Schwiegermutter: Die Unverstandene

15. Juni 2025

Schwiegermutter – das ist für viele Paare ein Schreckgespenst. Die Mutter des Partners oder der Partnerin kann eine echte Bedrohung für eine Beziehung sein. Wie in Moa Hergrens Roman „Schwiegermutter“. Nur, wer ist schuld daran, wenn alles schief läuft? Darum geht es in dem Roman, der zwar großenteils aus der Sicht der Schwiegermutter geschrieben ist, aber auch die anderen Beteiligten zu Wort kommen lässt.

Symbiotische Beziehung

Åsa ist alleinerziehende Mutter, seit Janne sie für eine andere verlassen hat. Mit Andreas verbindet sie die Kommunikationstrainerin eine symbiotische Beziehung. Doch nun ist Andreas mit Josefin zusammengekommen, der nach Åsas Meinung komplizierten Tochter ihrer langjährigen Freundin Stina. Trotzdem bietet sie dem Paar an, für einen kurzen Zeitraum bei ihr einzuziehen, bis sie eine Wohnung gefunden haben.

Konkurrenzkampf

Doch da, wo sie früher zu zweit ein gutes Team waren, muss sich Josefin wie ein Fremdkörper vorkommen. Die beiden Frauen buhlen um die Liebe von Andreas. Und Åsa macht mit ihren unwillkommenen Hilfsangeboten das Zusammenleben nicht leichter. Ihre Übergriffigkeit nutzt Josefin, um Andreas gegen seine Mutter aufzuhetzen. Als Åsa Andreas zu einer Therapie – ausgerechnet bei einer Freundin – rät, wird alles nur noch schlimmer. Plötzlich sieht sie sich mit Vorwürfen aus Andreas‘ Kindheit konfrontiert.

Vor der Tür

Das Ganze eskaliert ausgerechnet dann, als Åsa bei Josefins schwerer Geburt als Chauffeur und Hebamme einspringt. Sie habe sich aufgedrängt, schnaubt Josefin, die Intimität des Elternwerdens zerstört. Und so wird die Schwiegermutter kurzerhand aus dem Leben ihres Sohnes ausgeschlossen. Verzweifelt versucht Åsa wenigstens einen Weg zu ihrem Enkel Sam zu finden. Doch scheinbar kann sie nichts recht machen. Ein paar unbedachte Worte – und schon ist sie draußen.

Wechselwirkung

Für eine kurze Zeit gelingt es ihr trotz allem, wieder einen Zugang zu Andreas zu finden. Und je mehr der Sohn sich seiner Mutter anvertraut, desto kritischer sieht er seine Beziehung zu Josefin. Ein Sieg für die Schwiegermutter? Doch dann passiert etwas, das alles wieder auf den Kopf stellt.

Aufrüttelnde Lektüre

Mia Herngren ist wohl Schwedens Expertin für Beziehungsdramen. Die frühere Journalistin und Co-Autorin der Netflix-Serie „Bonus Family“ weiß, wie sich aus kleinen Zerwürfnissen große Dramen entwickeln können. In „Schwiegermutter“ geht es um Manipulation, um Abhängigkeit, um Einsamkeit und ein großes Missverständnis: die Liebe. Eine aufrüttelnde Lektüre über familiäre Unzulänglichkeiten und psychische Wunden, die nie ganz verheilen.

 Hineingelesen…

…in Andreas‘ Gedanken

„Wenn man es aus Mamas Perspektive betrachtete, konnte man mich vermutlich sogar für undankbar halten. Sei wurde mit einem zweijährigen Kind für eine andere Frau sitzengelassen, die zu dem Zeitpunkt bereits von Janne schwanger gewesen war. Kümmerte sich ganz alleine um mich und schlug sich nebenher mit dem abwesenden Vater herumzuschlagen. Durchwachte Nächte und Gespräche in der Krippe. Alles blieb an ihr hängen, und sie liebte mich bedingungslos. Mehr als alles andere, tausend Mal um die Erde und wieder zurück. Das sagte sie mir immer wieder, jeden Abend. So war sie immer gewesen. Hätte sich wenn nötig für mich erschießen lasen. Und das war der Dank dafür. Es klang vermutlich verrückt. Aber ich war es leid, nur für sie zu existieren, ihretwegen irgendetwas zu machen. Irgendwann erdrückte es mich. Die Liebe dreht ihre Runden um die Erde und bis ans Ende Welt mehr für sie als für mich.“

Info. Moa Herngren. Schwiegermutter, Kein & Aber, 350 S., 25 Euro

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