Nina Polak stellt in ihrem Roman „Zuhause ist ein großes Wort“ die Ich-Erzählerin Skip vor eine existentielle Wahl. Skip fühlt sich am wohlsten auf dem Schiff und auf hoher See. Durch Zufall trifft sie in Frankreich wieder auf die Familie, mit der sie Kindheitserinnerungen verbindet. Und obwohl inzwischen sieben Jahre vergangen sind, fühlt sich die mittlerweile 30-Jährige in die Vergangenheit zurück katapultiert. Skip muss sich ihr stellen – am besten in Amsterdam, wo sie ihre Kindheit verbracht und bei der begüterten Familie Zeno so etwas wie Geborgenheit genossen hat.
Leben zwischen zwei Polen
Und wieder erliegt sie dem Charme dieser Familie, dem scheinbar unzertrennlichen Trio aus Patriarch Nico, Schauspielerin Mascha und dem scheuen Sohn Juda. Im Gartenhäuschen der Zenos fühlt sie sich fürs erste angekommen. Aufgewachsen ist sie mit ihrer depressiven Mutter Nellie in einem ärmeren Viertel der Stadt. Nellie und Mascha wurden die Pole, zwischen denen sich Skips Leben an Land abspielte. Und dann war Nellie tot, und Skip floh aufs Meer.
Aufgewärmte Liebe
Hat sie viel versäumt, fragt sich die junge Frau. Sie trifft Freunde, die sich verändert haben, und den Freund, der inzwischen anderweitig liiert ist. Und doch fühlt sich auch dieser Borg wie Heimkehr an. Skip kann nicht widerstehen. Die aufgewärmte Liebe führt zu einer Schwangerschaft, mit der sie sich auseinandersetzt, ohne Borg einzubeziehen. Auch die Entscheidung trifft sie allein. Denn Borg hat ihr Vertrauen enttäuscht, indem er ihre Liebesgeschichte in einen „Heftroman“ verarbeitet hat. Skip fühlt sich verraten.
Rückkehr ohne Zukunft
Womöglich war es von Anfang an klar, dass diese Rückkehr nicht auf Dauer sein konnte. Die Zenos brauchen das Gartenhäuschen für Nicos unausstehliche Mutter, und Skip fühlt sich vor die Tür gesetzt. Hat sie sich zuviel erwartet? Oder ist sie fürs Leben an Land nicht mehr geeignet und braucht die Freiheit auf dem Schiff und die Weite des Meeres? Mit dem flachen Land jedenfalls, wo ihre Mutter aufgewachsen ist, kann sie wenig anfangen: „Es ist eine Schönheit, zu der ich keinen Zugang finde, ich könnte mich in dieer trägen Landschaft nie verlieren, wie ich mich im Meer verlieren kann.“
Flucht aufs Meer
Nina Polak kann mit wenigen Worten viel sagen, und sie hat einen ganz eigenen Blick auf eine Generation, die ihren eigenen Weg erst noch finden muss. „Zuhause ist ein großes Wort“ wird aus der radikal subjektiven Perspektive von Skip erzählt, die sich schnell ein Urteil über andere bildet. Dabei ist sie nicht immer fair. Die eigene Unsicherheit kaschiert sie mit oft verletzender Ironie. Als alles gesagt scheint, als sie sich auch der schmerzhaften Erinnerung an Nellies Tod gestellt hat, bleibt Skip nur die Flucht aufs Meer. Und sie ist überzeugt: „Wir haben das Meer noch… mit all seinen Versprechen.“
Info Nina Polak. Zuhause ist ein großes Wort, mare, 271 S., 23 Euro
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