Satin Island: Müll der Zivilisation
Rezensionen / 24. Mai 2016

Ein Anthropologe sitzt irgendwo im Keller des Unternehmens, für das er arbeitet und schreibt an einem Narrativ für einen Großkunden, einer Art Blaupause für ein profitables Geschäftsmodell, das er zwischendurch am liebsten sabotieren würde. „Nennt mich U. – Call me you“ sagt der Erzähler gleich zu Anfang, „nennt mich du“. Damit beginnt der Autor ein intellektuelles Spiel, in dem er dem Leser immer wieder neue Narrative vorsetzt, ihn über neue Strukturen grübeln lässt und die Grenze zwischen ihm und dem Autor oder auch dem Erzähler verwischt. Satin Island hat kein Plot und keine Charaktere John McCarthy, der nicht nur Schriftsteller ist, sondern auch Künstler und Philosoph und als solcher bestens vertraut mit dem Strukturalisten Claude Lévi-Strauß, verweigert in „Satin Island“ die klassischen Zutaten eines Romans. Das Buch hat keine zentrale Erzählung, kein Plot, auch keine Figuren im üblichen Sinn. U beschäftigt sich vor allem damit, Dossiers anzulegen über Abstürze von Fallschirmspringern und Haiattacken, über Spammails und über die Bügelfalten von Jeans. Doch der „große Bericht“, der alles umfassen soll, scheint ihm zu entgleiten. U’s Chef Peyman kommt nur als Auftraggeber des „großen Berichts“ ins Spiel, U’s Freund Petr ist als Krebskranker schon nicht mehr von dieser Welt, und Madison, mit…