Holocaust: Fenster in die Fantasie
Kinderbücher , Rezensionen / 17. April 2024

Was wäre, wenn… fragt sich Neal Shusterman, der Schriftsteller mit jüdischen Wurzeln, in dem Buch „Fenster in der Nacht“. Was wäre, wenn Märchen wahr würden. Wenn sich zum Beispiel ein Fenster in rettende Welten öffnen würde, jenseits aller Verfolgung durch Nazis. Wenn ein neuer Golem aus Asche Menschen vor den Gaskammern bewahren würde. Oder wenn die russische Hexe Baba Jaga die Widerständler unterstützen würde. Geschichten der Hoffnung Fünf Geschichten über den Holocaust erzählt Shusterman in dieser Graphic Novel, für die der texanisch-mexikanische Cartoonist Andrés Vera Martínez die Illustrationen geschaffen hat. Ein Zauberstab macht Schwache stark, eine Kristallmuschel erweckt Tote zum Leben… Hier darf sein, was nicht sein kann. Denn diese Geschichten sind allesamt Geschichten der Hoffnung. Magische, märchenhafte Geschichten über Menschlichkeit und Mut. Geschichten, die gerade in unserer Zeit mit dem wachsenden Antisemitismus wieder so wichtig sind. Fantasy und Holocaust Neal Shusterman hat etwas getan, was so gar nicht naheliegend war,  ja was fast schon wie ein Frevel wirkt.  Er hat Fantasy mit dem Holocaust vermischt. So gelingt es ihm, auch ein Publikum anzusprechen, das sich kaum mehr für die Judenverfolgung des Dritten Reichs interessiert. Einen großen Anteil daran hat auch Martínez, der mit seinen kraftvollen Illustrationen eine längst vergangene…

Schwer erziehbar
Kinderbücher , Rezensionen / 25. März 2024

„How to train your Dad“ ist kein Ratgeber dafür, wie man Eltern erzieht. Gary Paulsen erzählt vielmehr die Geschichte eines Scheiterns – mit viel schrägem Humor und amerikanischem Lokalkolorit. Carl lebt nach dem Tod seiner Mutter mit seinem Vater in einem schrottigen Wohnwagen auf einem vernachlässigten Grundstück. Sie haben Schweine und Hühner und die humpelnde Pitbull-Hündin Carol, „eine Fressmaschine in Hundegestalt“ mit einem ausgeprägten Beschützerinstinkt. Ein spezieller Dad Und dann ist da noch Pooder, Carls bester Freund, ein schlaues Kerlchen und, wie Carl, ein Außenseiter in der Schule. Und Pooder ist ganz begeistert von Carls Dad. Denn der ist speziell. So speziell, dass Carl ihn am liebsten umerziehen würde. Lieber normal Warum? Weil sein Dad am liebsten Dinge recycelt, alte Sachen repariert, in Containern nach Essen fischt und auf Flohmärkten Klamotten kauft, die längst aus der Mode sind. Das hat Carl lange nicht gestört. Doch dann hat er sich in Peggy verguckt, ein Mädchen in seiner Klasse. Für sie wäre er gern anders, also normal. Versuch einer Umerziehung Doch wie soll das gehen mit einem Dad wie dem seinen. Pooder, der immer für alles eine Lösung hat, rät ihm zur Umerziehung. Und Carl macht sich ans Werk, wobei er ein…

Was für ein Elend!
Kinderbücher , Rezensionen / 6. März 2024

Für ihren Kinderroman „Frieda, Nikki und die Grenzekuh“ ist Uticha Marmon mit dem Kirsten-Boie-Preis ausgezeichnet worden. Denn ihr ist es gelungen,  so schwierige Themen wie Krieg und Frieden auch für Kinder erfahrbar zu machen – mit hintergründiger Komik. Doppeltes Elend Oft fangen die großen Probleme schon im Kleinen an. Wie im Dorf Elend, das in Nord- und Süd-Elend gespalten ist.  Frieda lebt mit ihren Eltern Anne und Paul in Südelend, Nikki ist ihr bester Freund und für jedes Abenteuer zu haben. Aber Nordelend ist beiden suspekt. Da wohnen unter anderen Jella, Adil und Bo, kurz Adibo, weil sie immer zusammen auftreten und dann auch ziemlich aggressiv. Die Kuh und ihr Kalb Um Ärger zu vermeiden bleiben die Südelender und die Nordelender unter sich, so wie es seit langer Zeit ist. Doch dann bringt ausgerechnet Friedas Lieblingskuh Angela das Arrangement ins Wanken. Denn Angela hat es sich in den Kopf gesetzt, ihr Kalb ausgerechnet an der Grenze zwischen Nord- und Südelend zur Welt zu bringen. Eine Katastrophe, finden die Süd-Elender, und die Nord-Elender sehen es ebenso. Es wird aufgerüstet Verschwörungsgerüchte machen die Runde, der Konflikt eskaliert. Bauer Reinke aus Nord-Elend reklamiert das Kalb für sich, weil sein Stier Bronco der Vater…

Sehnsuchtsziel Portugal
Kinderbücher , Rezensionen / 6. März 2024

Saudade, das ist in Portugal das Wort für Sehnsucht, eine Art Weltschmerz. Saudade empfinden auch Portugal-Fans, wenn sie das Land wieder verlassen, wenn sie fern von ihrem Sehnsuchtsziel sind. Überbrücken lässt sich dieses melancholische Gefühl mit diesem Büchlein. Denn Susanne Bade und Dirk Lehmann sind tatsächlich „in love with Portugal“, wie der Titel verspricht. Stolz und Humor Die beiden waren so oft in Portugal, dass sie sich trauen, über die Mentalität der Portugiesen zu schreiben. Sie wissen um den Stolz der Menschen, um ihren Humor, der sich in den Redewendungen Bahn bricht. Sie sind durchs Weinland am Douro gewandert, haben am Oberlauf des Flusses die altsteinzeitlichen Zeichnungen erkundet und in Porto die Street Art unserer Zeit. Sie haben die schönsten Strände genossen, sich im Wellenreiten versucht und vom Surffieber anstecken lassen. Das schöne Monster Sie sind der Magie in den Wäldern der Serra de Estrela verfallen, haben in wilden Flüssen gebadet und waren in den Vierteln des „verdammt schönen Monsters“ Lissabon dem Lebensgefühl auf der Spur. Sie haben sich in die Kapelle der Toten in Évora gewagt und im Sternenpark von Alqueva in den Sternenhimmel geschaut.  Verwandte und Fremde Doch was für die beiden Portugal-Kenner den besonderen Reiz ausmacht, waren…

Problematisches Schlamassel
Kinderbücher , Rezensionen / 17. Februar 2024

Zuallererst: Danny Wattins Roman Davids Dilemma ist kein ganz unproblematisches Buch. Der Inhalt könnte Vorurteile bestärken. Vorurteile gegen Juden. Denn der Ich-Erzähler David kommt aus einer jüdischen Familie. Das hat bisher niemanden interessiert, weil er in der Klasse kaum auffiel, ein Loser halt wie sein pickeliger Freund Micke. Und aus nichtigem Grund, weil er keine Lust auf Sport hat, beruft er sich auf sein Judentum – mit ungeahnten Folgen. Plötzlich sichtbar Plötzlich ist David sichtbar, ein Junge in der Pubertät, der für Mädchen schwärmt, die er nicht haben kann und die eine, die ihn anhimmelt, verachtet. Zu dick, zu langweilig. So richtig sympathisch ist dieser David nicht. Ein Lügner, der sich vor echten Auseinandersetzungen drückt – auch in der Familie. Ein Feigling, der lieber mit der Menge schreit – in dem Fall mit den Palästina-Aktivisten. Zwischen allen Fronten Doch dann kommt es knüppelhart für David. Die umschwärmte Maja will ihn für ihren antisemitischen Protest gewinnen und weckt in ihm die Hoffnung auf die Erfüllung seiner Schwärmerei. Aber da ist auch der große Bruder seines Intimfeindes, ein Nazi-Schläger. Er und seine Faschisten-Freunde wollen David für sich vereinnahmen – als Alibi-Juden. Um zu zeigen, wie ernst es ihnen ist, prügeln sie Micke…

Lesefutter für Kids
Kinderbücher , Rezensionen / 25. November 2023

Weihnachten, das heißt nicht nur Heiliger Abend und Geschenke, das heißt auch Ferien. Und im Winter können die ganz schön langweilig sein, wenn das Wetter nicht mitmacht. Umso schöner ist es, sich gemütlich in einen Sessel oder ins Sofa zu kuscheln und zu lesen oder gemeinsam ein Bilderbuch anzuschauen. Hier sind ein paar Tipps für kleine Lese-Auszeiten nicht nur zur Weihnachtszeit. Rico und das Problem mit den Ecken „Rico, Oscar und die Tieferschatten“ von Andreas Steinhöfel ist ein Kinderbuchklassiker, er es bis zur Schullektüre geschafft hat. Der „tiefbegabte“ und liebenswerte Rico ist Eltern und Kindern ans Herz gewachsen. Mit dem kleinen Protagonisten weckt Steinhöfel Sympathien für Menschen, die anders sind, die am Rand stehen, weil sie keine Schnellchecker sind. In dem Bilderbuch „Rico und die Tuchlaterne“ geht es um den Schulweg. Denn Rico denkt zwar gern um Ecken, aber er kann nicht um Ecken gehen, weil er dann sofort vergisst, welche Richtung er einschlagen muss. Wie seine Mama das Problem löst und wie Rico in seiner – besonderen – Schule zurecht kommt, liest sich leicht und unterhaltsam. Steinhöfel ist ein Meister darin, einfach und doch hintergründig zu formulieren. Und die Illustrationen von Lena Winkel machen die kleine Geschichte zu einem…

Wer war’s wirklich?
Kinderbücher , Rezensionen / 10. Oktober 2023

Das kennen Kinder nicht nur aus der Schule. Es passiert etwas und schnell ist der oder die Schuldige gefunden. Dass es dabei oft Unschuldige trifft, nimmt man in Kauf. Die Juristin Juli Zeh und Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht, haben sich mit dem Kinderbuch „Der war‘s“ des Problems einer Vorverurteilung auf kindgerechte Weise angenommen. Der Pausenbrot-Klau Die sechste Klasse ist in Aufruhr. Marie, der besten und beliebtesten Schülerin, wurde mehr fach das Pausenbrot geklaut. Nicht ein normales Pausenbrot, nein, ein Supersandwich. Schnell ist ein Verdächtiger gefunden: Der rundliche Konrad hat sich an Maries Rucksack zu schaffen gemacht. Und der Schnüffler Torben hat ihn dabei ertappt. Schon läuft die ganze Maschinerie an – auf Instagram, WhatsApp & Co wird gegen Konrad gehetzt. Das hat Auswirkungen auch in der Schule. Improvisierte Gerichtsverhandlung Die Lehrer, überfordert und mit anderen Dingen beschäftigt, bekommen davon nichts mit. Nur Mika, einer der Schüler aus der Sechs, hat seine Zweifel. Man müsse doch alles genauer untersuchen, ehe man einen Mitschüler schuldig spreche, meint er.  Weil die anderen und vor allem Marie inzwischen ein schlechtes Gewissen haben, wird schnell eine Verhandlung improvisiert, bei der Mika als Anwalt dem Beklagten zur Seite steht. Ende gut, alles gut? Am Anfang…

Von Maus und Katz
Kinderbücher , Rezensionen / 13. September 2023

Mucks Maus und Missjö Katz sind sich am Anfang nicht grün. Wie auch? Schließlich war Mucks Maus zuerst da, als Freund von Rajo, dem Sohn von Papa und Baba. Die wussten allerdings nichts von dem kleinen Freund ihres Sohnes und deren gemeinsamen Sonntagen. Denn immer wenn Baba und Papa zusammen mit Tochter Minou einen Ausflug in die Stadt machten, um ins Kino und in Minous Lieblingsrestaurant Chez Madame zu gehen, machten es sich Rajo und Mucks Maus im Haus gemütlich. Idylle mit Laus Dann dachte Mucks Maus wehmütig an seine tote Frau Mathilde und glücklich an die Rettung durch Rajo. Und Rajo erfüllte seinem kleinen Freund jeden Wunsch. Eine Idylle, an der auch Stanis Laus teilhaben konnte, die uralte Vampirlaus. Sie wurde hinter dem linken Ohr des Grafen Dracula geboren und, nachdem sie den Vampir gebissen hatte, selbst zum Vampir. Nicht totzukriegen. Dafür superschlau durch jahrhundertelange Erfahrung. Davon profitiert letztlich Mucks Maus, als Minou den Feind ins Haus bringt: Missjö Katz! Die Katz im Haus Eifersüchtig beobachtet Mucks Maus, wie Missjö Katz verwöhnt wird, die besten Leckerbissen bekommt und von allen gehätschelt wird – auch von Rajo. Dabei hat die Maus doch die älteren Rechte! Wie es Mucks Maus schafft,…

Gestatten, Gaston!
Kinderbücher , Rezensionen / 28. August 2023

So ein hinreißendes Bilderbuch: „Gestatten, Gaston!“ von Kelly Di Pucchio mit Illustrationen von Christian Robinson zeigt, wie ein kindgerechter Umgang mit Andersartigkeit aussehen kann. Gaston und seine Geschwister Der kleine Welpe Gaston hat Probleme damit, so brav und wohlerzogen zu agieren wie seine Geschwister. Dabei strengt er sich mächtig an, um seiner Mama zu gefallen. Aber anmutig laufen und nicht wild herumtollen, das fällt dem kleinen Kerl ganz schön schwer. Und bildhübsch auszusehen ist bei seiner Statur auch schwieriger als bei Fifi, Chouchou und Oh-Là-Là, den ranken Pudelkindern. Doch Mama Pudel mag all ihre Kinder, und Gaston liebt seine Geschwister. Antoinette und ihre Geschwister Dann kommt der Tag, der alles ändern sollte. Zufällig begegnet Familie Pudel einer Bulldoggen-Familie. Auf den ersten Blick ist klar, dass es wohl eine Verwechslung gab mit einem der Nachkommen. Denn Antoinette sieht ganz und gar nicht aus wie ihre Buldoggen-Geschwister Bruno, Rocky und Ricky. Kein Glück beim Tausch Nach langem Hin und Her tauschen Antoinette und Gaston die Familie. Aber das, was sie geprägt hat, können sie nicht vergessen: Antoinette „mochte ganz und gar nichts, was brav, bezaubernd oder bonbonrosa war“. Und Gaston „mochte ganz und gar nichts, was rüde, ruppig oder rostbraun war“. Kurz,…

Königliches Abenteuer
Kinderbücher , Rezensionen / 3. August 2023

„Plötzlich wach!“ heißt der lustige Kinderroman von Maja Vogel. Und schon auf dem Umschlag kann man durchs Guckloch sehen, worum es geht: Mit der Queen ’ne Kutsche kapern. Das ist ein Ding: Da spaziert plötzlich die Queen mit Krönchen und Schärpe durch die Straßen. Eine Doppelgängerin? Oder ist die Queen wieder zum Leben erwacht? Wachsfiguren als Freunde Annemie schwant etwas anderes, aber das ist mindestens genauso merkwürdig: Ihre Oma hat ein Wachsfigurenkabinett. Und wer fehlt da? Erraten: Die Queen.  Dem Mädchen schwirrt der Kopf. Glücklich ist sie nicht, dass sie mit ihren Eltern zu Oma Fritz in die Stadt ziehen musste. In den Ferien, ja, da war sie gern bei der Oma. Auch wegen der Wachsfiguren, die zu ihren Freunden wurden. „Ich kann mit Harry Potter über Quidditch plaudern, mit Marilyn tanzen, mit Lady Gaga singen und Manuel Neuer dabei zusehen, wie er jeden Ball hält.“ Leo verspricht Hilfe Aber so richtig lebendig war keine von ihnen – bis jetzt. Wie kann es sein, dass die Queen einfach quicklebendig aus dem Museum spaziert ist? Das Mädchen wittert einen Skandal, und den möchte sie unbedingt vermeiden – schon ihrer Oma zuliebe. Doch dann kommt ihr dieser neugierige Junge dazwischen, Leo. Mist! Doch…