Lebenslügen
Rezensionen / 24. Februar 2016

Owen Sheers gilt als „Universalgenie der britischen Gegenwartsliteratur“. Der 1974 in Fidji geborene Autor hat Gedichte geschrieben, Romane, Dramen. Auch ein Sachbuch und ein Libretto hat er verfasst. Mit „I saw a man“ hat sich Sheers nach eigener Aussage „erstmals einem Gesellschaftsroman über unsere Zeit zugewendet“. Der Roman startet furios wie ein Psychothriller. Ein Mann betritt das Haus der befreundeten Nachbarn durch die Hintertür. Klingt nicht aufregend, lässt aber durch den ersten Satz („Der Vorfall, der ihrer aller Leben veränderte“) ahnen, dass dieser ungebetene Besuch Folgen haben wird. Auf die Aufklärung, warum das so ist, lässt Sheers die Leser über 160 Seiten lang warten. Denn, was er zeigen will, ist weit mehr. Es geht darum, wie alles miteinander zusammenhängt. Um den berühmten Reissack, der in Indien umfällt, oder den Schlag des Schmetterlings in Südamerika, die beide weltweit Folgen haben. Sheers bricht diese Erkenntnis auf das Privatleben seiner Protagonisten herunter. Michael, ein Autor, der sich immer wieder erfolgreich in das Leben anderer einschleicht und daraus seinen Roman-Honig saugt, hat seine Frau Caroline, eine ehrgeizige Journalistin, die „embedded“ auf Recherche in Pakistan war, bei einem amerikanischen Drohnen-Angriff auf einen Terror-Chef verloren. In London hat er sich mit seinen Nachbarn Josh und Samantha…