Alles im Fluss

23. Februar 2023

Den Rhein flussaufwärts ist der große Schweizer Autor Franz Hohler gewandert – zwischen Mai 2020 und September 2022. Nicht am Stück, natürlich nicht – Hohler ist knapp 80 und kein Weitwanderer. Und wozu gibt es die Schweizer Bahnen? In dem Büchlein „Rheinaufwärts“ erzählt der Autor von seinen Wanderungen entlang des Flusses und das nicht immer harmonische Miteinander von Mensch und Natur.

Erlebnisse und Erinnerungen

Manchmal ist das Flussufer verbaut, dann wieder führt der Weg durch grüne Auenwiesen. Mal geht es entlang des Flusses und seinen Totarmen, dann geht es am domestizierten Rhein entlang, dem Rhein-Kanal.  Erinnerungen begleiten den Wanderer – an die jüdischen Flüchtlinge im Dritten Reich, an den 11. September und den Anschlag an die Twin Towers.

Fluss mit Schluckauf

Und trotzdem hat er immer ein offenes Ohr für seinen Wegbegleiter: „Die Flussoberfläche wirkt zerzaust und verwirbelt, der Rhein hat etwas hinter sich und versucht mit einer gewissen Eile davon wegzukommen“, schreibt er. „Er rauscht und gurgelt, aber je enger das Tal wird, desto ungewöhnlicher werden seine Geräusche, manchmal ist mir, als höre ich ihn husten oder als habe er Schluckauf.“

Freude und Enttäuschung

Die Lesenden werden mitgenommen auf diesen Wanderungen, hinein gezogen in die Erlebnisse. So folgt man dem einsamen Wanderer über nicht existierende Grenzen zwischen der Schweiz und Liechtenstein oder begleitet ihn auf der „Senda Sursilvana“, dem alten Weg über den Oberalppass. Man teilt mit ihm seine Freuden beim Durchmessen wilder Waldstücke und seine Enttäuschung beim Anblick von Flims: „Ich hatte die Wärme eines alten Dorfes erwartet und traf auf die Kälte einer alpinen Stadt.“

Der Rhein am Anfang

Die Anfahrtstrecken zu Hohlers Wanderungen werden immer länger, Corana hat seinen Schrecken verloren, in der Ukraine herrscht Krieg. Und der Autor ist wieder unterwegs – fast am Ende, in Sedrun. „Ein Plätschern dringt durch den Wald zum Weg, auf dem wir wandern. Der Rhein? Wirklich? Ein Kind, das noch nicht weiß, was von ihm verlangt wird. Energie soll es hergeben, schiffbar soll es werden, schwimmbar soll es sein, und tief genug für Selbstmörder.“

Der Fluss wird zum Freund

Hohler hat sich angefreundet mit dem Rhein. Am Ende seiner Wanderungen, an der „Quelle Rhein“ in einem Bergsee fühlt er sich andächtig: „Ich gehe zum See hinunter, knie am Ufer nieder, streichle mit der Hand seine Oberfläche und wünsche dem Wasser eine gute Reise. Einen Monat später trifft er den mittlerweile erwachsenen Rhein in Bonn und stellt befriedigt fest: „Gut hat er‘s gemacht. Ich bin stolz auf ihn.“

Beglückende Lektüre

Die 29 Kapitel in „Rheinaufwärts“ sind eine beglückende Lektüre, auch ohne dass man sich verpflichtet fühlt, es Franz Hohler gleich zu tun. Aber ein paar schöne Beschreibungen könnten durchaus dazu einladen, die eine oder andere Teilstrecke entlang des Rheins unter die Füße zu nehmen.

Info Franz Hohler. Rheinaufwärts, Luchterhand, 125 S., 22 Euro

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