Anna Seghers und Mexiko
Rezensionen / 16. November 2020

Anna Seghers  sucht mit ihrer Familie Zuflucht in den USA – wie so viele andere Künstler in der Nazizeit. Doch die Schriftstellerin ist Kommunistin und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten unerwünscht. Es ist Mexiko, das Anna Seghers und den Ihren zum Zufluchtsort wird. Spiegel-Kulturchef Volker Weidermann begleitet in seinem Buch „Brennendes Licht“ die Autorin in dieses ihr so fremde, unvertraute Land fern der Heimat und des Krieges. Episoden aus unterschiedlichen Lebensphasen Weidermann scheint in diesem Buch nicht über Anna Seghers zu schreiben, sondern aus ihr. Er fühlt sich ein in seine Protagonistin und ihr Leben im Exil, das er nicht chronologisch erzählt, sondern in Episoden, die wie ein Echo aus unterschiedlichen Lebensphasen klingen. Dabei rückt ein Unfall in den Mittelpunkt, der Anna Seghers beinahe das Leben gekostet hätte. Ob es ein Anschlag war, bleibt ungewiss. Aber es war ein Unfall mit Folgen. Aufflackernde Erinnerungen an andere Zeiten Die Schriftstellerin musste sich langsam zurück ins Leben kämpfen, besser noch zurückerzählen. Auch von diesem Kampf berichtet Weidermann, lässt Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Mainz aufflackern, an alte Freundschaften und fast schon vergessene Schicksale. Fünf Jahre lebt Anna Seghers in Mexiko, hier begegnet sie Diego Rivera, dem hässlichen Hünen und bewundertem Star…

Mit Max Frisch auf der Baustelle
Rezensionen / 12. September 2019

Rainer Moritz weiß,  dass Schriftsteller aus ihrer Umgebung – dem Umfeld, den Mitmenschen – schöpfen , auch wenn es lange verpönt war, darüber zu reden. Nun hat der versierte Literaturkritiker und -Liebhaber  einen ebenso schönen wie lesenswerten Bildband zur Verortung von Literatur veröffentlicht. „Zum See ging man zu Fuß – Wo die Dichter wohnen“ lädt dazu ein, bekannte Schriftsteller wie Kafka und Hauptmann, Thomas Mann und Anna Seghers, Hesse und Schnitzler in ihrem Lebensumfeld kennen zu lernen und zugleich die Orte neu zu entdecken. Das Ortsbild von Travemünde Moritz ist ein wacher Beobachter, der in der Geschichte Bescheid weiß, aber auch die Realität der Gegenwart im Auge behält. So weist er bei Thomas Mann nicht nur darauf hin, dass das Buddenbrookhaus erweitert wird und mit zeitgeistigen Inszenierungen aufwarten soll, er spart auch nicht mit Kritik an den Errungenschaften der Moderne wie in Travemünde: „Kaum woanders ist es geglückt, mit einem einzigen Neubau ein Ortsbild so nachhaltig zu beschädigen.“ SUVs und Selfiestangen Der Autor registriert die SUVs vor dem Wohnhaus Schnitzlers in der Wiener Sternwartstraße und die Warteschlangen vor dem Kaffeehaus Central, die Besuchermassen in Prag und die „hochgereckten Selfie Stangen im Goldenen Gässchen“, auch die Touristen beim Tätscheln der Pessoa-Statue…