Ein Leben für die Katze

2. August 2023

Eine entlaufene Katze, eine frustrierte Lehrerin, ein aufmüpfiger Teenie und kriminelle Machenschaften: Kai Hensel bringt in seinem Roman „Wo ist Valentin?“ das und noch mehr zusammen. Auch wenn es zwischendurch etwas hakt, ist ihm ein spannender Roman gelungen, der nicht nur Katzenliebhabern Freude machen dürfte.

Enttäuschte Liebe

Der Kater Valentin ist ein hübsches Kerlchen und für die von Streitereien mit Schülereltern gestresste Lehrerin Katja fast so etwas wie Familie oder noch besser Lebenspartner. Als er eines Tages verschwunden ist, ist Katja am Boden zerstört und setzt alle Hebel in Bewegung, Valentin wieder zu finden. Die Worte, mit denen sie ihren Verlust beschreibt, klingen schon sehr nach enttäuschter Liebe. Kein Wunder, dass die Schülerin Ricky, die sich für ein Journalismus-Praktikum in der örtlichen Zeitung bewerben will, eine Story wittert.

Seltsames Verhalten

Tatsächlich wirbelt Valentins Verschwinden einigen Staub auf und lenkt die Aufmerksamkeit auf bisher unbeachtete Verhaltensweisen mancher Lehrer, auch des Direktors. Welche Rolle spielt dabei Caroline, die sich schon als erfolgreiche Influencerin in Dubai sieht und alles dafür tut, um das Geld für die Reise zu bekommen? Und wieso wirkt die unbeliebte ältliche Lehrerin Herczeg plötzlich so anders, aktiver, zugänglicher?

Das Rätsel der Mühle

Dann wäre da noch die alte Mühle, in der eine einst erfolgreiche Katzenbuch-Autorin mit ihrer Tochter haust. Seit die Polizei 60 verwahrloste Katzen aus der Mühle geholt hat, ist ihre Stimme verstummt und die Mühle verfällt. Doch Ricky ahnt, dass die Mühle noch mehr Geheimnisse birgt…

Rickys  Neugier

Kai Hensel bringt es im Lauf von 333 Seiten fertig, diese und noch mehr Erzählstränge zusammenzuführen und das Ganze zu einem sinnvollen und nachvollziehbaren Ende zu bringen. Die Hauptrolle dabei spielt Ricky, die,  von ihrer „journalistischen Neugier“ getrieben, immer weiter darin wühlt, was sich als übler Sumpf entpuppt.

Partner zur rechten Zeit

Hilfreich zur Seite steht dem Mädchen aus prekären Verhältnissen der smarte Friedrich aus dem Villenviertel. Auch Katja bleibt nicht ungetröstet. Alex, der Gärtner der Nachbarn, kommt gerade zur rechten Zeit. Nicht für alle geht das Abenteuer so gut aus. Auch in diesem Roman gibt es Verlierer – wie im richtigen Leben.

Hineingelesen…

…. in Katjas Katzenliebe

Stille. Valentin schnurrte, mit geschlossenen Augen, sacht schlug sein Schwanz. Nichts war wichtig, außer dass er hier war, dass sie hier war, dass sie wieder zusammen waren. Katja roch Rauch, er stieg durch die Ritzen, sie hörte Ricky schreien: „Frau Fontane! Frau Fontane!“ Ein Rumpeln, unten oder in ihrem Kopf, nicht wichtig, sie drückte Valentin gegen ihre Brust. Der Rauch wurde stärker, sie hustete. Valentin hob den Kopf, was sollten sie tun? Sich richtete sich auf, Valentin im Arm. Sie setzt ihn ab, kroch zur Luke, sie war verriegelt.
„Frau Fontane…“
Wieso klang Ricky so verzweifelt? Es war doch alles gut. Valentin stand neben ihr, schnupperte an den Hebeln und Riemen, kratzte an der Luke, sie kamen hier nicht raus. Sie kamen auch nicht durch die vernagelten Fenster. Sie würden verbrennen, gemeinsam. War das schlimm? Die Stimme der Naturwissenschaftlerin flüsterte, dass ihre Gelassenheit, fast Euphorie, die Folge des Endorphins war, das der Körper wegen der Kopfverletzung ausschüttete, vielleicht schon Symptom einer Rauchvergiftung, des Kohlenmonoxids und Sauerstoffmangels. Aber hatte die Wissenschaftlerin eine bessere Idee, als Valentin hochzuheben und an ihre Brust zu drücken? Dieser Moment war es wert, er war ihr Leben wert, ihren Kampf, ihre Verzweiflung, die Zettel an den Bäumen, die Facebook-Posts. Sie hatte wieder mit Valentin zusammen sein wollen, nichts anderes hatte sie gewollt. Nun waren sie zusammen, Kopf an Kopf, Brust an Brust, nichts gab es zuz wollen, zu fürchten, zu bereuen.

Info  Kai Hensel. Wo ist Valentin?, Kanon Verlag,333 S., 22 Euro

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