur Folklore verkommen, verhilft aber zumindest den Menschen vor Ort zu einem bescheidenen Einkommen. Als Alleinreisender war der Journalist oft nahe dran am Fremden, und er hat die Exotik genossen. Oft mit schlechtem Gewissen, weil er mit dem Flugzeug angereist ist. Und doch würde er es immer wieder tun, um das zu spüren, was ihm wichtig ist: Weltverbundenheit.
Info: Philipp Laage. Vom Glück zu reisen, Verlag Reisedepeschen,302 S., 19,50 Euro

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