„Hieb und Strich“ ist nur ein kleines Buch, aber es hat‘s in sich. Geschrieben hat die hintersinnige Geschichte um vier ältere Damen die Kanadierin Margaret Atwood. Mit dem „Report der Magd“ hat sie Weltruhm erlangt, und immer wieder fällt auch ihr Name, wenn es um den Literaturnobelpreis geht. Denn Atwood, Jahrgang 1939, lässt sich nicht auf den Bestseller reduzieren. Die engagierte Feministin und Umweltaktivistin hat im Lauf ihren langen Lebens wichtige Preise eingeheimst wie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels oder den Booker Prize. Atwood schreibt Lyrik, Romane, Essays und Kurzgeschichten. Ihre Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt.
Viel Engagement
Bis heute mischt sich Margaret Atwood ein, gegen die globale Erwärmung und für die Gleichberechtigung von Frauen. Unter dem Titel „Brennende Fragen“ erschien 2023 im Berlin Verlag ein Sammelband mit Essays und „Gelegenheitsarbeiten“. Spitzzüngig und unbeirrt verteidigt sie darin unter anderem ihr Klima-Engagement:
Zeit für Härte
„Schon hart, Schlafwandler aus ihrer Trance zu wecken. Alle würden lieber hören, dass alles gut wird, nichts passieren kann, wir alle nette Leute sind und niemand je an irgendetwas die Schuld trägt – und vor allem, dass wir weiterhin folgenlos tun können, was wir nur wollen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, unseren Lebensstil auch nur minimal zu ändern… Vielleicht ist es also ander Zeit für etwas Härte. Wir können unsere Probleme nur bewältigen, wenn wir sie beim Namen nennen.“
Kunst ist grausam
Auch mit dem Literaturbetrieb setzt sich Margaret Atwood gern kritisch auseinander: „Wir alle kennen die ersten, taufrischen Romane, gefolgt von den welkenden Zweitlingen und von den dritten, die den Autor oder die Autorin aus dem Grab auferstehen lassen. Dann kommt der vierte Roman, der fünfte, der sechste – das sind die, die Sprinter von Marathonläufern trennen. Aber Kunst ist grausam, und ein grandioser sechster Roman ist nicht notwendigerweise höher einzuschätzen als ein grandioser erster.“
Mörderische Pläne
Atwood selbst ist wohl eher Marathonläuferin und darin höchst erfolgreich – auch mit kleinen Stücken. Und da wären wir wieder bei der Story „Hieb und Strich“, in der drei ältere Damen mörderische Pläne schmieden. „Ihr Verstand ist so jung und scharf wie eh und je“, heißt es gleich zu Anfang. Das passt auch auf die Autorin, die diese kurze Geschichte mit beißendem Humor erzählt. Die drei Verschwörerinnen wollen ihre sterbenskranke Freundin Fern rächen, deren unrühmliches Karriereende ein Literaturkritiker und seine Gefolgschaft auf dem Gewissen haben. Bei ihren Plänen haben sie keinerlei Skrupel. Aber dann kommt doch alles anders als sie denken…
Aktuelle Seitenhiebe
Mit den Seitenhieben auf die Gender-Diskussion an den Universitäten, die Intrigen im Literaturbetrieb und die Gentrifizierung von Wohnvierteln ist die Geschichte nicht nur unterhaltsam, sondern auch noch höchst aktuell. Typisch Atwood!
Info Margaret Atwood. Hieb und Strich, Deutsch von Monika Baark, Berlin Verlag, 62 S., 6 Euro
Margaret Atwood. Brennende Fragen, Deutsch von Jan Schönherr, eva Regul und Martina Tichy, Berlin Verlag 2023, 702 S., 32 Euro
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