Heldensturz: Martin Walkers Eskapaden
Rezensionen / 18. Mai 2016

Bruno, Chef de Police in der Kleinstadt Saint Denis, ist so manchem Krimi-Freund schon ans Herz gewachsen. Löst der Genussmensch im schönen Périgord doch mittlerweile auch schon seinen achten Fall. Und das auf gewohnt nonchalante Art mit viel französischem Savoir Vivre. Für Bruno heißt „Leben wie Gott in Frankreich“ vor allem gut essen und trinken, aber auch die Liebe spielt eine wichtige Rolle. Schließlich ist der Chef de Police ein Mann, der die schönen Seiten des Lebens zu schätzen weiß. Bei seinem achten Fall unter dem Titel „Eskapaden“ wäre er beinahe über seine eigene Schwäche gestolpert. Doch Bruno ist zu sehr Polizist, um sich an der Nase herumführen zu lassen. Soweit so gut. Der achte Fall entpuppt sich als ziemlich kompliziert, führt weit in die Vergangenheit zurück und bis hinauf in die hohe Politik. Gorbatschow spielt eine Rolle, Jelzin, Mitterand. Vielleicht hat der Schotte Martin Walker, der auch mal politischer Journalist war und der mit seinen Krimis das Périgord auf die literarische Landkarte gesetzt hat, da etwas zu hoch gegriffen. Der Fall nimmt zwar nach einigen Längen Fahrt auf, aber zwischendurch scheinen dem Autor die Fäden, die er knüpfen will, zu entgleiten. Da ist doch so manches unlogisch und arg…

John Irving: Am Anfang war die Müllkippe
Rezensionen / 3. Mai 2016

„Woher etwas kam, war ein wichtiger Teil von Juan Diegos Schriftstellerleben… ‚Das echte Leben ist zu schludrig, um als Modell für gute Fiktion zu taugen‘, hatte Juan Diego gesagt. ‚Gute Romanfiguren sind charakterlich ausgereifter als die meisten Menschen, die wir in unserem Leben je kennenlernen. Figuren in Romanen sind nachvollziehbarer, stimmiger, vorhersehbarer. Romane, sofern sie etwas taugen, sind nicht chaotisch, das wirkliche Leben dagegen schon. In einem guten Roman kommt alles für die Erzählung Wichtige von etwas oder von irgendwoher.’“ In John Irvings neuen Roman „Straße der Wunder“ kommt alles aus der Kindheit im mexikanischen Oaxaca, wo der wissbegierige Junge mit seiner hellseherisch begabten Schwester Lupe auf einer Müllkippe aufwächst – allerdings unter dem Schutz des Müllkippenchefs, der möglicherweise auch Juan Diegos Vater ist. Die Mutter der beiden, eine Prostituierte, die im Jesuitenkloster putzt, stirbt beim Versuch, eine Madonnenstatue zu entstauben, die Schwester beim Füttern eines Löwen. Und Juan Diego wird zum hinkenden Krüppel, weil der Müllkippenchef ihn beinahe überfährt. Der alte Schriftsteller  träumt von seiner Kindheit Doch das alles erfährt der Leser erst nach langen Erzählspiralen, die zwischen Kindheit und Alter mäandrieren, weil sich der mittlerweile als Schriftsteller erfolgreiche Juan Diego auf seiner Reise auf die Philippinen in die Kindheit…

Endstation Alzheimer
Rezensionen / 12. April 2016

Ein bisschen viel Klamauk hat J. Paul Henderson schon hineingepackt in seinen Roadmovie- und Alzheimer-Roman „Letzter Bus nach Coffeeville“. Warum muss der kleine Eric unbedingt einen Fahrradhelm zur Tarnung tragen, obwohl er inzwischen schwarz gefärbte Haare hat? Warum muss der arme Jack wegen seiner Haarpracht fast psychotisch sein? Und die Schokoladen-Besessenheit der Schönheitstänzerin Susan ist auch eher grenzwertig. Dabei wäre die Idee hinter dem Buch auch ohne solche Albernheiten gut genug für eine unterhaltsame Lektüre: Drei Freunde, die sich im Lauf des Lebens aus den Augen verloren haben, finden wieder zusammen, um in einem ausrangierten Tourbus der Beatles quer durch die USA bis in das Kaff Coffeeville zu fahren. Fünf ungleiche Weggefährten Hier will Nancy, die Frau im Trio, ihr Leben beenden, das ihr durch die Alzheimer Krankheit immer mehr entgleitet. Helfen soll ihr dabei ihr ehemaliger Studienfreund Doc, der Arzt, der nach dem Unfalltod von Frau und Tochter (die von einem Riesendonut erschlagen wurden!) zum misanthropischen Einzelgänger mutiert ist. Als er und Nancy noch ein Paar waren, hatte er ihr versprochen, im Notfall für sie da zu sein. Jetzt fordert Nancy dieses Versprechen ein. Und Doc wendet sich um Beistand an seinen schwarzen Freund Bob, mit dem Nancy und er in grauer…

Emanuel Bergmann: Pure Magie
Rezensionen / 31. März 2016

Ein 15-jähriger Judenjunge, die Frucht eines mütterlichen Fehltritts, wird von seinem „Vater“, einem Rabbiner im Prag der 1940iger Jahre streng erzogen. Trotzdem oder eher gerade deswegen verfällt Mosche Goldenhirsch der Magie des  Zirkus. Er verliebt sich in die Assistentin des Zauberers und wird später selbst zum Magier in der Manege. Über 70 Jahre später sucht in Amerika ein anderer Junge nach diesem Magier, der als der „große Zabbatini“ Erfolge feierte. Der zehnjährige Max Kohn glaubt, nur Magie könne die kaputte Ehe seiner Eltern retten. Und wer wäre besser dafür geeignet als der Mann, der sich der „große Zabbatini“ nannte? Emanuel Bergmans Roman „Der Trick“ hat zwei Erzählstränge auf zwei Zeitebenen, die der Autor nach einem guten Drittel des Buches verknüpft. Spätestens dann wissen auch die Leser, dass der „große Zabbatini“ sich in einen klapperigen Greis verwandelt hat, der noch dazu nicht allzu sympathisch ist. Ein aufdringlicher Kerl, der Kinder hasst und Frauen als Freiwild betrachtet. Magische Lesemomente Trotzdem: Max glaubt an ihn, muss an ihn glauben: „Er war der Gläubige, der all seine Hoffnungen in eine zerkratzte Schallplatte und einen seltsam riechenden, mürrischen alten Mann gesetzt hatte… Auch Max hatte Angst vor dem Erwachen, dem endgültigen Ende seiner Kindheit. Er wollte noch eine…

Im Korruptionssumpf
Rezensionen / 28. Februar 2016

Ein altes serbisches Ehepaar wird im Kosovo ermordet. Von nationalistischen Albanern, die die Rückkehr der Serben mit Misstrauen betrachten? Weil ihr Onkel liebevolle Erinnerungen an die Frau hat, macht sich Milena Lukin auf die Suche nach dem Mörder – und bringt sich dabei selbst in Lebensgefahr. Doch obwohl sie in dem albanischen Dorf die Feindschaft der Bewohner zu spüren bekommt, erhärtet sich ihr Verdacht, dass hinter dem Mord andere Interessen stecken. Sie sieht das Haus der alten Leute, eine Bruchbude ohne Strom und Wasser. Sie hört von EU-Geldern, die für die Rückführung der vertriebenen Serben fließen und fragt sich wohin. Sohn und Tochter der Ermordeten können ihr nicht weiter helfen, aber der Zufall bringt sie auf die richtige Spur. Nach Kornblumenblau hat das Duo Christian Schönemann und Jelena Volic mit Pfingstrosenrot wieder einen spannenden Krimi vorgelegt, der nicht nur den ungelösten Konflikt zwischen Serben und Albanern im Kosovo thematisiert, sondern auch die Probleme aufzeigt, mit denen die europäische Politik konfrontiert ist. Milena beklagt das Verschwinden einer ganzen Kultur, die Engstirnigkeit der Nationalisten und die ungebremste Vetternwirtschaft: „Über Jahrhunderte waren die Kulturen zusammengewachsen, hatten sich ergänzt und bereichert, und jetzt wurde von Politikern und Nationalisten penibel nach den Unterschieden gesucht. Diese…