Der verstummte Sänger
Rezensionen / 27. April 2019

Mit der Melodie „Ein Lied geht um die Welt“ wurde der kleinwüchsige Tenor Joseph Schmidt endgültig zum Liebling der Deutschen. Und doch war seiner Karriere ein baldiges Ende beschieden, geriet der Sänger in Vergessenheit. Denn Joseph Schmidt war Jude. Der Mann, der noch 1937 in der Carnegie Hall aufgetreten war, dessen Stimme Millionen rührte, war in Nazideutschland unerwünscht. Keine Gegenwart ohne Vergangenheit Heimatlos wie so viele andere irrte er durch Europa und hoffte auf Asyl in der Schweiz. Aber auch bei den Eidgenossen war der jüdische Emigrant unerwünscht. Schon schwer krank wurde er ins Internierungslager Girenbad überwiesen, wo er an einer Herzschwäche starb. Lukas Hartmann holt den vergessenen Tenor mit seinem Roman „Der Sänger“ ins Rampenlicht – zu einer Zeit, in der wieder einmal über die Beschränkung der Flüchtlingszahlen diskutiert wird und über die Opfer, die der Bevölkerung angesichts der Menge der Immigranten aufgebürdet werden. Der Schweizer Autor, der in seinen Romanen immer wieder zeigt, dass die Gegenwart ohne Vergangenheit nicht denkbar ist, geht dabei mit seinem Heimatland, das sich in der Rückschau selbstgerecht als Bastion der Demokratie feiert, ins Gericht. Nationaler Egoismus verstellte den Blick auf das Elend der Emigranten, man verschloss die Augen vor der Tragödie vor der…