Die Stumme und die Kreatur
Rezensionen / 27. März 2018

Vier Oscars hat Regisseur Guillermo del Toro für sein filmisches Fantasie-Märchen „The Shape of Water“ über eine außergewöhnliche Liebe, die alle Grenzen sprengt, eingeheimst, darunter den Oscar für den besten Film. Skrupellose Militärs Die Story ist schnell erzählt: Eine Kreatur aus dem Dschungel, halb Fisch, halb Mensch, wird während des Kalten Kriegs in ein militärisches Forschungslabor entführt, wo sie zu kriegerischen Zwecken untersucht wird. Der skrupelloser Militär Strickland, von einem noch skrupelloseren Vorgesetzten unter Druck gesetzt, lässt an dem seltsamen Wesen seine sadistischen Neigungen aus. Scheinbar hilflose Hilfstruppen Seine Gegenspielerin ist eine stumme – aber nicht taube – Putzfrau mit einem Faible für auffällige Schuhe. Elisa verliebt sich in die geschundene Kreatur. Zu ihren Hilfstruppen gehören ein als Wissenschaftler getarnter russischer Spion, der den Amerikanern das Forschungsobjekt entwenden und später töten soll und deshalb seine Rettung beschließt, Elisas schwarze Freundin und ein alternder homophiler Werbegrafiker. Eine bleierne Zeit Doch warum das Buch noch lesen, nachdem man die Geschichte kennt und womöglich den ausgezeichneten Film von Guillermo del Toro gesehen hat? Ganz einfach: Weil im Buch noch viel mehr Facetten möglich sind, weil man lesend so manche Hintergründe versteht. Die Kriegstraumata, die nur scheinbar heile Welt des Kleinbürgertums, die Hölle der…

Amour fou in der besten Gesellschaft
Rezensionen / 27. März 2018

Die Geschichte ist filmreif: Die einzige Tochter des mächtigsten Schweizers des 19. Jahrhunderts heiratet den Sohn eines Bundesrats, der mit ihrem Vater verfeindet ist. Dann verliebt sie sich in den Jugendfreund ihres Mannes, einen unberechenbaren Künstler, der ein Bild von ihr malen soll – und brennt schließlich mit ihm durch. Worauf er ins Gefängnis und sie in eine Anstalt gesteckt wird. Wenig später bringen sich beide um. Kein Roman, sondern die die wahre Liebesgeschichte von Lydia Welti-Escher (1858–1891), Tochter des Gotthard-Königs Alfred Escher, und Karl Stauffer-Bern (1857–1891). Die Tragödie aus der Sicht des Dienstmädchens  Lukas Hartmann, der vorzüglich Historisches in Romanform gießen kann, hat daraus einen Roman gemacht, in dem er die Tragödie aus der Sicht des Hausmädchens Marie Louise Gaugler erzählt. Auch dieses Mädchen gab es tatsächlich, wie Hartmann herausgefunden hat. Als 15-Jährige kam Luise in den herrschaftlichen Wohnsitz der Familie Welti-Escher. Das anfangs unbedarfte Mädchen wird zur engen Vertrauten der unglücklichen Millionenerbin, und die beiden so ungleichen Frauen nähern sich einander immer mehr an. Luises Liebe ist der Gegenentwurf zu Lydias Leidenschaft Auch Luise lernt die Liebe kennen, verzichtet aber aus Treue zu ihrer Arbeitgeberin lange Zeit auf deren Erfüllung. Erst nach dem Tod Lydias heiratet sie ihren…

Indonesien als Alptraum
Rezensionen / 27. März 2018

„Schönheit ist eine Wunde“ ist grausam und großartig, fantastisch und unbegreiflich. Ein Roman wie ein Alptraum. Der Autor Eka Kurniawan, geboren 1975 in Westjava, ist Romancier, Drehbuchautor, Blogger und Comic-Zeichner. Tatsächlich hat der Roman über fünf indonesische Frauenschicksale viel von einem – stark überzeichneten – Comic. Das Buch wimmelt von extremen Persönlichkeiten, von drastischen Ereignissen, von unmenschlichen Aktionen und unglaublichen Entwicklungen, von Geistern und Wiedergängern. Die schöne Hure von Halimunda Im Mittelpunkt steht Dewi Ayu, die schönste und beliebteste Hure von Halimunda, Abkömmling niederländischer Plantagenbesitzer, die mit über 50 Jahren ihre vierte Tochter ohne Vater zur Welt bringt, kurz danach stirbt und 21 Jahre später wieder aufersteht, um endgültig einen Fluch abzuwenden, der auf ihren Nachkommen lastet. Der Fluch der Schönheit Ihr holländischer Großvater hatte sich eine schöne junge Einheimische gewaltsam zur Konkubine gemacht, Dewis Großmutter. Sie hatte einen Geliebten, der an dem Verlust seiner Liebsten zerbrochen ist. Als er sie nach langer Zeit noch einmal in die Arme schließen kann, stürzt sie sich auf der Flucht vor den Schergen des Holländers vom Gipfel eines Berges – und fliegt davon. Ihr Geliebter folgt ihr Jahre später. Da ist er ein alter, verbitterter Mann. Die Schicksale der Schwestern Derweil wächst Ayu…

Ansteckende Dreck-Phobie
Rezensionen / 7. März 2018

Welcher Erwachsene würde sich nicht so ein Wunderding wie den Ratz-Fatz-x-weg 23 wünschen? Einen Staubsauger, der ratzfatz alles wegputzt? Aber das Ding hat eben auch seine Schattenseiten, und die bemerkt Laura zuerst. Sie und ihr kleiner Bruder Robert erkennen ihre Mutter kaum wieder. Die gute Frau Pittel mutiert innerhalb kürzester Zeit zum Putzteufel – bis zum Nervenzusammenbruch. Eigenartig, dass Gertis nervige Tante auch mit dem Wunder-Staubsauger hantiert und eine regelrechte Dreck-Phobie entwickelt hat. Ob das nur am Ratz-Fatz-weg liegt? Oder womöglich auch an den Tropfen im Goldfläschchen, das die adretten Vertreter, die immer ganz in weiß kommen,  gleich mitliefern? Bösartige Verschwörung aus dem Wüstenimperium Die drei Kinder beschließen, der Sache auf den Grund zu gehen, und dabei decken sie eine bösartige Verschwörung auf, die in einem merkwürdigen Wüstenimperium geplant wird. Wie sie dorthin gelangen und wie sie es schaffen, den Klauen der Sicherheitskräfte zu entrinnen und heil wieder nach hause zu kommen, das erzählen sie abwechselnd dem Direktor ihrer Schule. Denn der Herr Glauber konnte und wollte einfach nicht glauben, was Laura und Gerti in ihrem Schulaufsatz geschrieben hatten. Die Beichte auf dem Sofa des Direktors  Nun sitzen sie jede Pause bei ihm auf dem Sofa und erzählen, wie sie…

Feuerwerk und Naturschutz
Rezensionen / 7. März 2018

Man merkt gleich, dass hier eine Journalistin am Werk ist, eine, die gerne und gründlich recherchiert. Aber auch eine, die eine feste Meinung hat, vor allem wenn es um Tierschutz, Umwelt oder auch die neuesten digitalen Errungenschaften geht. Nicola Förg scheut sich nicht, in ihren Krimis aktuelle Probleme anzusprechen – ob es sich nun um giftige Gülle oder Welpenschmuggel handelt wie in den letzten Krimis oder um den Unsinn von Silvesterfeuerwerken in freier Natur und die Problematik von Windenergie wie im aktuellen Buch. „Rabenschwarze Beute“ heißt das neue spannende Werk aus der Feder der erfolgreichen Autorin. Es ist ihr 19. Alpenkrimi, diesmal wieder mit der handfesten Irmi und ihrer sprunghaften Kollegin Kathi. Im aktuellen Fall hat Nicola Förg gleich mehrere aktuelle Probleme auf 350 Seiten untergebracht, und es ist ihr trotzdem gelungen, einen bis zur überraschenden Auflösung spannenden Krimi zu schreiben. Ein toter Vogelschützer und ein erfrorenes Mädchen Die beiden Kommissarinnen sind nicht nur mit einem toten Vogelschützer konfrontiert, der während der Silvesterknallerei buchstäblich vom Balkon geschossen wurde. Bei einem „Motivations-Wochenende“ in den Bergen stolpern sie auch über eine ziemlich oberflächlich wirkende Modebloggerin, die ihre kleine Tochter für ihre Auftritte instrumentalisiert. Als das kleine Mädchen erfroren aufgefunden wird, ist für…

Fabelhafter Schelmenroman
Rezensionen / 7. März 2018

„Uns andere aber hört man dort, wo wir einst lebten, manchmal in den Bäumen. Man hört uns im Gras und im Grillenzirpen, man hört uns, wenn man den Kopf gegen das Astloch der alten Ulme legt, und zuweilen kommt es Kindern vor, als könnten sie unsere Gesichter im Wasser des Baches sehen. Unsere Kirche steht nicht mher, aber die Kiesel, die das Wasser rund und weiß geschliffen hat, sind noch dieselben, wie auch die Bäume dieselben sind. Wir aber erinnern uns, auch wenn keiner sich an uns erinnert, denn wir haben uns noch nicht damit abgefunden, nicht zu sein. Der Tod ist immer noch neu für uns, und die Dinge der Lebenden sind uns nicht gleichgültig. Denn es ist alles nicht lang her.“ Ein Krieg, der das Land und die Seelen der Menschen verheerte Diesen längst vergessenen Toten aus einem fürchterlichen Krieg, der 30 Jahre lang das Land und die Seelen der Menschen verheerte, gibt Daniel Kehlmann in seinem fabelhaften Roman „Tyll“ das Wort. Nein, Kehlmann hat keinen Roman über den Gaukler Till Eulenspiegel geschrieben, auch wenn Titel und Umschlagbild das vorgaukeln. Kehlmann hat über den Dreißigjährigen Krieg geschrieben und den närrischen Gaukler aus dem Mittelalter da hinein gepflanzt –…