Das Schicksal ist ein Hütchenspieler
Rezensionen / 14. April 2020

Sasha Filipenko, 1984  in Minsk geboren,  hat sich als junger Autor  an ein großes Thema gewagt,  den Stalin-Terrror.  Bewältigt hat er das heute wieder heikle Thema auf eine sehr originelle Weise:  Alexander ist gerade in das Haus in Minsk eingezogen, da lauert ihm die alte Nachbarin auf. Was für eine aufdringliche alte Hexe, denkt der junge Mann aufgebracht. Und doch lässt er sich von Tatjana, so heißt die von Alzheimer Neunzigjährige, in ihr Leben hineinziehen. Ein Leben, geprägt von Leid und Gewalt. Denn, weil Tatjanas Mann in Kriegsgefangenschaft geriet, musste sie um ihr Leben und das ihrer Tochter fürchten – auch wenn sie seinen Namen durch den eines anderen ersetzte. Kriegsgefangene als Landesverräter Dass Kriegsgefangene unter Stalin als „verwerfliche Deserteure“ zu betrachten und ihre Familien „als Angehörige von eidbrüchigen und landesverräterischen Fahnenflüchtigen zu verhaften“ waren, hat Sasha Filipenko zu seinem Roman „Rote Kreuze“ inspiriert. Auch Tatjana entgeht nicht der Verhaftung, sie wird von ihrer Tochter getrennt und tagelang verhört und vergewaltigt. Am Ende landet sie in einem menschenunwürdigen Lager wie Solschenizyns „Gulag“. Nur der Gedanke, irgendwann doch noch Mann und Tochter wiederzusehen, hält sie am Leben – und der Wunsch, sich bei dem Mann zu entschuldigen, dessen Namen sie anstelle…