Mit der Melodie „Ein Lied geht um die Welt“ wurde der kleinwüchsige Tenor Joseph Schmidt endgültig zum Liebling der Deutschen. Und doch war seiner Karriere ein baldiges Ende beschieden, geriet der Sänger in Vergessenheit. Denn Joseph Schmidt war Jude. Der Mann, der noch 1937 in der Carnegie Hall aufgetreten war, dessen Stimme Millionen rührte, war in Nazideutschland unerwünscht.
Keine Gegenwart ohne Vergangenheit
Heimatlos wie so viele andere irrte er durch Europa und hoffte auf Asyl in der Schweiz. Aber auch bei den Eidgenossen war der jüdische Emigrant unerwünscht. Schon schwer krank wurde er ins Internierungslager Girenbad überwiesen, wo er an einer Herzschwäche starb. Lukas Hartmann holt den vergessenen Tenor mit seinem Roman „Der Sänger“ ins Rampenlicht – zu einer Zeit, in der wieder einmal über die Beschränkung der Flüchtlingszahlen diskutiert wird und über die Opfer, die der Bevölkerung angesichts der Menge der Immigranten aufgebürdet werden.
Der Schweizer Autor, der in seinen Romanen immer wieder zeigt, dass die Gegenwart ohne Vergangenheit nicht denkbar ist, geht dabei mit seinem Heimatland, das sich in der Rückschau selbstgerecht als Bastion der Demokratie feiert, ins Gericht. Nationaler Egoismus verstellte den Blick auf das Elend der Emigranten, man verschloss die Augen vor der Tragödie vor der Haustür und schob selbst dann noch Juden ab, als man schon von den Vernichtungslagern wusste.
Rückblicke in glücklichere Zeiten
„Die Eidgenossen sparen bei uns an allem,“ lässt Hartmann den internierten Philosophen Manès Sperber sagen: „Wir sind ja unerwünscht, vor allem wir Juden sind vielen ein Dorn im Auge.“ Auch ein Prominenter wie Joseph Schmidt, heißt es von oben, habe sich den Anordnungen des Gastlandes zu fügen. Und so kommt es, dass ausgerechnet an Joseph Schmidt ein Exempel statuiert wird, das für den kleinen Sänger tödlich endet. Zwischen Lager und Krankenhaus hin- und hergeschoben, verliert er zuerst die Stimme, ehe schließlich sein Herz versagt.
Hartmann gönnt Schmidt auf seinem Leidensweg Rückblicke in glücklichere Zeiten, und er lässt Schweizer zu Wort kommen, die über die Flüchtlingspolitik ihres Landes räsonieren: „Unaufhörlich müssen wir uns in dieser Zeit fragen: Tun wir das Rechte? Und doch dürften wir das übergeordnete Landesinteresse keinesfalls aus den Augen verlieren.“
Da drängen sich die Parallelen zur aktuellen Flüchtlingskrise geradezu auf.
Info: Lukas Hartmann. Der Sänger, Diogenes, 288 S., 22 Euro
Internet: www.lukashartmann.ch, www.diogenes.ch
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