Saudis, Sahra und Shams

9. Februar 2021

Saudi-Arabien ist nicht gerade ein Land, das man mit Couchsurfing verbinden würde – schon gar nicht nach dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Kashoggi. Aber Stephan Orth, der unerschrockene Couchsufer, war dort und hat hinter den Vorhang geschaut. Er hat viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft erfahren – von Männern. Er hat Frauen getroffen, die sich über die neuen Freiheiten, die ihnen Mohammed bin Salman (MBS) beschert, freuen. Und Männer, die damit ihre Probleme haben.

Die Liebe zu Kamelen

Er war in der Wüste unterwegs, hat Ausgrabungsstätten besucht und abgelegene Dörfer, er war in Shopping Malls und auf Märkten, und er hat sich in Kamele verliebt. Deshalb lässt er die Leser auch teilhaben an seinem Wissen über diese genügsamen Tiere, die im Land nicht nur der Fortbewegung dienen sondern auch dem Status – Liebeserklärung inklusive: „Ich liebe Kamele. Wer sich ein bisschen mit ihnen beschäftigt, merkt zwangsläufig, dass sie zu den wundervollsten Tieren der Welt zählen. Sie können sechzig Kilometer Strecke bei fünfzig Grad Celsius zurücklegen, 500 Kilo Gepäck schleppen, drei Wochen ohne Wasser auskommen und vier Wochen ohne Nahrung… Kamele sind Leistungssportler und Faulpelze, sanftmütig und Respekt einflößend, gesellig und eigensinnig.“

Blick hinter die Fassade

Es gibt noch vieles in dem bislang für Touristen kaum zugänglichen Saudi-Arabien, was Stephan Orth begeistert – die Weite der unerforschten und oft noch unberührten Landschaften, die Großzügigkeit der Gastgeber, die Aufbruchstimmung, ja sogar der Hang zur Übertreibung. Er hätte allen Grund dazu, sich wohl zu fühlen – als weißer Mann. Und doch begleitet ihn ständig ein Unbehagen, das Wissen darum, was hinter der Fassade dieser Modernisierung geschieht: „Während meiner vergnüglichen Reise sitzt Salman al-Auda hinter Gittern, ein Islamgelehrter, der einmal sagte, eine Regierung, die Angst vor freier Meinungsäußerung habe, sei keine Regierung.“

Shams heißt Sonne

Stephan Orth sieht und spürt die Ungerechtigkeiten im Land, die Grausamkeit. Er erfährt, was ein Quoten-Saudi ist, und wie unsicher das Leben der ausländischen Arbeitnehmer, die vom indischen Subkontinent kommen. Und doch fasziniert ihn dieses Land, genießt er die Ausflüge mit seinen Gastgebern, lässt er sich ein auf die Sitten und Gebräuche. Ja er lernt – Inshallah – sogar ein paar Brocken arabisch: „Jamal heißt Kamel, Sahra heißt Wüste, Shams heißt Sonne. Qamar heißt Mond, und  tusbah ala-kheir heißt Gute Nacht.“

Lob des Reisens

Viel zu früh muss er selbst Gute Nacht sagen. Corona macht seine weiteren Pläne zunichte. Er muss zurück. Nach hause – in ein Land, das sich abschottet. „Saudi Arabien ist plötzlich überall“, schreibt Orth. Für ihn aber ist nach all seinen Reisen klar: „Kein Computerbildschirm kann das Draußensein ersetzen, kein Fernsehsport das Stadiongefühl, kein Reisevideo eine echte Reise.“ Das stimmt nicht ganz. Seine herzerfrischend offenen und oft auch selbstironischen Eindrücke bringen den Lesenden ein Land näher, das sie bisher meist nur aus negativen Schlagzeilen kennen.

Info: Stephan Orth. Couchsurfing in Saudi-Arabien, Malik, 193 S., 18 Euro

 

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