Erkundungen im Untergrund

5. Mai 2025

Paolo Rumiz ist ein eigenwilliger Autor, auf Erkundungen bis an den Rand der Welt scheut er keine Strapazen. Das gilt auch für sein neues Buch „Eine Stimme aus der Tiefe“, für das er von den Liparischen Inseln bis ins Friaul die unsicheren Grundfesten Italiens erkundet hat: „Eine Welt, bestehend aus Vulkankratern, Bergwerken, Karstquellen Katakomben, Miasmen, ein Labyrinth von Tunneln, U-Bahnen, Gefängnissen, Krypten mit den Sarkophagen von Heiligen, unerforschten Brunnen, Meeresböden voller Relikte, Waffen aus alten Kriegen…“

Mit Aladins Lampe

Rumiz ist den Geheimnissen dieses weitläufigen Labyrinths auf der Spur, dieser Stimme aus der Tiefe, einer „Dark Symphonie“. Er besteigt Vulkane, klettert in Höhlen, besucht die Katakomben in Rom und erkundet still gelegte Bergwerke: „Ich war der Sohn einer bebenden Erde. Ich gehörte zu ihr und wollte einen Blick in ihr Inneres werfen. Mit Aladins Lampe hineingehen.“

Trip durch die Tiefe

Und weil Paolo Rumiz auch ein großartiger Erzähler ist, kann er über seine Entdeckungen so spannend schreiben, dass man ihm auf seinem Trip durch die Tiefe nur zu gern folgt. Da tun sich allerdings noch mehr Abgründe auf, die der Autor beim Namen nennt: Die mafiösen Strukturen beim Wiederaufbau nach Erdbeben oder die Empathielosigkeit der Gesellschaft in der Flüchtlingsfrage. Dazu zitiert er eine Rechtsmedizinerin aus Mailand, die die Leichen Ertrunkener untersucht, um ihnen eine Identität zu geben: „Das Meer wird zum Grabstein der europäischen Gleichgültigkeit“.

Mythen und Geschichten

Rumiz lässt sich von Freunden begleiten, spricht mit Wissenschaftlern und Historikerinnen, mit Seismologen und Menschen auf der Straße. So sammelt er Mythen und Geschichten, mit denen er seine Erkundungen würzt. Man folgt ihm gern, notiert sich im Kopf so manchen Ort, den man selbst mal besuchen könnte wie Venzone in Friaul-Julisch Venetien, das dank eines engagierten Bürgerkomitees „ein Musterbeispiel der Restaurierung“ ist, oder die Felsenstadt Matera in der Basilikata, deren Felsenwohnungen heute als vorbildlich gelten könnten.

Die wahre Hölle

Es wird viel erzählt in diesem Buch, viel geredet und viel gegessen. Paolo Rumiz ist kein Kostverächter, auch wenn er die italienischen Verhältnisse kritisch sieht: „Man lernt, auf das zu hören, was sich unter uns befindet, statt auf die Oberfläche zu starren. Man wird zum Seismographen. Und versteht, dass sich die wahre Hölle an der Oberfläche befindet.“

Info Paolo Rumiz. Eine Stimme aus der Tiefe, Folio, 292 S., 28 Euro

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert