Tod und Zukunft

1. März 2024

Uff, da hat sich Nicola Förg eines heiklen Themas angenommen – ausgerechnet in ihrem 15. Apenkrimi. Der Titel „Zornige Söhne“ führt ein bisschen in die Irre, denn so richtig zornig ist eigentlich nur ein Sohn. Aber das nur nebenbei.

Roman im Roman

Denn im Mittelpunkt dieses Krimis steht der Konflikt zwischen der Generation der Baby Boomer und der Generation Z. Dazu bedient sich Nicola Förg eines literarischen Kunstgriffs, eines Romans im Roman. Er entführt in die nahe Zukunft. Man schreibt das Jahr 2032, und sterbewillige Senioren können einen assistierten Suizid samt einwöchigem Aufenthalt in einem Luxusressort buchen.

Die Last der Baby Boomer

Verfasst hat den Roman, der als Weltbestseller durch die Decke geht, der Vater des junges Mannes, dessen Tod Irmi & Co untersuchen. Und während der Ermittlungen liest Irmi, die sich den Baby Boomern zugehörig fühlt und schon bald in Rente gehen wird, diese Geschichte. Das bringt sie zwar bei ihren Ermittlungen nicht unbedingt weiter. Aber es führt ihr vor Augen, dass ihre Generation für die Jungen immer mehr zur Belastung werden wird. Ein sozialverträgliches Sterben könnte also durchaus erwünscht sein…

Komplizierte Ermittlungen

Das allerdings betrifft nicht das Mordopfer. Denn Joshua hat noch sein Leben vor sich, als er ermordet wird. Allerdings geht er recht freizügig damit um, weil er nicht so recht an eine Zukunft glaubt. Auch das erschwert die Ermittlungen, die das Team auch nach Augsburg führen. Doch das Damen-Trio Irmi, Kathi und Andrea entwirrt mit vereinten Kräften das komplizierte Knäuel von Verdächtigungen und Lügen.

Irmis letzter Fall?

Allerdings geht Irmi das Drama, das sich hinter dem Mord offenbart, ziemlich an die Nieren. Mit 65 will sie sich vom Polizeidienst zurückziehen. Ob „Zornige Söhne“ Irmis wirklich Irmis letzter Fall ist? Schade wär‘s schon, die robuste Kommissarin mit dem sensiblen Innenleben ist sicher so mancher Leserin ans Herz gewachsen.

Hineingelesen…

… in Joshuas Charakter

Andrea kam mit dem Kaffee, das ergab eine kleine Zäsur. Lara Wagner fasste sich etwas.
Wie Sie ja wissen, kenne ich Joshua von früher. Dann ist mein Bruder verschwunden, meine Mama hat sich umgebracht, und ich bin mit meinem Papa nach Bobingen bei Augsburg gezogen. Dort war ich bei einer Psychologin, die hatte die Idee, ich könnte reiten lernen. Ohne Pferde hätte ich das alles nicht überstanden, ich hatte ein Pflegepferd, ein Pony eigentlich, zu dem ich nach der Schule immer hingegangen bin. Das Pony, es hieß Barney, hat mir geholfen. Es war mein bester Freund. Ich konnte reden, Barney hat zugehört. Sonst hab ich wenig geredet, und mein Papa hat auch wenig geredet. Weder er noch irgendwer sonst hat dann jemals mehr über die Familie Weiss gesprochen.
Sie nahm einen Schluck Kaffee.
„Ich bin dann im Netz über Joshua gestolpert… Er hat über Umweltschutz gepostet. Ich hab ihm geschrieben, ich weiß gar nicht so genau, warum. Aber er hat mich irgendwie gecatscht. Er war so ernst, so echt.“ Sie sah in die Tasse und dann Irmi direkt in die Augen. Aber nur kurz, dann sprach sie in Richtung der Fenster.
„Wir haben uns verabredet, auf einer Fridays-for-Futere-Demo in Augsburg. Danach sind wir in den Zoo, wie Kleinkinder irgendwie.“ Sie lächelte wehmütig. „Wir waren ewig bei den Erdmännchen, und Joshua sage, dass er das gar nicht so gut fände, dass bei den Erdmännchen die Erdfrauchen dominant sind. Dass sich nur das Alphaweibchen mit dem Alphamännchen paar. Dass die anderen weiblichen Tiere nur als Tanten für die nachkommen zuständig sind und die restlichen Jungmänner nichts zu melden haben. Wir haben über Genetik diskutiert und darüber, ob es von Geburt an vorherbestimmt ist, wo du dich in der Gesellschaft wiederfindest. Er meinte, sein Platz sei immer beim Abschaum. Ich fand das furchtbar und hab ihm widersprochen. Er war auf so eine existenzialistische Art traurig.“
Wieder sah sie in ihre Tasse und rührte um, obgleich sie keinen Zucker genommen hatte.
„Mein Argument, dass Menschen nun mal keine Erdmännchen seien, ließ er nicht gelten. Wir haben dann eine Flasche Wein im Siebentischwald getrunken. Weil ich normalerweise sehr wenig Alkohol trinke, war ich ziemlich angeheitert. Joshua hat in einen Mülleimer gepisst, ein älterer Mann hat das gesehen und ist total ausgeflippt, und wir sind weggerannt. Verstehen Sie: Ich war immer gut in der Schule und immer brav, weil mein Papa ja schon genug Sorgen hatte, aber das war dann so anders. So frei.“

Info Nicola Förg. Zornige Söhne, Piper, 352 S., 17 Euro

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