Wer war’s wirklich?
Kinderbücher , Rezensionen / 10. Oktober 2023

Das kennen Kinder nicht nur aus der Schule. Es passiert etwas und schnell ist der oder die Schuldige gefunden. Dass es dabei oft Unschuldige trifft, nimmt man in Kauf. Die Juristin Juli Zeh und Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht, haben sich mit dem Kinderbuch „Der war‘s“ des Problems einer Vorverurteilung auf kindgerechte Weise angenommen. Der Pausenbrot-Klau Die sechste Klasse ist in Aufruhr. Marie, der besten und beliebtesten Schülerin, wurde mehr fach das Pausenbrot geklaut. Nicht ein normales Pausenbrot, nein, ein Supersandwich. Schnell ist ein Verdächtiger gefunden: Der rundliche Konrad hat sich an Maries Rucksack zu schaffen gemacht. Und der Schnüffler Torben hat ihn dabei ertappt. Schon läuft die ganze Maschinerie an – auf Instagram, WhatsApp & Co wird gegen Konrad gehetzt. Das hat Auswirkungen auch in der Schule. Improvisierte Gerichtsverhandlung Die Lehrer, überfordert und mit anderen Dingen beschäftigt, bekommen davon nichts mit. Nur Mika, einer der Schüler aus der Sechs, hat seine Zweifel. Man müsse doch alles genauer untersuchen, ehe man einen Mitschüler schuldig spreche, meint er.  Weil die anderen und vor allem Marie inzwischen ein schlechtes Gewissen haben, wird schnell eine Verhandlung improvisiert, bei der Mika als Anwalt dem Beklagten zur Seite steht. Ende gut, alles gut? Am Anfang…

Der Dorfnazi ist auch ein Mensch
Rezensionen / 22. Juli 2021

  Mit  „Unterleuten“  hat Juli Zeh nicht nur die Kritik überzeugt, sie hat auch einen großen Leserkreis angesprochen. Nun also das Nachfolgebuch „Über Menschen“. Wie „Unterleuten“ spielt auch dieser Roman in der brandenburgischen Provinz, da, wo die Autorin selbst seit vielen Jahren lebt. Von Corona vertrieben Im Zentrum steht die Werbetexterin Dora. Sie ist mit ihrer Hündin, die transgendermäßig Jochen der Rochen heißt, nach Bracken gezogen, wo sie ein heruntergekommenes Haus erworben hat. Corona hat Dora aus Berlin vertrieben, hat ihr das Zusammenleben mit ihrem zum Greta-Thunberg-Jünger und rechthaberischen Corona-Moralisten mutierten Freund vermiest. Nun will sie in Bracken Fuß fassen, lernen von dem zu leben, was das Land hergibt. Spiel mit Klischees Hin und wieder wird man bei der Lektüre dieses neuen Dorfromans an das Motiv der edlen Wilden erinnert. Nur eines von vielen Klischees, mit denen Juli Zeh in „Über Menschen“ spielt. Auch der Nachbar, der sich über die Gartenmauer mit „Ich bin hier der Dorfnazi“ vorstellt, wirkt wie ein Klischee.  Doch Juli Zeh ist eine viel zu versierte Autorin, um es bei solcher Typisierung zu belassen. Was am Anfang so eindeutig erscheint, wird bald in Frage gestellt. Angst vor der Wahrheit Der Nazi Gote erweist sich als fürsorglicher…

Morgen, Kinder wird’s was geben
Rezensionen / 1. Dezember 2020

Ja, was wird es wohl geben in diesem Jahr zu Weihnachten? Und wer wird die Geschenke in Corona-Zeiten bringen? Das Christkind oder der Weihnachtsmann? Sucht es euch aus. Hier sind zwei Weihnachtsbücher für Kinder, die ich euch gerne an Herz legen möchte. Das Christkind Juli Zeh („Unterleuten“), bisher eher nicht als Kinderbuchautorin bekannt aber als Mutter von zwei Kindern mit dem Gefühlsleben der Kleinen vertraut, holt das Christkind in die Gegenwart. Wie jedes Jahr haben die Zwillinge Josh und Lena für Weihnachten gebastelt, Plätzchen sind gebacken und alles ist vorbereitet für einen wunderbaren Weihnachtsabend. Auch der Baum. Denn alle Jahre wieder kommt ja das Christuskind auf die Erde nieder. Oder? Bevor es so weit ist gehen die Zwillinge noch mit ihrem Papa in die Vogelschutzwarte. Er will ihnen einen besonderen Vogel zeigen, den er verletzt auf der Heide gefunden hat. Jetzt sitzt er in der Ecke, den Kopf unter den großen weißen Flügeln verborgen. Aber Josh und Lena wollen nach Hause, schauen, was das Christkind gebracht hat. Die Mama wartet schon mit dem Glöckchen. Sie singen „Alle Jahre wieder“ und dann stürmen sie ins Wohnzimmer. Aber da ist nichts. Kein geschmückter Christbaum, keine Geschenke, einfach nichts. Und nicht nur bei…

Dunkle Abgründe auf Lanzarote
Rezensionen / 23. Oktober 2018

Es ist ein schmales Buch. Juli Zehs „Neujahr“ entführt die Leser nach Lanzarote, wobei der Vulkaninsel mit ihren schwarzen Stränden eine Art Doppel-Rolle zukommt. Denn Henning, der mit Frau und zwei Kindern, auf Lanzarote Weihnachten und Silvester verbringt, war schon einmal da – als kleiner Junge. Was damals geschah, war so schrecklich, dass er es verdrängt hatte. Doch nach dem Silvesterabend, bei dem seine Frau Theresa ausgiebig mit einem anderen Gast flirtet, startet Henning zu einer Radtour in die Berge und fordert sich dabei bis zur völligen Erschöpfung. Vielleicht liegt es daran, dass längst Verschüttetes an die Oberfläche drängt. Die Überforderung des modernen Vaters Bis dahin haben die Leser relativ wenig über Henning und seine Familie erfahren: Ein bürgerliches Paar wie viele, das sich die Erziehung der Kinder teilt und gerne vom Home Office aus arbeitet. Kleine Streitereien zwischendurch, nichts Ernstes. Nur, dass Henning immer wieder von Panikattacken heimgesucht wird. Womöglich als Folge von Überforderung. Denn Henning ist ein moderner Vater, einer, der sich einbringt – und trotzdem die Mutter nicht ersetzen kann. Über den Ehrgeiz, es allen recht zu machen, hat er die eigenen Wünsche aus dem Blick verloren. Jetzt, als er sich den Berg hinauf plagt, bricht es…