Glücklich im Draußen
Reisebücher , Rezensionen / 7. Mai 2024

Christo Foerster lebt am liebsten draußen, weil er das am besten findet. Dazu muss er nicht einmal weit reisen. Viele Möglichkeiten findet der Begründer der Mikroabenteuer-Idee vor der Haustür. In seinem neuen Buch „Am besten Draußen“ will Foerster seine Mitmenschen davon überzeugen, dass Draußensein nicht nur gesünder ist, sondern auch glücklich macht. Dabei schreibt er nicht nur über seine persönlichen Erlebnisse etwa bei seiner Tour von der Zugspitze bis nach Sylt, oder über Untersuchungen, die seine Idee bestätigen, er gibt auch Tipps, wie sich Draußensein am besten in den Alltag integrieren lässt. Verlassen der Komfortzone Kein Wunder also, dass Christo Foerster auch für eine Draußen-Schule, einen Draußen-Kindergarten plädiert, um schon Kindern die Bedeutung von Naturkontakten zu vermitteln. Dafür fordert er mehr „Achtsamkeit“, was er auch als mehr Aufmerksamkeit für das eigene Selbst interpretiert. Dabei helfe das Draußensein – auch in extremer Form wie beim Eisbaden -,  das Verlassen der Komfortzone. Mehr Nähe zur Natur Längst ist Foerster nicht mehr allein mit seinem Plädoyer für Mikroabenteuer und Nähe zur Natur. In seinem Buch stellt er Menschen vor, die auf ihre Weise im Draußen glücklich sind: Ein Ehepaar, das kurzerhand das Schlafzimmer nach Draußen verlegt hat – auch im Winter; einen Abenteurer,…

Gücksgefühle in Gartenlandschaften
Reisebücher , Rezensionen / 2. Mai 2024

„Gärten machen glücklich“, das ist das Motto dieses anregenden Bildbandes, der in die Gärten der Welt führt und 60 ganz besondere Orte vorstellt. Mit der Reihe „Happy Places“ will Lonely Planet Reisende dazu einladen, sich von außergewöhnlichen Orten verzaubern zu lassen. Und schöne Gärten sind ganz gewiss Orte, die Glücksgefühle jenseits des Alltags versprechen. Klostergärten etwa, Botanische Gärten aber auch Naturschutzgebiete, Friedhöfe und künstlerische Parks. Verzauberung und Exzentrik Der Jardin Majorelle zum Beispiel, geschaffen vom französischen Künstler Jacques Majorelle in Marrakesch und später von Yves Saint Laurent gepflegt – eine üppige, farbgesättigte Oase mit einem sanft plätschernden Brunnen und einem Seerosen-Teich inmitten einer trockenen Landschaft. Oder – weltberühmt – Monets Garten in Giverny. Für den Künstler eine Quelle der Inspiration, für die Besucher ein Ort der Verzauberung. Viel exzentrischer ist Brief Garden auf Sri Lanka, den Bewis Bawa, der ältere Bruders von Sri Lankas Stararchitekt Geoffry Bawa, auf der Kautschukplantage der Familie verwirklicht hat. Eine künstlerische Spielwiese mit seltsamen Skulpturen, grotesken Masken und viel Wasser. Wasser und Wüste Wasser ist ein wichtiges Gestaltungselement in Gärten. Besonders schön sind die Springbrunnen im Renaissance-Garten der Villa d‘Este in Tivoli bei Rom mit den Wasserspielen und magischen Spiegelungen. Aber auch eine Wüstenlandschaft kann…

Einblick ins Monster Universum
Reisebücher , Rezensionen / 23. April 2024

Sandra Schulz hat ihre Erfahrungen mit Wohnmobilreisen schon in Spiegel-Kolumnen verarbeitet. Jetzt also auch ein Buch über die Monster Touren mit netten Tipps für Nachahmer und viel Selbst-Ironie. Übers Leben lernen Beim Campen, findet die Autorin in der Einleitung, „kann man viel übers Leben lernen… Man lernt auszuhalten, dass zusammenkommt, was nicht zusammenpasst: die Sehnsucht nach Freiheit und die Nähe zum Stellplatznachbarn, das Bedürfnis nach Privatsphäre und die Öffentlichkeit des Intimen, der Wunsch nach Individualität und die Gesetze der Tourismusindustrie, der Drang nach Originalität und das Diktat der Massenware. Und vielleicht der krasseste Widerspruch: das Bedürfnis nach Erholung und der Urlaub mit der Familie.“ „Bezaubernde Widrigkeiten“ Das gilt insbesondere für ihre Familie, denn die dritte im Bund ist das Töchterchen mit Down-Syndrom. Die Kleine sorgt für „Tage voller bezaubernder Widrigkeiten“ und die beschreibt Sandra Schulz umwerfend ehrlich und mit kaum nachlassendem Humor. Da tut es dann auch der Liebe zum fahrbaren Monster keinen Abbruch,  wenn an einem Weihnachtsabend „alle mit heiligem Zorn ins Bett“ gehen. Am nächsten Tag ist sowieso alles wieder anders. Es macht auch nichts, wenn eine nahe Jauchegrube beim Campingplatz für dicke Luft sorgt oder wenn die Nachbarin grenzüberschreitend ihre Markise ausfährt. Übung in Toleranz Das Camperdasein…

Holocaust: Fenster in die Fantasie
Kinderbücher , Rezensionen / 17. April 2024

Was wäre, wenn… fragt sich Neal Shusterman, der Schriftsteller mit jüdischen Wurzeln, in dem Buch „Fenster in der Nacht“. Was wäre, wenn Märchen wahr würden. Wenn sich zum Beispiel ein Fenster in rettende Welten öffnen würde, jenseits aller Verfolgung durch Nazis. Wenn ein neuer Golem aus Asche Menschen vor den Gaskammern bewahren würde. Oder wenn die russische Hexe Baba Jaga die Widerständler unterstützen würde. Geschichten der Hoffnung Fünf Geschichten über den Holocaust erzählt Shusterman in dieser Graphic Novel, für die der texanisch-mexikanische Cartoonist Andrés Vera Martínez die Illustrationen geschaffen hat. Ein Zauberstab macht Schwache stark, eine Kristallmuschel erweckt Tote zum Leben… Hier darf sein, was nicht sein kann. Denn diese Geschichten sind allesamt Geschichten der Hoffnung. Magische, märchenhafte Geschichten über Menschlichkeit und Mut. Geschichten, die gerade in unserer Zeit mit dem wachsenden Antisemitismus wieder so wichtig sind. Fantasy und Holocaust Neal Shusterman hat etwas getan, was so gar nicht naheliegend war,  ja was fast schon wie ein Frevel wirkt.  Er hat Fantasy mit dem Holocaust vermischt. So gelingt es ihm, auch ein Publikum anzusprechen, das sich kaum mehr für die Judenverfolgung des Dritten Reichs interessiert. Einen großen Anteil daran hat auch Martínez, der mit seinen kraftvollen Illustrationen eine längst vergangene…

Entlarvender Sommerabend
Rezensionen , Romane / 17. April 2024

Ein Sommerabend, das klingt harmlos, ja einladend. Doch in Cécile Tlilis gleichnamigem Romanerstling werden an diesem Sommerabend ganze Lebensentwürfe zertrümmert. Die Pariserin inszeniert ein fesselndes Kammerspiel mit vier Personen, zwei Paaren. Gegensätzliche Paare Die Männer, Etienne, der attraktive Gastgeber, und der eher unscheinbare Rémi, kennen sich aus Studienzeiten. Der eine kommt aus einer angesehenen Familie und ist wie sein Vater Anwalt. Der andere hat sich das Studium hart verdienen müssen und ist Lehrer geworden. Doch für Rémi hat sich mit der Beziehung zu der gebürtigen Tunesierin Johar alles geändert. Denn die ehrgeizige Johar hat sich zäh nach oben gekämpft – auch gesellschaftlich. Auf die junge, schüchterne Claudia, die neueste Eroberung des Frauenlieblings Etienne, wirkt die Karrierefrau einschüchternd. Umso mehr bemüht sie sich, die Einladung zu einem Erfolg zu machen. Unterschiedliche Aussichten Doch das schafft nicht einmal ihre gute Küche. Von Anfang an liegt eine fiebrige Spannung in der Luft: Johar steht vor einem neuen Karrieresprung, und Claudia hat erfahren, dass sie schwanger ist. Gegensätzlicher könnten die Aussichten für die beiden Frauen nicht sein. Das wird nicht so bleiben, auch wenn Johar der Versuchung nicht widerstehen kann, den anderen ihren möglichen Aufstieg an die Spitze des Konzerns zu verraten. Egoistische Pläne…

Jenseits von Landlust
Rezensionen , Romane / 16. April 2024

Martina Bogdahn weiß, wovon sie schreibt. Das spürt man vor allem in den eindringlichen Schilderungen des Landlebens in ihrem ersten Roman „Mühlensommer“. Die Fotografin ist in Weißenburg geboren und auf einem Einödhof aufgewachsen. Die Ähnlichkeiten mit der Protagonistin des Romans sind also nicht zufällig. Wie die Ich-Erzählerin Maria hat Martina Bogdahn dem elterlichen Hof den Rücken gekehrt, um zu studieren und später in München zu leben. Zwischen Stadt und Land Was sie in „Mühlensommer“ thematisiert, kennt sie selbst: Das Leben zwischen zwei Welten und die Sehnsucht nach Heimat. Dabei ist die Mühle, die im Mittelpunkt des Romans steht, alles andere als heile Welt. Das Geld ist knapp, auch die beiden Kinder Thomas und Maria müssen mithelfen – bei der Ernte, beim Hopfenzupfen, auch beim Schlachten. Die Eltern haben wenig Zeit für die Kinder, die Oma führt ein strenges Regime und entspricht so gar nicht den kindlichen Vorstellungen einer liebevollen Großmutter. Im Gegenteil, als Maria sich über die ersten Katzenbabys freut, werden sie von der Oma ertränkt. Nur keine Sentimentalitäten. Vertraute Gerüche Maria hat sich weit entfernt von diesem Leben, ist in der Großstadt angekommen und hat dort auch arrivierte Freunde gefunden. Die zwei Töchter sind Mode affin und haben keine…

Wunschstein und Liebesschloss
Reisebücher , Rezensionen / 16. April 2024

Irland ist für viele Sehnsuchtsziel. Wie einst Heinrich Böll haben sie auf der grünen Insel ihr Glück gefunden. Wer noch auf der Suche ist, bekommt Hilfe von der Reisebuchautorin Cornelia Lohs. 80 „Glücksorte in Irland“ verspricht sie und gerät schon beim Vorwort ins Schwärmen. Glück an der Westküste Wer ihr durch die 167 Buchseiten folgt, wird mit Sicherheit fündig, wenn auch vor allem an der Westküste. Hier hat  Cornelia Lohs nicht nur grandiose Landschaften erkundet, sie hat auch magische Plätze gefunden, sich in die irische Sagenwelt vertieft und in die Kunstwelt der Moderne. Sie hat himmlische Aussichten genossen und irdische Genüsse. Sie ist in der City gepaddelt, im Park geradelt und hat im Doppeldecker-Bus Sightseeing mit Tee und Scones ausprobiert. Liebesschloss Kylemore Abbey Es gibt viel zu sehen und zu erleben auf der grünen Insel und damit auch viele Möglichkeiten, glücklich zu sein. Vielleicht ganz besonders beim „Schloss der Liebe“, Kylemore Abbey in Connemara. Ja, auch Irland hat so etwas wie das indische Taj Mahal. Auch Kylemore erinnert an eine unsterbliche Liebe, wie Lohs schreibt: Der Arzt Mitchell Henry hatte für seine geliebte Frau Margaret das 50-Zimmer-Schloss errichten lassen. Als die neunfache Mutter mit nur 45 Jahren bei einer Ägypten-Reise…

Abgründe in der Maremma
Rezensionen , Romane / 15. April 2024

„Hinter verschlossenen Türen“, so auch der Titel des Romans von Sacha Naspini, passiert so einiges, was das Licht der Öffentlichkeit scheut. Der Autor, der selbst aus Grosseto kommt, öffnet die Türen des fiktiven Dorfes Le Case in der Maremma für eine staunende und immer wieder auch schockierte Leserschaft. Naspini hat ein vielstimmiges Porträt eines sterbenden Ortes geschrieben, rau und rücksichtslos. Bösartiger Chor Im Zentrum der Geschwätzigkeit steht Samuele, der Waisenjunge, der Le Case den Rücken gekehrt hatte und nach einer Mordankläge zurückgekommen war. Um ihn ranken sich viele der Geschichten. Lügenmärchen, Erinnerungen, Verleumdungen. Samuele ist so etwas wie der rote Faden in diesem vielstimmigen, oft bösartigen Chor. Dass er anders war als die wenigen gleichaltrigen Jungs im Dorf, erfährt man, dass er Schach geliebt hat, und wohl auch seine Großmutter, bei der er nach dem Verschwinden seiner Mutter aufgewachsen ist. Geschichten vom Überleben Wer Samuele wirklich war, darf er selbst erzählen, kurz bevor alles zu Ende ist  – das Buch und Le Case. Doch davor konfrontiert Sacha Naspini die Lesenden mit der ganzen Boshaftigkeit der Dorfbewohner – und mit Geschichten vom Überleben. Wie die des deutschen Soldaten, den eine Mutter aus Le Case bei sich aufnahm, um aus ihm einen…

Teppichklopfer und Gemüsebürste
Reisebücher , Rezensionen / 9. April 2024

Doris Dörrie ist viel unterwegs – und immer bringt sie von ihren Reisen etwas mit nach Hause. Darüber schreibt die Filmregisseurin in dem Buch Die Reisgöttin und andere Mitbringsel . Sie muss schon eine ganze Souvenir-Sammlung haben mit vielen seltsamen Fundstücken – eine Gemüsebürste aus dem japanischen Kyoto, eine Strandglassammlung, das Modell eines menschlichen Gehirns aus dem Iran, eine Bachmuschel aus dem Allgäu und, ja auch das, einen Teppichklopfer aus einem Abbruchhaus. Die Reisgöttin und das Risotto Zur Feuerwehrmütze aus Tokio gibt‘s die Geschichte einer Katastrophe mit dazu. Und die balinesische Reisgöttin, die im Titel des Buches steht, darf im heimischen Haushalt über das Risotto Milanese wachen. Aber nicht alle Mitbringsel fühlen sich wohl in Dörries Zuhause. Der mexikanische Kaktus zum Beispiel, den sie in einer Plastiktüte mitgebracht hatte, „sieht sehr traurig aus seinem Topf auf die permanent verregnete Straße und sehnt sich nicht nur nach Sonne und dem mexikanischen Himmel, sondern wahrscheinlich auch nach der richtigen Musik“. Borotalco gegen Flecken Man erfährt so einiges über die Autorin, die sich in diesen kurzen Notizen nicht nur durch ihre Reisen, sondern auch durch ihr Leben pirscht. Dass sie schon als Kind eine rege Fantasie hatte. Dass sie in Italien Borotalco als…

Spiegelbild der Liebe
Rezensionen , Romane / 2. April 2024

Als Geisterbaron hat sich Albert von Schrenck-Notzing einen Namen gemacht. Bei den Séancen traf sich die Münchner Bohème. Auch Thomas Mann ließ sich beeindrucken, so sehr, dass er dem Freiherrn einen Auftritt in seinem „Zauberberg“ gönnte. Jetzt hat der Filmemacher Jan Schomburg dem schillernden Mediziner Schrenck-Notzings einen ebenso schillernden Roman gewidmet. Traumata und Voodoo Dafür spannt er einen weiten Bogen – vom Geisterglauben im Fin de siècle in München über den Ersten Weltkrieg und seine Traumata, aribische Voodoo-Rituale und ein Massaker in Haiti bis zum Aufkommen des Faschismus in Deutschland und seine zerstörerischen Folgen. Die große Liebe Und mittendrin der Freiherr, der die Kunst der Hypnose beherrscht und medial begabte Menschen dazu bringen kann, im Dunkeln schwebende Gebilde hervorzubringen. Ein Mann der Wissenschaft, so sieht er sich. Und ein Mann, der liebt. Ella, die Tochter aus reichem Haus, ist seine große Liebe. Eine selbstbewusste Frau mit ausgeprägtem Eigenleben. Existentielle Krise Während ihr Mann das Unbewusste erforscht, ist sie fasziniert vom Wunder des Fliegens. Ihr Tod stürzt Albert in eine existentielle Krise: „Alberts Liebe zu Ella war so tief in ihn eingeschrieben, so vielgestaltig mit seiner gesamten Existenz verknüpft, dass ihm die Vorstellung, es könnte ihn ohne diese Liebe geben, ganz…