Straße der Träume

27. April 2019

China macht seit Jahren mit seinem Seidenstraßen-Projekt Schlagzeilen. Die wirtschaftsmächtige Volksrepublik investiert Milliarden in Straßen, Bücken, Tunnels und Bahnstrecken für Hochgeschwindigkeitszüge, um einen Abschnitt der legendären Seidenstraße zwischen Xinjing und Zentralasien wieder zu beleben. Dabei, so schreibt Alfred de Montesquiou gleich zu Anfang seines informativen Bildbands „Abenteuer Seidenstraße“ gäbe es die Seidenstraße eigentlich nicht.  Die alte Handelsroute, die im 15. Jahrhundert schon ihre kommerzielle Bedeutung verlor, sei weder geografisch noch historisch genau zu verorten. Und doch bleibe sie bis heute „die Synthese aller Wege in den Orient und in die Welt der Träume“.

Mit Marco Polo auf Entdeckungsreise

Nach einem kurzen Exkurs in die Geschichte der Handelsstraße, die nicht aus einer sondern aus mehreren Routen besteht, kommt der Autor, der über Jahre als Journalist im Nahen Osten über Krieg und Terror berichtete, auf den Entdecker Marco Polo. Denn es geht ihm darum, „die Welt von heute durch die Linse seiner ‚Beschreibung der Welt‘ zu betrachten“. Ausgangspunkt seiner achtmonatigen Reise mit Auto, Zug, Flugzeug und Bus aber auch zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auf einem Kamel ist deshalb Venedig. Und weil unsere Welt mit Dschihad, Fremdenfeindlichkeit und Brexit aus den Fugen geraten ist, wünscht sich Montesquiou, die Idee der Seidenstraße möge dazu beitragen, zu zeigen, wie wichtig „der Dialog der Kulturen, die Integration des Fremden, das Verschmelzen von Ideen, Religionen und Völkern“ ist.

Von den Janitscharen bis zu Dschingis Khan

Wer nicht nur die bunten Fotos betrachtet, sondern auch die kundigen Texte aufmerksam liest, erfährt viel über das Gestern und Heute der durchreisten Länder. Montesquiou lässt Marco Polo erzählen, er berichtet über eigene Entdeckungen wie ein Trampeltier an einem venezianischen Palast, schreibt kleine Reportagen wie die über die „Helden des Ringkampfes“, die Nachfolger der legendären Janitscharen, oder zitiert aus Geschichtsbüchern. Der Journalist nimmt die Leser mit zu den aufmüpfigen jungen Frauen im Iran und zum Zentrum des Zoroastrismus in Yazd, in die Medressen von Buchara und die Moscheen von Samarkand, macht sie bekannt mit dem Schlächter Timur, der auf seinen Feldzügen Leichenberge und verbrannte Erde hinterließ, mit Dschingis Khan, dem ebenso mächtigen wie grausamen Mongolenherrscher, oder dem Chinesen Zhang Qian, dem wohl ersten Entdecker einer „Seidenstraße“, der 139 vor Christus in unbekannte Gefilde aufgebrochen war.

Die drei Magier aus dem Morgenland

Gut 100 Jahre später fanden drei Magier mit Gold, Weihrauch und Myrrhe den Weg nach Bethlehem. Christen sind sie als die heiligen drei Könige ein Begriff.
Es gäbe noch viel zu zitieren aus diesem dicken Buch, in dem natürlich auch Buddha nicht fehlen darf. Der Bildband ist eine echte Fundgrube für Menschen, die mehr sehen wollen als schöne Fassaden und für die Geschichte mehr ist als ein Schulfach. Auch Reisenden in Richtung China sei er ans Herz gelegt.
Info: Alfred de Montesquiou. Abenteuer Seidenstrasse – 12 000 Kilometer von Venedig bix Xi‘an, Knesebeck, 320 S., 38 Euro

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