Überraschend schnell scheint sich Saudi- Arabien zu wandeln. Kronprinz Muhammad bin Salman (MbS) will seine Land im Rekordtempo vom Vorgestern ins Übermorgen führen und hat publikumswirksam Reformen angestoßen, die vor allem die Situation der Frauen verbessern. Nadine Pungg hat diesen epochalen Wandel bei ihrer monatelangen Reise durchs Land miterlebt. In dem Buch „Frühling in Saudi Arabien“ schreibt sie über ihre Begegnungen mit selbstbewussten Frauen, die mehr Teilhabe fordern, aber auch über hinterwäldlerische Dörfer, in denen Männer ihre Frauen noch als Eigentum betrachten. Das Land der Extreme Diesen Widersprüchen begegnet Nadine Pungg nicht nur zwischen Stadt und Land. Der ganze Staat oszilliert zwischen Extremen: „Saudi-Arabien ist weder Himmel noch Hölle. Es ist ein kompliziertes Land, in dem verschiedene Realitäten gleichzeitig nebeneinander existieren. Ein erzkonservatives Königreich und eine junge Nation mit technologiebegeisterten Digital Natives. Saudi-Arabien ist Abgeschlossenheit und Weltoffenheit, ist Beduinenromantik und futuristische Stadtplanung, ist rote Linie und Ausreizung der Grenzen. Saudi-Arabien ist Gottesfurcht und Exzess, ist Absolutismus und Chaos, Tinder und Todesstrafe, Tabu und Tabubruch. Brutal und sanft. Saudi-Arabien ist das Einerseits und das Andererseits. Das Himmelblaue und das Finsterschwarze.“ Die dunkle Seite des Regimes Das „Finsterschwarze“ erleben Dissidenten wie Raif Badawi, der 2014 zu zehn Jahren Haft und eintausend Peitschenhieben…
Wer hätte gedacht, dass Omas nicht ganz so schnell sind wie siebenjährige Jungs. Dass kleine Mädchen kurze Beine haben und alte Opas oft müde sind? „Hilfe, ich bin du!“ heißt es in dieser Bilderbuch-Familie von Johanna von Vogel – und alle Beteiligten machen ganz neue Erfahrungen. Die Folge eines Brokkoli-Tags Die Idee ist nicht neu, aber immer wieder gut: Was wäre, wenn ich du wäre? In diesem Fall ist es eine Großfamilie, die ihre Identitäten tauscht. Nicht ganz freiwillig. Der Wunsch ist ihnen an einem „Brokkoli-Tag“, an dem so ziemlich alles schief ging, rausgerutscht. Wer denkt schon, dass so ein Gedanke Realität werden könnte? Jedenfalls waren alle Familienmitglieder davon überzeugt, dass es die anderen leichter hatten als sie selbst. Ob das wirklich so ist, können sie jetzt ausprobieren… Schrecklich viel Verwirrung Johanna von Vogel lässt nicht nur den siebenjährigen Bo in die Rolle der Großmutter schlüpfen. Seine kleine Schwester Rosa tauscht mit Papa die Identität und die Mama mit dem Opa. Dass das an einem ganz normalen Tag zu schrecklich vielen Verwicklungen führt, ist klar. Ungewohnte Pflichten Bo als Oma muss sich mit zwei alten Tanten vergnügen. Rosa als Papa muss im Büro einige schwerwiegende Entscheidungen treffen. Opa als Mama…
Anne Tyler scheint auch mit 83 die Freude am Schreiben nicht verloren zu haben. Ihr neuer, schmaler Roman „Drei Tage im Juni“ zeigt die Pultizer-Preisträgerin auf der Höhe ihrer Meisterschaft, das Menschliche in all seinen Facetten zu beschreiben. Drei Tage braucht sie dafür, eine Hochzeit und einen Fehltritt. Nichts Dramatisches, alles in geregelten Bahnen und trotz aller Kürze ein wichtiges Buch. Warmherzig und witzig. Ein Buch über die Liebe, über Zweifel und Vertrautheit. Mangelnde Sozialkompetenz? Mit 61 erfährt Gail, stellvertretende Schuldirektorin, von ihrer Vorgesetzten, dass es ihr an Sozialkompetenz mangele. Ausgerechnet kurz vor der Hochzeit ihrer Tochter Deborah, genannt Debbie. Ich-Erzählerin Gail ist wütend und verwirrt. Könnte Marilee Recht haben? Und dann will auch noch der Ex-Mann Max bei ihr übernachten – mit Katze. Gails anfängliche Ablehnung wandelt sich im Lauf der Zeit in ein Gefühl der Vertrautheit, leichte Störungen und kleinliche Streitigkeiten inklusive. Fehltritt mit Folgen Als Debbie ihren Eltern davon berichtet, dass ihr Bräutigam Kenneth sie womöglich betrogen hat, wird Gail auf einen Fehltritt gestoßen, der letztlich zum Ende ihrer Ehe geführt hat. Nicht Max war daran schuld, sondern sie: „Warum hatte ich, obwohl ich meinen Mann ehrlich liebte – zumindest auf die immer nur halb glückliche Art…
Die Rico&Oskar-Bücher von Andreas Steinhöfel haben schon so etwas wie Kult-Status. Jede neue Episode überzeugt durch das große Einfühlungsvermögen des Autors in das Gedankenlabyrinth des „tiefbegabten“ Rico. Der Kleine sieht die Welt mit anderen Augen – auch im neuen Buch „Rico und die Klautörtchen“. Bei dem Prequel fehlt allerdings noch Freund Oskar. Rico und das neue Haus Da sind Rico und seine Mama gerade umgezogen in die Dieffe 93, und Rico muss´sich erst einmal merken, wo das neue Haus steht, in dem sie wohnen. Denn Rico denkt auch anders als andere – meist um die Ecke. Die Mama weiß das und hilft ihrem Sohn so gut sie kann, sich im Alltag zurecht zu finden. In „Rico und die Klautörtchen“ wollen die beiden ihre neuen Nachbarn mit Zitronentörtchen aus einer Backmischung überraschen. Die Sache mit den Nachbarn Doch der Herr Fitzke aus dem 5. Stock ist gar nicht erfreut über den Besuch, und Rico hat schon Sorge, dass es in diesem Haus gar keine freundlichen Nachbarn geben könnte. Dann öffnet im 3. Stock eine Frau mit Lockenwicklern die Tür. Diese Frau Dahling ist so freundlich, dass Rico ganz verzaubert ist und ihr am nächsten Tag gleich noch ein Zitronentörtchen vor die…
„Von Rotze bis Kotze“ klingt ziemlich eklig. Auch das Titelbild passt dazu. Dabei geht es um etwas, das für uns Menschen überlebenswichtig ist: „die flüssigen Superkräfte“ unseres Körpers. Johanna Klement ist Medizinern und hat sich intensiv mit Tränen und Spucke, mit Blut und Urin befasst. Reise durch den Körper Sie schafft es, zu zeigen, dass auch Ekliges wichtig sein kann. Dazu tragen auch die witzigen Illustrationen von Karsten Teich bei. Gut 90 Seiten lang ist diese Reise durch den Körper. Dabei lernt man in diesem Buch eine ganze Menge – und das auf sehr unterhaltsame Weise. Mit Rätseln, Sprichwörtern und kleinen Experimenten, mit spannenden Geschichten aus dem Tierreich und interessanten Vergleichen. Literweise Spucke Wer hätte gedacht, dass jeder Mensch täglich einen halben bis einen Liter Spucke herstellt? Dass man mit Urin Flecken entfernen könnte? Wer weiß schon, dass der Seestern seinen Magen durch seinen Mund nach außen stülpt und seine Nahrung außerhalb des Körpers verdaut? Oder dass auch Elefanten Schnupfen haben können? Pinkeln auf dem Rennrad Weil jeder Mensch immer mal wieder pinkeln muss, sind saubere Toiletten in den Schulen wichtig. Johanna Klement hat ein paar Tipps, was Schulkinder tun können, um sich nicht vor dem Gang zum Schulklo zu…
Ganz klar, dieser Valentino ist der italienische Bruder von Philip Marlowe, Chandlers legendärem Privatdetektiv. Schon mit dem Titel „Schwarz wie das Herz“ verweist Autor Giancarlo de Cataldo auf das Vorbild der schwarzen Krimis. Ich-Erzähler Valentino ist zwar kein Privatdetektiv sondern Anwalt, aber wie Marlowe zwar aufrecht aber ziemlich verlottert. Ein harter Kerl, der gern billige Zigarren raucht und schöne Frauen mag, aber keine Kompromisse macht, wenn es um seine moralischen Grundsätze geht. Ein aufrechter Held Und wie Marlowe geht Valentino aufrecht seinen Weg in einer von Korruption geprägten Welt, in der schwarze Leben weniger gelten als weiße, arme Menschen weniger wert sind als reiche. Ohne seine Unterstützer aus der Szene wäre Valentino schon längst gescheitert. Mit ihnen aber gerät er an einen Fall, der ihm alles abverlangt. Auch, weil er lange nicht ahnt, worum es wirklich geht beim Mord an einem Schwarzen. Der hatte Valentino kurz vor seinem gewaltsamen Tod noch um Hilfe gebeten… Ein gefährliches Netz Schon aus schlechtem Gewissen lässt sich der Anwalt darauf ein, den Fall näher zu untersuchen. Dabei gerät er ins Netz einer mächtigen römischen Familie, der Alga-Croce. Und trotz aller moralischen Skrupel läuft er Gefahr, darin hängen zu bleiben. Zu verführerisch ist die Vorstellung,…
Kirsten Boie ist eine routinierte Jugendbuchautorin, und mit ihrer Skogland-Reihe um Jarven, Malena, Ylva und Joas hat sie wohl den Nerv der Zeit getroffen. Auch im dritten Band „Skogland brennt“ setzt sie das erfolgreiche Fantasy-Konzept um das Elite-Internat fort. Aber diesmal geht es so heftig zur Sache, dass das Buch für Leser unter 15 nicht zu empfehlen ist. Das Attentat des Anders Breivik Boie greift auf den Anschlag des Rechtsextremisten Anders Breivik zurück, dem auf der Insel Utoya 77 Menschen zum Opfer fielen, vor allem viele Jugendliche. In ihrem Roman ist es ein Junge aus dem Internat, der sich zunehmend radikalisiert und seine faschistischen Fantasien ausleben will: Hjalmar, der Sohn einer der einflussreichsten Adelsfamilien des Landes und ein Einzelgänger. Ihm ist die Versöhnung zwischen dem Norden und dem Süden des Landes schon lang ein Dorn im Auge. Unterschiedliche Perspektiven Als Jarven und die anderen ein Sommercamp mit Jugendlichen aus dem Norden und Süden ins Leben rufen, fasst er einen grausamen Plan. Wie Hjalmar sich in seine Allmachtsfantasien hineinsteigert, kann man im Buch nachlesen. Denn Boie erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven, lässt die Guten ebenso zu Wort kommen wie den Bösen. Böse Gedanken und schreckliche Taten Es sind vor allem Hjalmars Gedanken…
Natürlich sollen sie möglichst einmalig sein, die schönsten Reisen von Lonely Planet, möglichst erlebnisreich. Schließlich ist die Auswahl beschränkt. 50 solcher Reisen enthält der gleichnamige Band, alle einladend bebildert und relativ ausführlich von den Travellern der Buchreihe beschrieben. Frachtschiff und Fahrrad Eine Reise mit einem Frachtschiff ist dabei, eine auf einer Feluke aber auch eine Fahrt mit dem Campingbus, per Rad oder per Anhalter. Es wird getrampt und gewandert. Die – außereuropäischen – Ziele sind oft ziemlich exotisch und nicht ganz einfach zu erreichen. Wer den Berggorillas in Ruanda begegnen und sich „wie in einer Szene aus dem Jenseits“ fühlen will, darf nicht klamm sein. Das Erlebnis ist teuer erkauft. Die Information gehört eigentlich in die „Reiseplanung“, die bei jeder Reise am Ende steht. Der Zug und der Krieg Die Fahrt mit der Transsib von Peking nach Moskau dürfte derzeit nicht möglich sein – auch nicht von China aus. Wer will schon in Kriegszeiten durch Russland reisen? Da kann die Reise „in all ihrer Langsamkeit“ noch so faszinierend sein. Dann schon eher zu den 100-Jährigen nach Okinawa, die meist „verschmitzt“ dreinblicken. Nach Brasilien „low budget“ mit dem Rio-Kosmos im Zentrum. Oder nach Kuba „à la Hemingway“, wenn auf der Insel…
Mit Leonard Cohen in Montreal, mit Janis Joplin in San Francisco oder mit Amy Winehouse in London. Beim Besuch im Chelsea Hotel in New York, das Cohen besang, könnte man noch so manche Berühmtheit treffen: Arthur Miller war hier, Mark Twain, Charles Bukowski und Jack Kerouac. Ihm kann man auch auf einer Wanderung im North-Cascades-Nationalpark im Washington State folgen. 500 Streifzüge auf den Spuren berühmter Musiker, Maler und Schriftsteller versammelt der gleichnamige reich illustrierte Band aus dem Knesebeck Verlag. In der Hauptsache englisch Der Schwerpunkt liegt auf Nordamerika und Großbritannien, die Herausgeberin Kath Stathers lebt in London wie die meisten der Autoren. Und in London ist auch die Originalausgabe erschienen. Das erklärt, warum sich mehr als die Hälfte dieser anregenden Streifzüge in englischsprachigen Ländern befinden. Aber die Welt ist groß und überall leben und lebten inspirierende Menschen. Wer sich ihnen auf diesen Streifzügen nähert, sieht die Orte aus einer anderen Perspektive. Wanderungen und Hausbesuche Manchmal sind es Wanderwege wie der Che-Guevara-Trail in Bolivien, der Writers‘ Way auf den Spuren von Jane Austen, der Shakespeare‘s Way von Stratford-upon-Avon nach London oder der Rilkeweg bei Triest. Gabriel Garcia Márquez kommt man im kolumbischen Aracataca näher, das er im fiktiven Macondo porträtiert hat….
Thomas Manns „Zauberberg“, vor 100 Jahren erschienen, beschäftigt die Literaturszene bis heute. Auch Norman Ohler hat sich des Romans angenommen – und seinem Roman den ambitionierten Titel „Der Zauberberg, die ganze Geschichte“ gegeben. Schon etwas hoch gegriffen für diese autofiktionale Geschichte, in deren Mittelpunkt der Skiurlaub eines Vaters mit seiner Teenie-Tochter steht. Skiurlaub und Steuer Darum geht es: Ohler oder sein alter ego macht mit seiner 14-jährigen Tochter Suki Skiurlaub im Hotel Schatzalp oberhalb von Davos. Da, wo auch Thomas Manns „Zauberberg“ teilweise spielt. Begleitet werden Vater und Tochter von zwei Freundinnen Sukis und deren Müttern. Während die Mädchen beim feschen Skilehrer Hansi „Pizza-Fahren“ lernen, beschäftigt sich der leicht liebeskranke Vater mit dem Gedanken, wie er den teuren Skiurlaub von der Steuer absetzen könnte. Der Ort und seine Geschichte Er kifft ein bisschen, schaut in den Zauberberg und beschäftigt sich mit der Geschichte des Ortes. Dass diese Bergdörfer früher mal bettelarm waren, weiß man eigentlich. Aber Ohlers Erzähler muss dafür erst einmal in die Dokumentationsbibliothek, wo er auf die Urväter des Davoser Erfolgs stößt, den Arzt Alexander Spengler, der den Luftkurort Davos für Tuberkulosekranke erfunden hat und den Fabrikanten Willem Jan Holsboer, der dafür sorgte, dass der aufstrebende Kurort an…