Im Corona-Exil
Rezensionen , Romane / 9. Juni 2022

Gary Shteyngart  war noch ein Kind, als seine Eltern aus Leningard, dem heutigen St. Petersburg in die USA emigrierten.  Die Welt der russischen Emigranten hat ihn nie losgelassen. Ebenso wenig wie die Neigung zur Selbstparodie.  Beides gilt auch für seinen neuen Roman „Landpartie“. Freunde mit Migrationshintergrund Die Pandemie wütet in der Stadt, und der russisch-stämmige Schriftsteller Sasha Senderovsky hat mit seiner Frau Masha und der chinesischen Adoptivtochter Nat Zuflucht in seinem Landhaus gesucht. Zur Unterhaltung hat er ein paar Freunde aus alter Zeit in die zum Haus gehörenden Bungalows eingeladen. Bis auf seine ehemalige Schülerin Dee haben sie alle auch Migrationshintergrund: der koreanische Dandy Ed, die ebenfalls aus Südkorea stammende Dating-App-Erfinderin Karen und Vinod, den Sohn indischer Immigranten. Der Gastgeber führt Regie Zu dieser illustren Intellektuellen-Runde stößt später noch ein berühmter Schauspieler, der dabei helfen soll, Senderovskys neuen Roman zu verfilmen. Das ist die Ausgangsbasis von Gary Shteyngarts neuem Roman, einer klugen Gesellschaftssatire vor dem Hintergrund von Corona und Trump. Zwar weckt das Setting Erinnerungen an Boccaccios Klassiker Decamerone. Aber bei Shteyngart, der mit Senderovsky Alter und Beruf gemein hat, finden die erotischen Abenteuer, die teilweise überraschende Wendungen nehmen, erst statt. Und bei einigen führt der Gastgeber selbst Regie. Tschechow…

Haus der Erinnerungen
Rezensionen / 30. April 2020

Anne Müller wuchs in Schleswig- Holstein auf.  Die Gegend hat sie geprägt  –  und inspiriert.  Auch zu ihrem neuen Roman:  Zwei Wochen im Juni. Ada liebt das Haus am Meer mit dem Bauerngarten. Doch jetzt, da die Mutter gestorben ist, ist nichts mehr so wie es war. Sie und ihre Schwester Toni werden das Haus verkaufen, und Ada verliert mit dem Haus ein Stück ihrer Kindheit. Blick zurück in Nostalgie Zwei Wochen haben die Schwestern Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen. Es sind nicht nur glückliche Erinnerungen. Vor allem Toni konnte und wollte lange nicht verstehen, warum der Vater die Mutter verlassen und damit die Familie zerstört hat. Sie hat im Gegensatz zu Ada selbst Familie und als Lehrerin einen seriösen Beruf. Doch in den zwei Wochen im Elternhaus bröckelt Tonis selbstbewusste Fassade. Auch bei ihr ist nicht alles heil, sie muss um Mann und Familie kämpfen und erkennen, dass auch sie Schuld an den Zerwürfnissen trägt. Perspektiven für die Zukunft Und Ada, die eigenwillige Künstlerin, sieht ein, dass ihr Lebensentwurf auch nicht der allein seligmachende ist. Der verheiratete Liebhaber ist ihr keine Stütze, und ihr wird klar, dass sie dabei ist, eine andere Familie zu zerstören. „Wir sind Tagediebe“, stellt…