Kurz vor dem Verhungern
Rezensionen , Romane / 23. Juni 2025

Dacia Maraini ist eine der wichtigsten Schriftstellerin Italiens, und sie hat lange gewartet, bis sie dieses Buch über die Schrecken ihrer frühen Kindheit geschrieben hat: „Ein halber Löffel Reis“. Sie habe immer wieder angefangen, ihre Erinnerungen niederzuschreiben, hat Maraini in Interviews gesagt, aber es sei zu schmerzhaft gewesen, „wie eine Wunde, die nie verheilt war“. Aber angesichts der faschistischen Tendenzen weltweit habe sie die Notwendigkeit erkannt, über das Leben im Krieg Zeugnis abzulegen. Eine Frage der Moral Sie war sieben Jahre alt und lebte mit ihren Eltern und zwei Schwestern in Japan, als die Familie interniert wurde. Denn ihre Eltern hatten sich geweigert, 1943 eine Art Treue-Eid auf Mussolini zu unterschreiben, wie es die faschistische Regierung Italiens verlangte. Noch heute ist Maraini trotz ihrer schlimmen Erfahrungen überzeugt davon, dass diese Entscheidung richtig war. „Eine Frage von Ethik und Moral“, sagt sie. Feindliche Ausländer Als „feindliche Ausländer“ wurde die Familie in ein Lager in Nagoya gesteckt. Kein Tötungslager, aber eines, in dem die Insassen täglich am Rand des Verhungerns waren. Für die Kinder gab es keine Extra-Portion. Die Erwachsenen mussten ihnen einen halben Löffel Reis von ihrer Ration abgeben. Und das, obwohl die japanische Regierung wohl ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung stellte….

Ein Mädchen verschwindet
Rezensionen / 16. März 2017

Am Anfang ist der Traum: Der Lehrer Nani träumt von einem Mädchen in einem roten Mantel. Es könnte seine Tochter sein, Martina, die mit acht an Leukämie gestorben ist und deren Tod auch den Tod seiner Ehe bedeutete. Am Morgen erfährt der Träumer, dass ein Mädchen im roten Mantel verschwunden ist, die achtjährige Lucia. Nani, der den Traum als Wink des Schicksals interpretiert, wird zum Detektiv und sucht auch dann noch weiter, als die Polizei die Akten geschlossen hat und die Eltern sich mit dem Tod ihrer Tochter abgefunden zu haben scheinen. Seine Suche verwickelt ihn in einen anderen Fall, bei dem ein ebenfalls achtjähriges Mädchen nach Kambodscha verschleppt und in die Prostitution gezwungen wurde. Nah dran an einer bestürzenden Realität  Dacia Maraini, die große alte Dame der italienischen Literatur, bleibt im ihren Roman „Das Mädchen und der Träumer“ nah dran an einer bestürzenden Realität. „Das gekidnappte Kind sowie das andere Kind, das in einem asiatischen Bordell landet – das sind wahre Geschichten, die ich von Amnesty International erfahren habe“, sagte sie in einem Interview. Allein in Italien verschwinden alljährlich Tausende von Menschen. 27000 waren es zwischen 1974 und 2014, darunter 11565 Kinder. In ihrem Roman beleuchtet Maraini schlaglichtartig viele Aspekte…