Der Preis der Integration

14. März 2024

Ein schönes Ausländerkind, so auch der Titel dieses Buchs von Toxische Pommes, war diese Ich-Erzählerin wohl. Angepasst, strebsam, blond und blauäugig. Aber halt immer noch Ausländerin, die nicht so richtig dazu gehört zu der österreichischen Gesellschaft. Das wird ihr spätestens dann klar, als ihr Lehrer, der sie mit Best-Noten überschüttete, ihrer Mutter davon abrät, die Tochter aufs Gymnasium zu schicken.

Eine Einwandererfamilie in Österreich

Ihren Ehrgeiz zur Anpassung hat das nicht gebremst. Sie geht aufs Gymnasium, studiert, ja promoviert. Im echten Leben ist Toxische Pommes, so das Pseudonym der Juristin, mit satirischen Beiträgen auf TikTok erfolgreich. In Zukunft vielleicht auch als Buch-Autorin. Denn der autofiktionale Roman „Ein schönes Ausländerkind“ erzählt böse und berührend zugleich die Geschichte einer Einwandererfamilie aus dem ehemaligen Jugoslawien, ihrer Familie.

Wohnen gegen Hausarbeit

Alles beginnt in Wiener Neustadt südlich der österreichischen Landeshauptstadt. Hier findet die Familie Unterschlupf in einem großbürgerlichen Haushalt. Wohnen gegen Hausarbeit ist der Deal, den die Hausherrin vorgibt. Vor allem die Mutter unterwirft sich dem strengen Regime.  Sie ist entschlossen,  erst einmal die Sprache ihres Gastlandes zu lernen und dann in ihrem Beruf Karriere zu machen.  Ehrgeizig wie sie ist auch die Tochter. Nur der Vater verweigert sich allen  Integrationsbestrebungen seiner Familie. Dabei sieht er doch gar nicht ausländisch aus, meint die übergriffige Hausherrin. Ohne die dunkelhaarige Mutter würden die Geflüchteten aussehen „wie eine echte österreichische Familie“.

Leben im Zwiespalt

Doch ist das wirklich das Ziel? Toxische Pommes, die ihren echten Namen nicht bekannt machen will, lässt den Zwiespalt ahnen, in dem Zugewanderte leben: „Nun weiß ich nicht, ob es mehr wehtut, aus seinen Wurzeln gerissen zu werden oder niemals Wurzeln geschlagen zu haben.“ Am Ende ist die Familie „angekommen“, die Mutter ist erfolgreich im Beruf, die Tochter in Schule und Studium. Sie haben eine große Wohnung und nach einigem Hin und Her auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
Nur der Vater ist sich selbst abhanden gekommen und findet nur im Heimaturlaub zu altem Selbstbewusstsein. „Was hat uns Österreich gekostet?“ schreibt Toxische Pommes, „Meinen Vater seine Stimme, meiner Mutter ihre Lebendigkeit. Und mich? – Meinen Vater.“

Der Vater als Sündenbock

Ist es das wert? Diese Frage zieht sich durch viele der Episoden, die Toxische Pommers erzählt. Manchmal schimmert Wut durch, Wut über die Zumutungen des Gastlandes und seiner Menschen, Wut auch über den Vater, für den sie sich schämt, weil er sich jeder Anpassung verweigert. Der Mann, der früher ihr bester Kumpel war, wird für das Mädchen zum Fremden, ja zum Sündenbock. „Nicht einen einzigen Tag hast du es geschafft, ein echter Vater für mich zu sein“, wirft sie ihm vor. „Du bist zu nichts zu gebrauchen… Ich schäme mich für dich.“

Episoden voll Witz und Wehmut

Die Familie implodiert. Auch das der Preis für die Integration. Toxische Pommers erzählt diese Geschichte mit entwaffnender Selbst-Ironie. Die Episoden, die sich zu einem kritischen Gesellschaftsbild fügen, sind manchmal rührend, auch lustig, dann wieder brutal aber immer aufrichtig. Ein „Balkan-Mosaik“ (Saša Stanišić) voller Witz und Wehmut und eine unbedingte Lese-Empfehlung.

Info Toxische Pommes. Ein schönes Ausländerkind, Zsolnay, 206 S., 23 Euro

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