Brunetti im Netz der Erinnerung
Rezensionen , Romane / 2. Juni 2022

Es sind immer weniger die üblichen Krimis, die aus der scheinbar unversiegbaren Feder von Donna Leon fließen. Auch Brunettis 31. Fall „Milde Gaben“ beschäftigt sich intensiv mit dem, was der Autorin schon seit Jahren am Herzen liegt – Gesellschaftskritik. Die Folgen von Corona Venedig ist dabei, die Pandemie abzuschütteln. Doch die Stadt hat gelitten, viele Läden bleiben geschlossen. Doch während Corona manche in den Ruin trieb, haben andere profitiert. Brunetti hat viel Zeit, sich Gedanken über die abstrusen Folgen der Pandemie zu machen und sich seinen Klassikern zu widmen. Auch das Verbrechen scheint zu pausieren. Die Freundin, die keine war Und dann bittet ihn eine alte Freundin um Hilfe, die in Wirklichkeit gar keine Freundin war, wie Brunetti sich widerwillig erinnert. Der Commissario muss nur zurückdenken an seine ärmliche Kindheit. Und so erfahren die Lesenden erstaunlich viel aus Brunettis Leben vor Paola. Von den beengten Verhältnissen, in denen er zusammen mit seinem älteren Bruder aufwuchs. Vom Vater, der seit der Heimkehr aus dem Krieg immer seltsamer wurde, und von der geliebten Mutter, die im Alter dement wurde. Keine Lösung und viele Fragen Es sind teilweise schmerzvolle Erinnerungen, denen sich Brunetti in diesem Fall stellen muss. Nach vielen Verwicklungen wird klar,…

Brunetti: Jubiläum in Melancholie
Rezensionen / 17. Juni 2021

Es gilt mal wieder ein Jubiläum zu feiern: Donna Leons Commissario Brunetti löst seinen 30. Fall. „Flüchtiges Begehren“ ist der Titel des neuen Romans, in dem Brunetti die Leser wieder mitnimmt auf seine Streifzüge durch Venedig. Unschönes in Venedig Mehr als sonst ist der Commissario von Melancholie geplagt. Vielleicht weil er es mit zwei jungen Männern zu tun hat, die ihn an seinen Sohn erinnern. Vielleicht aber auch, weil er all der Missetaten und unschönen Entwicklungen überdrüssig ist, die ihm in seinen langen Dienstjahren begegneten und die ihm das Leben in Venedig verleiden: Massentourismus und Umweltverschmutzung, korrupte Politiker und mafiöse Strukturen. Vieles scheint auserzählt Nicht einmal die geliebte Familie kann den Commissario so recht aufheitern. Und der schönen und smarten Signorina Elettra gönnt er kaum einen Blick. Wie die Familie gehört sie zum lieb gewonnenen Personal der Romane. Vieles scheint auserzählt in dieser Folge wie die Launen des dumm-arroganten Vorgesetzten Patta oder auch die Kochkünste der intelligenten Ehefrau Paolo. Griffoni und die Frauen-Power Dass Donna Leon mit der schönen Neapolitanerin Claudia Griffoni eine neue Figur eingeführt hat, spricht allerdings gegen die Annahme, die Amerikanerin könnte ihre erfolgreiche Krimi-Serie beenden. In diesem Fall, in dem es anfangs nur um einen schrecklichen…

Venedig schwitzt, Brunetti resigniert
Rezensionen / 30. Mai 2020

Geheime Quellen können sich auf Wasserzuflüsse beziehen aber auch auf illegale Geldzuflüsse.  Womöglich auch auf beides wie in Donna Leonas neuem Roman mit dem Titel Geheime Quellen.  Es waren noch nie Hau-Drauf-Krimis, bei Donna Leon und ihrem Commissario Brunetti geht es eher um die gesellschaftlichen Hintergründe, die zu Missständen und womöglich auch zu Morden führen. Das ist bei Brunnettis 29. (!) Fall  nicht anders. Eine Todkranke und ein Versprechen Lange ist sogar unklar, ob es sich beim Tod von Vittorio Fadalto nicht doch um einen Unfall gehandelt hat und nicht um einen Mord, wie seine todkranke Frau annimmt. Ihr hat Brunetti versprochen, sich um den Fall zu kümmern. Doch das scheint nicht zu eilen. Denn lange geht es in dem Roman eher um die Hitze, die sich im überlaufenen Venedig staut, um Durst und Wassernotstand, um Umweltsünden und Brunettis Amtsmüdigkeit. Nur der Vize-Questore ist relativ unbeeindruckt von der Hitze, die seinen Mitarbeitern alle Energie aus den Knochen zu saugen scheint. Kein Wunder, Patta hat eine Klimaanlage, von der auch die kluge Signorina Elettra profitiert. Wasser ist ein wichtiges Gut Wie immer ist sie Brunetti bei seinen Recherchen eine große Hilfe, und so stößt er beinahe nebenbei auf eine Vergiftung des…

Brunetti und die letzten Dinge des Lebens
Rezensionen / 3. Juli 2019

Donna Leon ist inzwischen 76, und sie lebt schon seit geraumer Zeit nicht mehr in Venedig. Wie alt ihr Commissario Guido Brunetti ist, weiß man nicht so recht. Auf jeden Fall löst er in diesem Buch seinen 28. Fall. Aber in der Familie Brunetti und im Polizeipräsidium scheint die Zeit still zu stehen. Die Kinder leben immer noch zu Hause, der Vize-Questore ist immer noch kein einfacher Vorgesetzter und die schöne Signorina Elettra ein hilfreicher Engel mit digitaler Allwissenheit. Es geht um Väter und Söhne Und doch ist etwas anders in diesem Krimi mit dem Titel „Ein Sohn ist uns gegeben“. Es geht um Väter und Söhne, leibliche und angenommene und vor allem darum, dass ein Freund von Brunettis adligem Schwiegervater vor einer Dummheit bewahrt werden soll: Der alternde Gonzalo Rodriguez de Tejeda will seinen jungen Liebhaber adoptieren und zum Alleinerben einsetzen. Das Szenario nutzt Donna Leon für einen – nostalgischen  – Blick zurück in die Vergangenheit des Conte und seiner Freunde. Der schwule Spanier Gonzalo war von seinem Vater verstoßen worden, er hatte in Lateinamerika ein Vermögen gemacht und dort auch Freunde gefunden. In seiner Wahlheimat Venedig wurde der distinguierte Spanier auch zum Vertrauten Brunettis und seiner Familie –…