Brüchige Idylle

4. August 2021

Daniela Krien ist immer nah dran an ihren Figuren und die „sind keine Gewinner“, wie die Autorin einmal gesagt hat. Das gilt auch für die Protagonisten ihres neuen Romans „Der Brand“. Die Psychologin Rahel und der Germanistikprofessor Peter sind beide in der Mitte des Lebens angekommen und scheinbar am Ende ihrer Ehe. Nun haben sie einen Urlaub in den Alpen geplant, aber ein Brand hat ihr Urlaubsdomizil vernichtet. Deshalb fahren sie auf Bitten einer Freundin zum Haus und Hof Hüten in die Uckermark. Dahin, wohin es derzeit viele Berliner drängt.

Drei Wochen Zeit

Drei Wochen wollen sie bleiben und dabei versuchen, das Feuer unterm Dach ihrer Ehe zu löschen. Rahel leidet unter Peters schwindendem Begehren, seiner Zurückgezogenheit, seiner neutralen Freundlichkeit. Und Peter kommt nicht darüber hinweg, dass er Opfer eines Gender-Shitstorms geworden ist, obwohl er sich doch immer auf der Höhe des Zeitgeists fühlte. Daniela Krien kann das: Mit lapidaren Sätzen existentielle Situationen skizzieren.

Interfamiliäre Zwistigkeiten

Ihrem durchdringenden Blick entgeht nicht Rahels Selbstbezogenheit, auch nicht Peters gekränkter Stolz. Das Ringen um diese Ehe wird begleitet von einem flügellahmen Storch, einer einäugigen Katze und dem Tod des Hof-Eigentümers. Das klingt ziemlich unspektakulär. Aber Daniela Krien gelingt es, aus innerfamiliären Zwistigkeiten Spannung zu destillieren. Die wächst noch, als Tochter Selma mit ihren zwei unerzogenen Kindern auftaucht und ihre selbstsüchtigen Ansprüche anmeldet.

Doch noch Hoffnung

Rahel spricht von der „Last des guten Lebens“, und Peter scheint ihr zuzustimmen. Die Distanz zum Nachwuchs lässt die Eheleute wieder näher zusammenrücken, auch das Gefühl, dass ihr Leben endlich ist. Womöglich lohnt es sich doch noch, für diese Ehe zu kämpfen und nicht nur mit „Seniorensex“, wie die Zeit  ätzt.
Man liest sich ein in diese brüchige Konstellation und in eine trügerische Uckermarksche Idylle, die immerhin zum Brandlöschen taugte.

Hineingelesen…

… in die Last des guten Lebens

„Hast du eigentlich mit Selma gesprochen?“ fragt er, als sie sich zu ihm an den Küchentisch setzt.
Sie schüttelt den Kopf. „Aber mit Vincent. Er ist optimistisch wie immer“
Peter lächelt. „Toller Kerl.“
„Vielleicht…“, murmelt sie, gibt aber zu bedenken, dass Selma nicht grundlos handle.
„Fragt sich nur, wie gewichtig ihre Gründe sind“, erwidert er.
Rahel schweigt dazu. Auch aus ihrer Sicht sind die Gründe weder dringend noch bedeutungsvoll, doch was heißt das schon. In die Praxis kommen seit Jahren mehr und mehr junge Menschen mit Bildung und Geld und liebevollen Eltern, die überfordert sind von ihrem Leben. Die aus schwer nachvollziehbaren Gründen Beziehungen beenden,  Berufe hinschmeißen, Ausbildungen kurz vor dem Abschluss abbrechen und sich unglücklich fühlen. Als wäre das gute Leben eine schwere Bürde. Denn wer alles bekommt und nichts daraus macht, darf nicht Verständnis rechnen.
„Die Last des guten Lebens“, sagt sie und hofft darauf, dass Peter sie ohne weitere Erklärung versteht.
Und er versteht.
„Sie haben es heute anders schwer, die jungen Menschen“, sagt er.
Dann treffen sich ihre Blicke und bleiben aneinander hängen, und für einen Augenblick glaubt Rahel, dass sich alles zum Guten wenden wird.

Info: Daniela Krien. Der Brand, Diogenes, 275 S., 22 Euro

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