Wonderwoman unter Wasser
Rezensionen / 27. Februar 2021

London Shah ist als Muslimin in London aufgewachsen.  Die zweibändige Dystopie „Water Rising“ ist ihr Debut als Autorin.  Und im Mittelpunkt steht eine britisch-muslimische Heldin. Leyla ist gläubige Muslimin mit Wurzeln in Afghanistan. Doch das England, in dem sie lebt, hat mit dem Land, das wir kennen, nichts mehr zu tun. Es ist ein Land unter Wasser. Statt Autos fahren Tauchboote durch die Straßen von London, nur in Hologrammen gibt es Strände im Sonnenlicht. Leylas Mission ist die Rettung ihres Vaters Ende des 21. Jahrhunderts kennt Leyla nur dieses Leben, und sie ist zufrieden damit – solange ihr Vater bei ihr ist. Nachdem er von der Polizei verhaftet worden ist, ist für die 16-Jährige nichts mehr wie es war. Sie setzt alles daran, ihren Vater aus den Fängen der Staatsgewalt zu retten – auch ihr Leben. Zur Seite steht ihr der junge, attraktive Ari, dem sie lange Zeit mit Misstrauen begegnet. Der Großvater hat dafür gesorgt, dass Leyla bei ihrer Rettungsaktion nicht allein ist. Der Gefährte gibt Rätsel auf Das U-Boot, mit dem die beiden und das Hündchen Jojo unterwegs sind, hat Leyla bei einem Boot-Rennen gewonnen samt Navigator-Hologramm. Das hat ihr Theo als Oscar-Wilde-Verkörperung programmiert. Theo und seine Zwillingsschwester…

Der Barbier auf Reisen
Rezensionen / 23. Februar 2021

Wenn die Frisöre als eine der ersten wieder öffnen dürfen, ist viel von Würde die Rede. Auch Miguel Gutierrez schreibt von Würde, wenn er seinen Beruf meint. Der Mann ist Barbier und als solcher hat er vor allem mit Bärten zu tun – und mit Männerhaaren. Dass Barbiere allerdings noch viel mehr können, hat Gutierrez auf seinen Reisen um die Welt erfahren, die er als „Nomad Barber“ unternommen hat – mit Kamm, Schere und Rasiermesser im Gepäck. Aus diesen Reisen, die der Globetrotter auch auf Youtube dokumentierte, ist das Buch „Andere Länder andere Bärte“ entstanden, eine Liebeserklärung an die Kunst der Barbiere. Eine eigene (Männer)Welt Liest man sich ein in Gutierrez‘ Reise-Erinnerungen, versteht man auch besser, warum Barber-Shops derzeit auch bei uns boomen. Es ist eine ganz eigene (Männer)Welt, die in diesen Läden herrscht. Auch wenn hin und wieder sogar Barbierinnen dort tätig sind. Der reisende Barbier trifft auf Barbiere, die ihren Beruf auf der Straße ausüben und auf solche, die gepflegte Salons führen. Er trifft Hipster- und Gentleman-Barbiere, Jungspunde und alte Herren, und ist immer wieder fasziniert vom Engagement und den Talenten seiner Gesprächspartner. Ohrenreinigung und Kopfmassage Dass Ohrenreinigen (Ear Digging) in Vietnam zur Haar- und Bartpflege dazu gehört,…

Ball spielen und erwachsen werden
Rezensionen / 21. Februar 2021

Fünf Jahre hat Benedict Wells an Hard Land geschrieben, war dafür einige Monate lang in den USA unterwegs und hat „wirklich jeden einzelnen Coming-of-Age-Film der 80ʼs geschaut“. „Ich habe für dieses Buch alles gegeben, was ich konnte, sagt der Autor über sein Buch. „Und ehrlich gesagt habe ich gerade diese Geschichte, diese Figuren, diesen Ort und dieses coming of age Genre so geliebt wie fast nichts bisher beim Schreiben.“ Der erste Satz sagt alles Filme und Musik spielen auch in diesem Roman, der ein Jahr im Leben des jungen Sam erzählt, eine wichtige Rolle – und Zitate. „In diesem Sommer verliebte ich mich und meine Mutter starb“ lautet der erste Satz, eine Variation von Charles Simmons‘ erstem Satz in „Salzwasser“: „Im Sommer 1963 verliebte ich mich und mein Vater ertrank“. Und dieser Satz umschreibt eigentlich schon alles, was Sam in diesem Jahr 1984/85 zustößt. Vom Außenseiter zum Insider 16 Jahre ist er alt, ein scheuer Knabe noch, einsam, ängstlich, unerfahren. Ein Einzelgänger ohne Freunde, der Angst davor hat, seine geliebte Mutter zu verlieren. Denn Sams Mom hat Krebs und wird wohl daran sterben. Diese Gewissheit überschattet sein Leben, bis er als Aushilfe im Kino neue Freunde kennenlernt, die älter sind,…

Gefahr aus der Zwillingswelt
Allgemein / 12. Februar 2021

Es ist eine andere Welt, von der die gebürtige Augsburgerin Margit Ruile in ihrem Science Fiction Roman „Der Zwillingscode“ erzählt. Eine Welt der Zukunft, in der womöglich der Mensch von seiner eigenen Schöpfung entthront wird. Vincents Mutter hat diese Möglichkeit voraus gesehen und einen Zwillingscode hinterlegt, mit dem sich die Entwicklung aufhalten lässt. Schein und Sein Schon das Versteck ist so kompliziert, dass Vincent beinahe daran scheitert, es zu entdecken. Doch er findet ganz unerwartete Helfer. Der unbeholfen wirkende Quririn und die scheinbar oberflächliche Delia entpuppen sich als schlaue Checker. Ohne sie wäre Vincent, der sich mit der Reparatur von mechanischen Haustieren der Firma Copypet über Wasser hält, verloren. Mechanische Doppelgänger Trotz seines miesen Sozialpunktestands hat er sich eingerichtet in einer Welt, in der immer mehr echte Tiere durch mechanische ersetzt werden und in den Ämtern immer mehr „Twins“, künstliche Menschen, die echten Menschen verdrängen. Doch eines Tages bringt eine alte Frau ihre künstliche Katze zur Reparatur, weil sie plötzlich die Krallen ausfährt. Die Wohnraumverwaltung droht mit Rausschmiss, und in einem Laden für mechanische Tiere stößt Vincent auf einen Mann, der seine Mutter gekannt hat und mehr über sie zu wissen scheint. Simulation der Realität Für den 17-Jährigen Grund genug,…

Wochenend-Auszeiten in der Heimat
Rezensionen / 12. Februar 2021

Eskapaden sind kleine Fluchten.  Und davon handelt dieses Buch. Träumen dürfen wir auch in Corona-Zeiten. Aber das Fernweh wird sich nicht so bald stillen lassen. Wie gut, dass es auch in Deutschland viele wunderschöne und oft noch fast unentdeckte Ecken gibt, die man bei einer kurzen Auszeit erkunden kann. 52 kleine und große Eskapaden für ein Wochenende in Deutschland haben Reiseblogger und -Bloggerinnen für diesen einladenden Band erkundet. Abenteuer vor der Haustür Und gleich im Intro erfahren die Leser, dass sie für die Eskapaden keine aufwändige Planung brauchen, dass sich viele der vorgeschlagenen Orte mit Bus und Bahn erreichen lassen und dass das Abenteuer oft direkt vor der Haustür wartet. Die Gastronomie und die Hotels haben allerdings noch geschlossen. Wer sich also auf den Weg macht, muss sich selbst versorgen und – noch – auf eine Übernachtung verzichten. Unterwegs mit Zelt und Schlafsack Aber das kann sich ja schon bald ändern. Denn das eigene Zelt mitzuschleppen ist nicht nach jederfraus Geschmack. Im Schwarzwald allerdings ist das die Voraussetzung für eine Kurz-Auszeit in einem der sechs Treckingcamps. Mit Schlafsack, Isomatte, Ess- und Trinkvorräten ausgestattet, kann man sich dann fühlen wie einst der Schriftsteller Thoreau in „Walden“.  Für die Insel Buchau im…

Saudis, Sahra und Shams
Rezensionen / 9. Februar 2021

Saudi-Arabien ist nicht gerade ein Land, das man mit Couchsurfing verbinden würde – schon gar nicht nach dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Kashoggi. Aber Stephan Orth, der unerschrockene Couchsufer, war dort und hat hinter den Vorhang geschaut. Er hat viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft erfahren – von Männern. Er hat Frauen getroffen, die sich über die neuen Freiheiten, die ihnen Mohammed bin Salman (MBS) beschert, freuen. Und Männer, die damit ihre Probleme haben. Die Liebe zu Kamelen Er war in der Wüste unterwegs, hat Ausgrabungsstätten besucht und abgelegene Dörfer, er war in Shopping Malls und auf Märkten, und er hat sich in Kamele verliebt. Deshalb lässt er die Leser auch teilhaben an seinem Wissen über diese genügsamen Tiere, die im Land nicht nur der Fortbewegung dienen sondern auch dem Status – Liebeserklärung inklusive: „Ich liebe Kamele. Wer sich ein bisschen mit ihnen beschäftigt, merkt zwangsläufig, dass sie zu den wundervollsten Tieren der Welt zählen. Sie können sechzig Kilometer Strecke bei fünfzig Grad Celsius zurücklegen, 500 Kilo Gepäck schleppen, drei Wochen ohne Wasser auskommen und vier Wochen ohne Nahrung… Kamele sind Leistungssportler und Faulpelze, sanftmütig und Respekt einflößend, gesellig und eigensinnig.“ Blick hinter die Fassade Es gibt noch vieles in dem bislang…

Eine Welt im Chaos
Rezensionen / 4. Februar 2021

Dieses Buch ist eine verdammte Alptraum-Lektüre. Es ist so spannend, dass es den Schlaf kostet und sich in die Träume stiehlt. 542 Seiten dick ist  Chaos Walking, vom Verlag als „das Buch zum Film“ angepriesen. Deshalb stehen die Hauptdarsteller Tom Holland und Daisy Ridley auch auf dem Buchcover, kleiner zwar als der Autor Patrick Ness, aber prominent genug. Der Film kommt im März in die Kinos – wenn sie denn öffnen. Chaos in der Gedanken-Cloud Aber das Buch kann man schon jetzt verschlingen und dabei mit Todd und Viola zittern, die auf dem neuen Planeten vor einer Horde Männer aus Prentisstown, der Stadt ohne Frauen, fliehen. Es ist ein lärmender Ort, denn die Gedanken all dieser Männer (und der Tiere) verschmelzen zu einer Art Grundlärm (Chaos). Jeder kann sie hören. Im Buch wird das Gedankengestrüpp durch eine chaotisch wirkende Schrift dargestellt. Die Stadt ohne Frauen Der Ich-Erzähler  Todd ist 13 Jahre alt und kurz davor, durch ein noch unbekanntes Ritual zum Mann zu werden, als seine Ersatzeltern ihn zur Flucht drängen. Warum der Junge fliehen muss, um am Leben zu bleiben, erschließt sich erst im Lauf der Geschichte. Ebenso wie die Tatsache, warum es keine Frauen in Prentisstown gibt. Todds…

Episoden aus der Reisewelt
Rezensionen / 1. Februar 2021

Travel Episodes sind Berichte aus einer anderen Welt, aus der Welt der Weitreisenden, der Weltwanderer. Die Autoren sind ganz unterschiedliche Menschen, junge und ältere, Frauen und Männer. Aber eines eint sie: Sie wollen raus, Abenteuer erleben. Das muss nicht einmal in der Ferne oder auf hohen Bergen sein. Manchmal wartet das Abenteuer auch vor der Haustür, zum Beispiel, wenn man von einer langen Reise zurückkommt und das Alte nicht wieder erkennt. Verlassen der Komfortzone Doch meistens geht es auch in diesen Travel Episodes, von Johannes Klaus wieder kundig ausgewählt, um die Konfrontation mit dem Anderen, dem Fremden, um das Verlassen der Komfortzone und die Konfrontation mit dem eigenen Ich. Am Amazonas wird für Lisa und Julia Hermes „die Entbehrung plötzlich eine Freundin, die Sehnsucht eine Beraterin und die Melancholie eine Verbündete“. Sie erinnert sich, warum sie das alles macht. „Es ist diese Grenzerfahrung, die mir etwas Ungesehenes zeigt… Sie öffnet mir die Welt als solche, befreit mich von Vorurteilen und Angst, weist mir neue Wege. Plötzlich scheint alles möglich.“ Lektüre für Fernweh-Kranke Das stimmt für unsere von der Corona-Pandemie überschattete Welt zwar gerade nicht. Dafür sind diese Episoden eine willkommene Lektüre für Fernweh-Kranke. Sie stillen zwar nicht die Sehnsucht nach…