Forrest Gump mit Gammelhai

1. September 2020

Kalmann sieht sich als Sheriff seines Dorfs im Norden von Island. Schließlich hat er einen Cowboyhut und einen Sheriffstern. Doch eigentlich ist er Experte für Gammelhai, eine isländische Spezialität. Das hat er von seinem Opa gelernt, der den Jungen großgezogen hat. Schnelldenken hat er dabei nicht gelernt, aber auf seinem Gebiet ist er ein anerkannter Fachmann.

Die Sache mit der Blutlache

Dann entdeckt Kalmann auf der Jagd eine Blutlache und schon steckt er mittendrin in einem Kriminalfall. Denn das Blut könnte vom unbeliebten Hotelbesitzer sein, der seit Tagen vermisst wird. Der Fall zieht Kreise. Polizisten verhören Kalmann, Journalisten wollen mehr von ihm wissen, und die litauische Mafia spielt auch eine Rolle. Und doch ist Joachim B. Schmidts Roman „Kalmann“ kein Krimi.

Eine Art Lebenskünstler

Denn im Mittelpunkt steht dieser Forrest Gump Islands, ein etwas tumber Kerl, der auf seine Art ein Lebenskünstler ist. Schmidt erzählt die Geschichte ganz aus der Perspektive dieses Mannes, dem seine Klassenkameraden attestierten, dass „die Räder in meinem Kopf rückwärts laufen“. Auch seiner Erzählung ist nicht immer einfach zu folgen, da purzeln die Ideen durcheinander – Klimawandel, Gletscherschmelze, Sex.

Auge in Auge mit dem Eisbären

So dumm sind die Gedanken gar nicht, die Kalmann in seinem Hirn hin- und her wälzt. Und schließlich ist es doch raus, wie das mit der Blutlache passiert ist – und Kalmann kann mit dem Großvater friedlich Gammelhai essen. Man kann sich an Kalmann und seine Erzählweise gewöhnen, auch daran, dass er uns die Leviten liest, weil er mit vielem hadert, was die Touristen mit sich bringen. Und irgendwann hat man das Gefühl, mit dabei zu sein in Islands urtümlicher Natur und – wie Kalmann – dem Eisbären in die Augen zu schauen.

Hineingelesen…

…in Kalmanns Welt 

…und die Touristen sind so dumm, begeben sich ständig in Lebensgefahr, und wenn wir sie retten müssen, sind auch wir in Lebensgefahr, nicht wahr? Aber die Regierung in Reykjavik muss ja nicht seleber hin, und darum locken sie immer mehr Leute nach Island, nicht nur Touristen, auch Glüchtlinge, das sieht man ja im Fernsehen, dabei geht es uns nicht viel besser. Wir haben ja nicht einmal genug Geld, um die Fischerdörfer vor dem Bankrott zu bewahren! Nein, sie lassen uns hier oben verdorren, glauben, dass wir nur von der guten Luft und der schönen Aussicht leben. Ja, von was bitte wollen wir hier oben denn leben, wenn sie uns die Quoten wegnehmen?

Info: Joachim B. Schmidt. Kalmann, Diogenes, 360 S., 22 Euro

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