Er oder ich?
Rezensionen / 4. Juli 2016

„Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ Der Titel von Richard David Prechts Philosophie-Buch könnte auch über Joao Tordos Roman stehen. „Stockmanns Melodie“ beschäftigt sich mit der Frage der Individualität, der Einzigartigkeit. Schon ganz am Anfang träumt der Kontrabassist Hugo „noch ohne darum zu wissen, von seinem Ebenbild, einem Mann, der er noch nicht kannte und der doch in allem mit ihm identisch und anders war als er selber“. Hugo ist eine gescheiterte Existenz, sein Leben ein Labyrinth – bis er in einem Konzert den Jazzpianisten Luis Stockmann hört und in einer Melodie seine eigene unfertige Komposition wieder zu erkennen glaubt. Das Unerhörte wirft Hugo vollends aus der Bahn. Wie besessen sucht er nach Verbindungen und glaubt schließlich in Stockmann den bei seiner Geburt verstorbenen Zwillingsbruder zu erkennen. Aus der Verwirrung kann ihn nur die Ermordung des vermeintlichen Bruders befreien – oder der Selbstmord. Im zweiten Teil des Romans nämlich meldet sich Luis Stockmann ganz munter zu Wort und erzählt das Gganze aus seiner Sicht. Auch er, im Gegensatz zum eher schüchternen Hugo, ein erfolgsverwöhnter Künstler, wird durch die Begegnung aus der Bahn geworfen. Was ihn bewogen hat, den Spuren des Phantoms zu folgen, erzählt er einem befreundeten Schriftsteller…