Julia Engelmann, Jahrgang 1992, scheint ein Glückskind zu sein. Alles, war sie angeht, ist erfolgreich. Auch ihr Romandebüt „Himmel ohne Ende“ wird wohl eine Erfolgsgeschichte, denn die junge Autorin „trifft den Nerv der Zeit mitten ins Herz“, wie 3sat Kulturzeit urteilt. Der Roman ist eine Coming-of-age-Geschichte, und sie erzählt von Gefühlen in der Pubertät, die viele nachvollziehen könnten.
Allein
Charlie heißt die 15-jährige Protagonistin und Ich-Erzählerin, die am liebsten „aufhören würde zu existieren“. Sie vermisst ihren Vater, hat ihre beste Freundin Kati verloren und fühlt sich gemobbt. Ihr bester Freund ist ein Hamster. Das enge Verhältnis zur Mutter wird durch deren neue Beziehung zu einem italienischen Kellner auf eine harte Probe gestellt. Charlie hat das Gefühl, durch eine Glaswand von der Realität abgetrennt zu sein.
Zu zweit
Doch dann kommt frischer Wind in Charlies Leben. Der blonde Pommes, der eigentlich Kornelius heißt, macht nicht halt vor der Glasscheibe. Unbekümmert mischt er sich in Charlies Leben ein, unterstützt sie nach dem Tod des Hamsters und konfrontiert sie mit ihren Ängsten. Die Glasscheibe wird zum Autofenster, das Charlie öffnen kann. „Und nun, da es endlich offenstand, fühlt ich, wie die leichte Brise meine Haut berührte, die auch alles Traurige, Tragische, Lustige, Schöne, das sich vor meinen Augen abspielte, berührte. Ich atmete die gleiche Frühlingsluft wie die anderen Leute.“
Der Himmel
Natürlich ist nicht alles sofort gut, es gibt Rückschläge wie im wirklichen Leben. Und Charlie muss erfahren, dass auch der so leichtlebig wirkende Pommes seine Probleme hat. Aber seit die Glaswand weg ist, kann sie nicht nur die anderen akzeptieren, sondern auch ihr eigenes Anderssein:
„Was mich beschäftigte? Ich hatte verstanden, dass es okay war, vieles nicht genau zu wissen, und dass es okay war, das alles laut zu sagen, auch wenn man es nicht perfekt sagte. Mich beschäftigte, ob man immer die Menschen liebte, die einen an jemanden erinnerten, den man schon mal geliebt hat. Oder immer die, die waren, wie man werden wollte. Und wen ich wohl in Pommes gesehen hatte, damals im Bus. Mich beschäftige auch, dass ich zum ersten Mal stolz war, stolz auf meine Gedanken. Denn auch, wenn sie von außen unsichtbar waren, waren meine Gedanken wie ein Himmel im Inneren, ein Himmel ohne Ende.“
Blaue Haare
Julia Engelmann ist Poetry Slammerin. Sie kann mit Sprache umgehen, auch das macht ihren Roman zu etwas Besonderem. Und sie kann sich einfühlen in die Emotionen einer 15-Jährigen, in die Zweifel, die Nöte, die Ängste, die Verlorenheit. Ihre Charlie, die sich mit blauen Haaren mehr Selbstsicherheit verschafft, ist eine ebenso komplexe wie liebenswerte Figur. Womöglich taugt sie sogar zum Vorbild für verunsicherte Gleichaltrige. Lesenswert ist „Himmel ohne Ende“ aber auch für Ältere, weil der Roman Einblicke in das Seelenleben Jugendlicher gibt.
Info. Julia Engelmann. Himmel ohne Ende, Diogenes, 325 S., 25 Euro
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