Jenseits der Capri-Sonne
Rezensionen / 28. September 2020

Ein Capri-Krimi? Capri das ist Sinnbild für Lebensfreude, Schönheit, Urlaub. Aber doch nicht für Mord und Totschlag. Der Autor Luca Ventura allerdings will die italienische Insel im Golf von Neapel zum Schauplatz seiner Krimis um den noch unerfahrenen  Inselpolizisten Enrico Rizzi machen. Straßenmusiker und Sohn reicher Eltern Im ersten Capri-Krimi muss Rizzi den Mord an einem jungen Mann aufklären, der als Straßenmusiker aufgefallen war und sich als Sohn reicher Eltern entpuppt. Wer hat Jack Milani ermordet? Seine Freundin Sofia, die spurlos verschwunden ist? Der Professor im Institut für Ozeanologie, dem er mit privaten Enthüllungen gedroht hat? Komplizierte Aufklärung Der Inselpolizist, der nebenbei noch seinem Vater in den Obstgärten helfen muss, ist genervt. Ausgerechnet mitten im August hält ihn dieser Mord auf Trab. Und obwohl er irgendwann die beiden Verdächtigen in Gewahrsam hat, scheint er von der Aufklärung des Mordes noch weit entfernt… Ventura lässt einen sympathischen Polizisten auf Capri ermitteln, und die leidlich spannende Geschichte klärt ganz nebenbei auch darüber auf, wie es mit den Weltmeeren bestellt ist. Hineingelesen… … in die Meeres-Problematik Als sie klein gewesen war, dachte sie immer, der Golf von Neapel sei das größte Meer der Welt, und wer darin bade, bekäme eine schöne, samtige Haut….

Wer ermordete Olof Palme?
Rezensionen / 28. September 2020

Olof Palme galt als einer der populärsten Ministerpräsidenten Schwedens, und sein Tod alarmierte die Welt. Bis heute ist der Mord an Olof Palme nicht aufgeklärt. War es ein Einzeltäter, der den Ministerpräsidenten erschoss oder stand ein Komplott hinter dem Mord? Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson haben rund um die Tat einen spannenden Krimi gesponnen, der den „größten Kriminalfall in der schwedischen Geschichte“ von verschiedenen Seiten beleuchtet. Stieg Larsson lässt grüßen Dabei greifen die Autoren auch auf Recherchen von Stieg Larsson zurück, der mit der „Millennium Trilogie“ einen Welt-Bestseller schrieb, aber auch Herausgeber eines antifaschistischen Magazins war. So erfahren die Leser ganz nebenbei auch viel über rechte Verschwörungen, über Geheimbünde beim Militär und Anti-Palme-Aktionen. Olof Palme, auch das lässt dieser Roman ahnen, war keineswegs ein Heiliger, auch er nutzte die Politik für seinen eigenen Vorteil und den seiner Familie. Das Erbe des Vaters Der Krimi spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Im Mittelpunkt steht die Tochter eines hoch dekorierten Militärs, der womöglich am Palme-Mord beteiligt war. Weil Stina Forss wissen will, was vor 33 Jahren wirklich geschehen ist, wird sie selbst das Opfer mehrerer Anschläge, die sie einäugig überlebt. Bei ihren Recherchen wird die Polizistin von Kollegen unterstützt, vor allem von ihrer…

China und das Glück
Rezensionen / 28. September 2020

China, das Riesenland, die aufstrebende Großmacht, das Reich der Milliardäre. China, das nach unseren Industrie-Champions greift, das uns mit Plastikspielzeug zumüllt und sich Taiwan einverleiben will. Wir wissen viel über die Volksrepublik und kennen sie doch nicht. „China, wer bist du?“ fragt Simone Harre in ihrem Buch, das aus vielen Gesprächen mit Chinesen entstanden ist, mit Milliardären und Bauern, mit Designern und Verkäufern, Künstlern und Taxifahrern, mit Frauen und Männern, Jungen und Alten, mit Christen, Buddhisten, Muslimen, mit Vertretern von Homosexuellen und ethnischen Minderheiten. Was fehlt zum Glück? Sie wollte hinter die Kulissen blicken, die Seele des Landes er-spüren, und fragte die Menschen danach, was sie glücklich macht. Die Antworten, die sie bekam, waren höchst unterschiedlich. Sie zeigen, dass die Chinesen weit von einer einheitlichen Denkungsart entfernt sind, wie wir es immer wieder argwöhnen. Und sie zeigen, dass Reichtum nicht glücklich macht, auch wenn so einige auf „Vom-Tellerwäscher-zum-Milliardär-Karrieren“ zurückblicken können. Trotz ihrer Erfolge konnten sie nicht aufhören, nach immer mehr zu streben – so wie dieser Millionär: „Hungern muss keiner mehr in seiner Familie. Doch glücklich? Ist er glücklich. Wei Jinji schaut mich fragend an. Ja. Nein. Er wiegt den Kopf. Und er weiß. Irgendetwas stimmt nicht, irgendetwas fehlt…“ „Zu…

Das Reisen als Lebensweg
Rezensionen / 22. September 2020

Michael Roes weiß: Reisen und Tourismus sind zweierlei Stiefel. Reisen fordert den ganzen Menschen, ist verbunden mit Strapazen – auch heute noch – und kann mit großen Enttäuschungen verbunden sein. Der Tourismus dagegen verspricht die heile Welt, die Sicherheit mit Netz und doppeltem Boden und natürlich Glücksgefühle. Der Autor und Filmemacher Michael Roes definiert sich als Reisender. Riskante Nähe Es sind auch nicht die Ziele des Massentourismus, in die er die Leser mitnimmt – auch in Marokko oder Tunesien lässt er sich auf eine Nähe ein, die so riskant ist wie seine Reisen durch Afghanistan, im Jemen oder in Mali. In seinem dicken Buch „Melancholie des Reisens“ überlagert seine Gedankenwelt immer öfter auch die Realität vor Ort. Denn für Michael Roes ist Reisen immer auch verbunden mit der Suche nach Wahrheit und den eigenen Grenzen. Der Reisende als Virus Er reist Menschen nach, die ihn inspiriert haben: die Dichtern Rimbaud und Bowles etwa oder gescheiterten Entdeckern. Zitate aus deren (Tage)Büchern stehen zwischen den eigenen Betrachtungen, die jetzt in Corona-Zeiten fast prophetisch klingen: „Die Fremde liebt den Reisenden nicht. Sie wehrt sich gegen ihn, bekämpft ihn, isoliert ihn, stellt ihn unter Quarantäne, eliminiert ihn. Die Rituale der Gastfreundschaft sind Strategien der…

Entzauberter Heldenmythos
Rezensionen / 17. September 2020

Natürlich kennt auch Charles Lewinsky die ruhmreichen Eidgenossen aus Schillers „Wilhelm Tell“. Doch der Schweizer Autor will nichts vom Heldenmythos wissen. In seinem Roman „Der Halbbart“ lässt er einen elfjährigen Knaben vom Kampf der Eidgenossen gegen die Habsburger erzählen – aus dem Blickwinkel der kleinen Leute. Geschichte und Geschichten Die Welt des jungen Sebi, der mit den ungleichen Brüdern Poli und Geni aufwächst, ist geprägt von Tod und Teufel – und von der Macht des Klosters Einsiedeln. Anfang des 14. Jahrhunderts stritten die Schwyzer im „Marchenstreit“ mit dem unter dem Schutz der Habsburger stehen Kloster über die Nutzung von Wald- und Weideflächen. Am Dreikönigstag unternahmen sie einen folgenschweren Überfall, der später zur Schlacht am Morgarten führte. Auch die ein Mythos in der Schweizer Geschichte. Doch Charles Lewinsky geht nicht der bekannten Geschichte auf den Leim, ihm geht es ums Geschichtenerzählen. Himmel und Hölle Und das kann der Sebi, der sonst zu wenig taugt. Ist er doch beim Teufels-Anneli, der wandernden Märchentante, in die Lehre gegangen, nachdem er aus dem Kloster geflohen war. Denn eine Kindsleiche beseitigen, wie der Abt es ihm befohlen hat, das wollte der Sebi denn doch nicht. Lieber gräbt er dem kleinen Leichnam im Wald ein Grab,…

Der Himalaja in Briefen
Rezensionen / 17. September 2020

Der Himalaja, einst Traumziel von Berg-Pionieren, ist mittlerweile zum Tourismusziel geworden.  Die Veränderungen der Region seit die Gebrüder Schlagintweit Mitte des 19. Jahrhunderts  auf ihrer Forschungsreise zum Himalaja vordrangen, veranschaulichen Briefe, die Forscher, Abenteurer und Bergsteiger nach Hause geschickt haben.  Reinhold Messner hat einige davon in einem Sammelband untergebracht – und viele seiner eigenen. Authentische Berichte aus dem „Schneeland“ „Nicht das Bergsteigen an sich ist ein Gesundbrunnen für mich, oft reicht eine unverbrauchte Landschaft, in die ich mich hineinbewegen kann und ich bin glücklich. Gehe ich nicht, gehe ich kaputt“, das schrieb Reinhold Messner 2000 an einen Freund. Das Zitat steht über dieser Sammlung von Briefen aus dem Himalaja.  „Die wohl authentischte Form der Berichterstattung aus dem Schneeland“ liefert einen Einblick in 200 Jahre Bergsteiger-Geschichte, erzählt von Erfolgen und Tragödien, von Begeisterung und schmerzhaften Erlebnissen. Mummery  war der Pionier am Nanga Parbat Und sie spiegelt das Lebensgefühl der jeweiligen Zeit, die Arroganz der Pionieren gegenüber den Sherpas, die Selbstverständlichkeit einer luxuriösen Ausrüstung. So schrieb Albert Frederick Mummery 1895: „Wenn man übrigens ein Pferd für 6 Penns pro Tag und einen Mann für 20 Schilling pro Monat mieten kann, so wüßte ich nicht, warum es einem schlecht gehen sollte.“ Doch den…

Blick zurück in Melancholie
Rezensionen / 4. September 2020

Die erste Geschichte im neuen Erzählband „Abschiedsfarben“ des 76-jährigen Bernhard Schlink  gibt den Ton für die acht folgenden Geschichten vor:  „Sie sind tot- die Frauen, die ich geliebt habe, die Freunde, der Bruder und die Schwester und ohnehin die Eltern, Tanten und Onkel. Ich bin zu ihren Beerdigungen gegangen, vor vielen Jahren oft, weil damals die Generation vor mir starb, dann selten und in den letzten Jahren wieder oft, weile meine Generation stirbt.“ Vom Verrinnen der Zeit Sie alle handeln von Abschieden, vom Alter, von Schuld und Verstrickung, von Versäumnissen und Ausreden und – vor allem – vom Verrinnen der Zeit. Manche sind dramatisch wie „Picknick mit Anna“, wo der Protagonist zuschaut, wie das Mädchen, das er von klein auf gefördert hat, erschlagen wird – ohne einzugreifen. Zu sehr hatte sie ihn enttäuscht. Oder „Geschwistermusik“, wo die Schwester für ihren Bruder lebt (und liebt), weil sie ihn als Kind von der Klippe gestoßen hat. Verdrängte Erinnerungen Andere erzählen von verdrängten Erinnerungen, die im Alter wieder an die Oberfläche kommen wie „Altersflecken“. Mal sind es Männer, die zurückblicken, mal Frauen oder auch Kinder. Mal ist die Retrospektive voller Zorn, mal eher wehmütig. Aber immer ist der Hintergrund gut bürgerlich, sind die…

Lebenslust trotz Tumor
Rezensionen / 3. September 2020

Als bei Jeanne ein Tumor entdeckt wird, hätte sie sich gewünscht, dass ihr Mann sie in den Arm nimmt. Doch die erhoffte Zuwendung bleibt aus und die Buchhändlerin zieht ihre Konsequenz. Sie verlässt ihren Mann, und findet in der WG von zwei krebskranken Frauen Zuflucht. Erstaunt beobachtet Jeanne die eigenen Veränderungen, die neue Aggressivität. Schwestern im Krebs Ihre„Schwestern im Krebs“ geben ihr Halt, zeigt ihr, dass es trotz allem ein Leben gibt: „Ich war verblüfft. Frauen mit Krebs, die das Leben besangen. Weil sie keine Zeit mehr zu verlieren hatten.“ Sorj Chalandon hat sich erstaunlich gut hineingefühlt in seine Protagonistin, schonungslos beschreibt er die körperlichen und seelischen Veränderungen, die Jeanne durch ihre Krebsbehandlung erleidet. Auch dass sie gerade deshalb wilde Freude – so auch der Titel des Romans – empfinden kann: „Mein Körper war erschöpft, aber ich sog das Leben in mich ein.“ Vier Frauen und ein Überfall Diese neue Lebenslust hat sich auch der unerschütterlichen Brigitte zu verdanken, die Jeanne in ihre WG eingeladen hat, obwohl ihre Lebensgefährtin Assia dagegen war. Und dann kommt noch die zerbrechlich wirkende Melody dazu, die nicht nur in Brigitte mütterliche Gefühle weckt. Ihretwegen lassen sich Jeanne, Brigitte und Assia auf einen gewagten Überfall…

Forrest Gump mit Gammelhai
Rezensionen / 1. September 2020

Kalmann sieht sich als Sheriff seines Dorfs im Norden von Island. Schließlich hat er einen Cowboyhut und einen Sheriffstern. Doch eigentlich ist er Experte für Gammelhai, eine isländische Spezialität. Das hat er von seinem Opa gelernt, der den Jungen großgezogen hat. Schnelldenken hat er dabei nicht gelernt, aber auf seinem Gebiet ist er ein anerkannter Fachmann. Die Sache mit der Blutlache Dann entdeckt Kalmann auf der Jagd eine Blutlache und schon steckt er mittendrin in einem Kriminalfall. Denn das Blut könnte vom unbeliebten Hotelbesitzer sein, der seit Tagen vermisst wird. Der Fall zieht Kreise. Polizisten verhören Kalmann, Journalisten wollen mehr von ihm wissen, und die litauische Mafia spielt auch eine Rolle. Und doch ist Joachim B. Schmidts Roman „Kalmann“ kein Krimi. Eine Art Lebenskünstler Denn im Mittelpunkt steht dieser Forrest Gump Islands, ein etwas tumber Kerl, der auf seine Art ein Lebenskünstler ist. Schmidt erzählt die Geschichte ganz aus der Perspektive dieses Mannes, dem seine Klassenkameraden attestierten, dass „die Räder in meinem Kopf rückwärts laufen“. Auch seiner Erzählung ist nicht immer einfach zu folgen, da purzeln die Ideen durcheinander – Klimawandel, Gletscherschmelze, Sex. Auge in Auge mit dem Eisbären So dumm sind die Gedanken gar nicht, die Kalmann in seinem…

Wunschtraum und Wirklichkeit
Rezensionen / 1. September 2020

Christine Cazon ist Deutsche und lebt in Frankreich.  Für viele Deutsche ist das Land ein Traum – und erst Cannes! Die Cote d‘Azur! Für  die deutsche Krimi-Autorin war beides Wunsch- und Albtraum. In ihrem Buch „Von hier bis ans Meer“ beschreibt sie fast schmerzhaft ehrlich ihren Weg aus Deutschland über die südfranzösische Provinz bis nach Cannes, wo sie mittlerweile erfolgreich Kommissar Duval ermitteln lässt. Anpassung ein Leben lang „Als Ausländerin in einem fremden Land passt man sich sein Leben lang an“, schreibt Cazon. „Ich wollte es anfangs gar nicht glauben, dass das Leben in einem europäischen Land gleich nebenan so anders funktioniert. Und dass es nicht damit getan ist, die Sprache zu lernen und irgendwann halbwegs flüssig zu sprechen. Je mehr man versteht, desto mehr versteht man nicht, sage ich immer.“  Christine Cazon ist durch eine harte Schule gegangen, hat viele Tiefs durchlitten und Enttäuschungen verarbeiten müssen, ehe sie mit ihrem – älteren – Mann zur Ruhe kommen konnte. Christine Cazon will Cannes erzählen Doch viele dieser Missverständnisse beruhten auf den unterschiedlichen Mentalitäten von Deutschen und Franzosen, auf den unterschiedlichen Gepflogenheiten. Vielleicht auch auf zu hohen Erwartungen. Cannes jedenfalls ist für Christine Cazon zunächst alles andere als das, was sie…