Die anderen Seiten der Dolomiten
Reisebücher , Rezensionen / 7. Februar 2024

Ein türkisches Viertel in Moena,ein Weiler mit zwei Campanili, eine Jeanne d‘Arc des Tiroler Widerstands gegen Napoleon – so kennt man die Dolomiten eher nicht. Giulia Castelli Gattinara hat einen anderen Blick auf die bleichen Berge, seit 25 Jahren Unesco Welterbe und für Reinhold Messner „die schönsten Berge der Welt“. Über Südtirol hinaus Die meisten Deutschsprachigen verorten dieses Weltnaturerbe größtenteils in Südtirol. Doch die Dolomiten erstrecken sich auch über die Provinzen Trient, Belluno, Pordenone und Udine. Und so weitet denn auch Giulia Castelli Gattinara den Blick über Südtirol hinaus auf die zerklüfteten Felsnadeln und die Dolomitentäler. Da mag man so manches vermissen wie das Märchen vom Zwergenkönig Laurin und seinem Rosengarten oder die Sagen um die Königstochter Dolosilla und den falschen König im Reich der Fanes, für die Ladiner eine Art Nationalepos. Bauernmagd und Heilige Kümmernis Dafür liest man von der „Unbeugsamen Katharina“, einer Bauernmagd, die angeblich mit einer Heugabel die Franzosen zurückdrängte und so zu „einer Art Jeanne d‘Arc des Tiroler Widerstands“ wurde. Oder von der „Heiligen Kümmernis“ in der Lamprechtsburg, einer gekreuzigten Figur mit Bart und Ballerinas, die „zum Symbol des Feminismus wurde“. Man liest von „allzu oft übersehenen Alpinistinnen wie Paula Steger oder Antonia Verocai“, aber auch…

Rekordjagd in Europa
Rezensionen / 17. August 2021

Extrem ist zwar ein bisschen übertrieben für diese 111 Orte in Europa, aber sehenswert sind die Superlative, die Patricia Szilagyi zusammengestellt hat, schon. Alles beginnt mit einem Glockenschlag und der ältesten Glockengießerei Europas im italienischen Agnone, einem Örtchen mit 16 Kirchen. Gleich dahinter der berühmte Giftgarten von Alnwick Castle in England, wo die giftigsten Pflanzen der Welt versammelt sind. Sozialsiedlung und Miniatur-Wunderland Auch die älteste Sozialsiedlung der Welt, die Fuggerei in Augsburg, hat in dem Buch Platz gefunden ebenso wie das Miniatur-Wunderland in Hamburg und das Eden Projekt in Cornwall oder das erste Unterwassermuseum vor Lanzarote, wo der Künstler Jason de Caires Taylor 300 Skulpturen auf dem Meeresboden platziert hat. Groß, größer, am größten: Der Keukenhof als der größte Blumengarten, das London Eye als das größte Riesenrad, das Oktoberfest als das größte Volksfest oder Aire de Berchem in Luxemburg, mit 51 Zapfsäulen die größte Tankstelle. Längste Getränkekarte und teuerstes Menü Eher in die Rubrik Kurioses gehört die mit 192 Seiten längste Getränkekarte im Delirium Café in Brüssel oder das teuerste Menü im Sublimotion auf Ibiza: für 1650 Euro pro Person gibt‘s 20 Gänge und ein virtuelles Erlebnis für alle Sinne. Wer Lust auf Rekorde hat, könnte auf der einzigen Sandlandepiste…

Auf Mallorcas Schattenseite
Rezensionen / 28. April 2021

Mallorca ist nicht nur der Deutschen liebste Ferieninsel, ein touristischer Hotspot in Europa. Mallorca ist auch Lebensraum für die Mallorquiner und viele Zugereiste. Und da ist oft nicht soviel Idylle wie so mancher Kurzurlauber erwartet. Klaus Späne ist Journalist und hat eine Zeitlang auf Mallorca gelebt. Dabei hat er auch hinter die Kulissen der Ferieninsel geblickt. Seine Erfahrungen fließen nun in seine Mallorca-Krimis ein. Nach „Mallorca bis in alle Ewigkeit“ nun schon der zweite um den eigenwilligen Kommissar Pau Ribera unter dem Titel „Kap des Todes“. In Parallelgesellschaften Diesmal muss sich der überzeugte Junggeselle gleich mit drei Todesfällen befassen, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Und wieder ist es Riberas außergewöhnlicher Spürsinn, der dabei hilft, die Fälle aufzuklären. Und ganz nebenbei auch Licht ins Dunkel um rätselhafte Uhrendiebstähle zu bringen. Dabei begleiten die Leser den Chefinspektor vom Festland und seine beiden gegensätzlichen Helfer Quique und Blum in mallorquinische Parallelgesellschaften, zu Hausbesetzern und Drogendealern, Immobilienspekulanten und korrupten Polizisten – und hin und wieder auch in eine nette Kneipe. Wohlfühlpaket mit Kater und Lokalkolorit Dass sich Späne bei der Beschreibung des Polizeireviers womöglich ein bisschen von Donna Leons ungleichem Paar Commissario Brunetti und Vize-Questore Patta hat inspirieren…

Gesammelte Skipisten
Rezensionen / 9. Dezember 2020

Als dieses Buch entstand, war Autor Christoph Schrahe noch zuversichtlich, dass der Winter 2020/21 keine neuen Einschränkungen beim Wintersport bringen würde und ambitionierte Skifahrer sich aufmachen könnten, die 111 vorgestellten Super-Pisten abzufahren. Das wird wahrscheinlich frühestens 2021 möglich sein. Trotzdem: Planen kann man ja schon mal – und träumen:  Vom Freeriden im frisch gefallenen Naturschnee, von Buckelpisten und aussichtsreichen Abfahren. Sanft und gemütlich Keine Angst: Hier sind nicht nur Pisten für Tollkühne und Könner versammelt, auch leichtere bis mittelschwere Abfahrten haben es in die Sammlung geschafft. Wie diese „eher gemütliche“ Abfahrt im Schweizer Wallis: „Die Piste von der Bella Tola hinab in den Weiler Prilet ist selbst für die an großartigen Pisten definitiv nicht arme Schweiz ein Highlight.“ Oder die „sanfte“ Talabfahrt Lermoos, die „Zwei-Länder-Abfahrt“ im Kleinen Walsertal, die Bodenmaiser Tourenabfahrt mit den Arbermandln, die Talfabfahrt Sterzing… Eine Piste ganz ohne Schnee Daneben werden auch Kunstschnee-Alternativen vorgestellt wie das Alpincenter in Mecklenburg-Vorpommern, der Poppenberg im Sauerland, wo 27 Propeller-Schneeerzeuger für Schneesicherheit sorgen – ab minus einem Grad. Ganz ohne Schnee kommt der Monte Kaolino in der Oberpfalz aus, hier ist das Skigebiet buchstäblich auf Sand gebaut, genauer auf 32 Millionen Tonnen weißen Quarzsand. Steil und bucklig Aber natürlich finden sich…

Zeitreise in ein anderes Australien
Rezensionen / 16. November 2020

Nichts geht derzeit mit Reisen nach Australien. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, sich intensiv mit Down Under zu beschäftigen. Auch mit noch unbekannten Seiten des Kontinents. Zum Beispiel mit der Geschichte des deutschen Auswanderers Bernhard Otto Holtermann. Der Sohn eines Hamburger Fischhändlers fand 1872 in seiner Wahlheimat den größten Goldklumpen aller Zeiten und finanzierte mit dem Geld Fotografen, deren Bilder die einstige Sträflingskolonie in ein besseres Licht rücken sollten. Die Unesco hat die weltgrößten Glasplattennegative (130 x 96,5 Zentimeter) als Weltkulturerbe geschützt. Deutscher Einwanderer und Philanthrop Die aufregende Geschichte des deutschen Auswanderers und seines Projekts – und natürlich auch viele Fotografien – präsentiert der großformatige Bildband „Australien 1872“.  Autor Christoph Hein hat sich intensiv mit dem Leben des Philanthropen Holtermann beschäftigt – in der alten und in der neuen Heimat. „Holtermann und die anderen, sie spielten in einer riesigen Lotterie unter Einsatz ihrer Leben“, schreibt Hein über die Goldgräber-Zeit. Der größte Goldklumpen der Welt Doch „Holtermann war ein Stehaufmännchen, ein Gründer, ein genialer Selbstvermarkter. Er schuf Verbindungen, vermochte Freunde wie Beyers oder die Fotografen Merlin und Bayliss ein Leben lang zu halten.“ Trotzdem, es waren harte Zeiten, vor allem auch für die Frauen, die auch in Zeiten größter Not…