Der Barbier auf Reisen

23. Februar 2021

Wenn die Frisöre als eine der ersten wieder öffnen dürfen, ist viel von Würde die Rede. Auch Miguel Gutierrez schreibt von Würde, wenn er seinen Beruf meint. Der Mann ist Barbier und als solcher hat er vor allem mit Bärten zu tun – und mit Männerhaaren. Dass Barbiere allerdings noch viel mehr können, hat Gutierrez auf seinen Reisen um die Welt erfahren, die er als „Nomad Barber“ unternommen hat – mit Kamm, Schere und Rasiermesser im Gepäck. Aus diesen Reisen, die der Globetrotter auch auf Youtube dokumentierte, ist das Buch „Andere Länder andere Bärte“ entstanden, eine Liebeserklärung an die Kunst der Barbiere.

Eine eigene (Männer)Welt

Liest man sich ein in Gutierrez‘ Reise-Erinnerungen, versteht man auch besser, warum Barber-Shops derzeit auch bei uns boomen. Es ist eine ganz eigene (Männer)Welt, die in diesen Läden herrscht. Auch wenn hin und wieder sogar Barbierinnen dort tätig sind. Der reisende Barbier trifft auf Barbiere, die ihren Beruf auf der Straße ausüben und auf solche, die gepflegte Salons führen. Er trifft Hipster- und Gentleman-Barbiere, Jungspunde und alte Herren, und ist immer wieder fasziniert vom Engagement und den Talenten seiner Gesprächspartner.

Ohrenreinigung und Kopfmassage

Dass Ohrenreinigen (Ear Digging) in Vietnam zur Haar- und Bartpflege dazu gehört, ist für ihn eine ganz neue Erfahrung. Er genießt sie ebenso wie die „kosmische Massage“ von „Baba, the cosmic barber“ im indischen Pushkar. Noch besser gefällt ihm die Kopfmassage im Angesicht des Himalaya, die ihm ein nepalesischer Barbier verabreicht. Suresh hat ihm erzählt, dass er aus einer Kaste stammt, in der es üblich ist, Barbier zu werden. „Weil ich arm bin, bin ich Barbier geworden“, sagte er, aber auch: „Der Barbershop ist mein Tempel, die Kunden sind mein Gott, und ich bin der Priester.“

Haarschnitt auf der Chinesischen Mauer

Gutierrez schaut seinen Kollegen nicht nur beim Haareschneiden und Rasieren zu, er lässt sich auch selbst beim Haareschneiden fotografieren und inszeniert den „Scenic Haircut“ am liebsten vor einer spektakulären Kulisse. Das hat ihm auf seinem Youtube-Kanal viele Klicks eingebracht. Es gibt Haarschnitt-Fotos auf einem Camping-Bus unter der Brooklyn-Bridge und in einem Kreisverkehr in Jakarta, in den Tempelanlagen von Angkor und auf der Chinesischen Mauer.

Miteinander statt Machokultur

Ja, der Nomad Barber war viel unterwegs, er hat die unterschiedlichsten Kollegen und Kolleginnen weltweit getroffen und sich auf den Reisen auch seine Gedanken gemacht. Etwa über den Boom der Barbershops: „Der Boom der neuen Barbershops hängt auch mit einem Männerbild zusammen, das sich zumindest in der westlichen Welt zu verändern be4gonnen hat. Trotz aller Tattoos und Bärte, die auf manche vielleicht martialisch wirken, geht es hier nicht um eine neue Machokultur, sondern um Kommunikation, um ein Miteinander, um Schönheit.“ Womöglich auch um Würde.
Info: Miguel Gutierrez. Andere Länder, andere Bärte, Polyglott, 223 S., 16.99 Euro

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