Vom Häuten der Zeit
Rezensionen / 25. August 2018

Siebzig Jahre alt musste Bodo Kirchhoff werden, um sich literarisch mit dem Trauma der eigenen Kindheit auseinander zu setzen. Angeklungen ist die sexuelle Verführung des Kindes Bodo schon früher, doch erst im „Roman der frühen Jahre“ stellt er sich unter dem Titel „Dämmer und Aufruhr“ dem eigenen Lebensdrama. Und dabei spielt nicht nur der Missbrauch durch den Kantor im Internat am Bodensee eine zentrale Rolle, noch wichtiger für die Sexualisierung des Buben ist die junge (und schöne) Mutter. „Bilder von sprachloser Wahrheit“ Wie Kirchhoff die frühe Mutter-Sohn-Beziehung rückblickend beschreibt („Der Infant stillt seine Mutter“) ist einerseits irritierend, weil es den Leser ungewollt zum Voyeur macht, andererseits zeugt es von der literarischen Qualität dieses Erinnerungsbuches. So gibt es, wie Kirchhoff schreibt, „nur verwischte Erinnerungen, Bilder von sprachloser Wahrheit, die, in Worte gefasst, eine Brücke zum Wahrscheinlichen bilden. Ja, wahrscheinlich ist es so gewesen, alle Bilder sprechen dafür.“ Der Mittagsgalan und die Mutter Und die Bilder erzählen davon, dass der kleine Bodo für die Mutter, die Schauspielerin war und später Autorin von Liebesromanen wurde, weniger Kind als männlicher Begleiter war, „Sommerkavalier“. Und in den „Mittagsdämmerstunden“ des Urlaubs ohne den Vater kommt es zu Intimitäten, wobei sich der kleine „Mittagsgalan“ eines Bleistifts bedient,…