Ulla Hahn: Lyrikerin im Klassenkampf
Rezensionen / 16. September 2017

Irgendwie ist sie doch stolz darauf, „dat Kenk von nem Prolete“ zu sein und es trotzdem so weit gebracht zu haben, dass sie sich heute als Frau von Klaus von Dohnany, dem elder Statesman, in Hamburgs bester Gesellschaft bewegt. Ulla Hahn, längst als Lyrikerin etabliert, lässt die Leser in ihrer nun auf vier Bände angewachsenen und nur leicht fiktiv verfremdeten Rückschau Teil haben an ihrer Entwicklung. Nach dem großartigen ersten Band „Das verborgene Wort“, nach „Aufbruch“ und dem weniger überzeugenden „Spiel der Zeit“ schließt sie die eigene Selbstbefragung nun mit dem schwer gewichtigen „Wir werden erwartet“ ab und konfrontiert sich selbst und die Leser mit den Irrungen und Wirrungen einer politisch fehlgeleiteten Jugend. „Meine Lernbegier, mein Lesehunger, mein Bildungsdurst waren von Anfang an auch von Aufsässigkeit und Angriffslust gespeist, geboren aus einer Haltung, es Denendaoben zu zeigen. Ihre Villen und Fabriken konnte ich mir nicht aneignen, wohl aber die ganz Fülle ihrer künstlerischen und gedanklichen Reichtümer, die sie, die Besitzenden, den Unterdrückten vorenthielten.“ Hilla Palm, Hahns Alter Ego, das begabte Arbeiterkind, das sich das Recht auf Bildung gegen den aufbrausenden Vater und die fast missgünstige Mutter erstritten hat, das aus der katholischen Enge aus- und aufgebrochen ist in die weite…