Eisige Abgründe

26. September 2022

Wütende Bärin heißt dieser verstörende Roman von Ingeborg  Berg Holm. Und die norwegische Autorin gibt schon im Prolog die ebenso unterkühlte wie abschreckende Atmosphäre vor: „So wird die Leiche liegenbleiben, mit einem Fleckchen nackter goldener Erde um den angenagten Schädel. .. Und selbst wenn der Körper sich vollständig aufgelöst hat und die Knochen verwittert sind, wird der Nylonanzug fortbestehen. Eine fossile Plastikhülle in Menschenform, gekrönt von einem Glorienschein aus Pflanzen, wo der Kopf zu Erde geworden ist.“

Drei Perspektiven und ein Kind

Noch weiß niemand, wer von den drei Protagonisten die Leiche sein wird, die hier die Erde düngt. Es geht um Njal, Sol und Nina, die abwechselnd ihre Sicht der Dinge schildern. Vor allem aber geht es um Lotta, das Kind, um das die Gedanken der drei so unterschiedlichen Menschen kreisen.

Wunschwelt und Realität

Für Njal ist Lotta die Erfüllung seines nagenden Kinderwunsches, ein kleiner Mensch als Versprechen für die Zukunft. Für Nina, die auf Njal wegen ihres Körperumfangs wie ein „Fruchtbarkeitsfetisch“ wirkt, die aber nie Kinder wollte, war schon die Geburt ein Alptraum. Sie fühlt sich entfremdet und lehnt im tiefsten Inneren das Kind ab. Und Sol, die Njal wegen Nina verlassen hat? Die Pastorin mit den speziellen sexuellen Wünschen und den Fehlgeburten? Sie beneidet Nina und hätte Lotta gern für sich, um zusammen mit Njal eine Familie zu bilden.

Rosenkrieg mit Folgen

Zwischenzeitlich sind sie und Njal, der sich gerne an Wikinger-Inszenierungen beteiligt, einander wieder näher gekommen. Zwischen Nina und Njal entwickelt sich derweil ein Rosenkrieg mit üblen Unterstellungen, die Njals Existenz zu vernichten drohen. Und dann wird Sol schwanger. Ein neues Leben scheint wieder möglich.

Tierische Vorzeichen

Doch alle Vorzeichen deuten darauf hin, dass die Hoffnung vergeblich ist. Ingeborg Berg Holm arbeitet mit einer starken, mit Symbolen aufgeladenen Sprache. Schon wegen des Prologs durchzieht den Roman von Anfang an ein Unbehagen, das durch gefährliche Begegnungen mit Tieren noch verstärkt wird. Der Eisbär oder die Eisbärin, die das Ende in der Hütte  am Rand der Zivilisation herbeiführt, überlebt. Die Ratte in Ninas Küche nicht, auch nicht die Schlange, die Njal versteinern lässt.

 

In der unerbittlichen Natur des Nordens, in Dunkelheit, Kälte und Einsamkeit manifestieren sich nur mühsam von der Frinis der Zivilisation überdeckte menschliche Abgründe.  Ingeborg Berg Holm ist ein fesselnder, unerschrocken harter Roman gelungen.  Wer sich der – lohnenden – Lektüre aussetzt, sollte keine Angst vor Alpträumen haben.
Info Ingeborg Berg Holm. Wütende Bärin, KJM, 358 S., 22,20 Euro

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert