Dunkle Abgründe auf Lanzarote
Rezensionen / 23. Oktober 2018

Es ist ein schmales Buch. Juli Zehs „Neujahr“ entführt die Leser nach Lanzarote, wobei der Vulkaninsel mit ihren schwarzen Stränden eine Art Doppel-Rolle zukommt. Denn Henning, der mit Frau und zwei Kindern, auf Lanzarote Weihnachten und Silvester verbringt, war schon einmal da – als kleiner Junge. Was damals geschah, war so schrecklich, dass er es verdrängt hatte. Doch nach dem Silvesterabend, bei dem seine Frau Theresa ausgiebig mit einem anderen Gast flirtet, startet Henning zu einer Radtour in die Berge und fordert sich dabei bis zur völligen Erschöpfung. Vielleicht liegt es daran, dass längst Verschüttetes an die Oberfläche drängt. Die Überforderung des modernen Vaters Bis dahin haben die Leser relativ wenig über Henning und seine Familie erfahren: Ein bürgerliches Paar wie viele, das sich die Erziehung der Kinder teilt und gerne vom Home Office aus arbeitet. Kleine Streitereien zwischendurch, nichts Ernstes. Nur, dass Henning immer wieder von Panikattacken heimgesucht wird. Womöglich als Folge von Überforderung. Denn Henning ist ein moderner Vater, einer, der sich einbringt – und trotzdem die Mutter nicht ersetzen kann. Über den Ehrgeiz, es allen recht zu machen, hat er die eigenen Wünsche aus dem Blick verloren. Jetzt, als er sich den Berg hinauf plagt, bricht es…