Vito hat Probleme mit seinem Leben oder das Leben hat Probleme mit ihm. Die Freundin hat ihn verlassen, seine Wohnung ist kalt und trist. Mit 30 Jahren fühlt sich Vito „super einsam“, so auch der Titel dieses aufwühlenden Debüts von Anton Weil.
Angst und Trauer
Vitos Vater ist zwar Diplom-Psychologe, tut sich aber schwer, sich auf den Sohn einzulassen. Da fehlt die Mutter, die an Krebs gestorben ist, als Vito 17 war. Dass sie schon früher eine Affäre hatte, als er noch ein kleiner Junge war, wird ihm erst später bewusst. Schon damals hatte er Angst, sie zu verlieren. Die Trauer über ihren Tod begleitet ihn auf seinem Weg ins Erwachsenen-Dasein:
„Eine Woche vor ihrem Tod stehe ich mit ihr auf dem Friedhof am Südstern. Ich soll die Stelle aussuchen.
Warum hält mich keiner?
Mama versucht es, Mama berührt mich, streichelt mich, aber gibt keinen Halt, kann ja selbst kaum stehen, wir kippen. Sie ist zu schwach, gar nicht mehr ganz da.“
Die Lücke im Hirn
Das Verlustgefühl hat ihn seither nicht mehr verlassen. Vielleicht ist er auch deshalb so unfähig, sein Leben auf die Reihe zu bringen. Auch als Schauspieler versagt er, vergeigt seine Termine. Nur am Tresen in der Eckkneipe kann er seine Einsamkeits-Probleme in Bier ertränken. Eigentlich ist er ja ein netter Kerl, nur so voller Verzweiflung, dass er das reale Leben mit seinen Tagträumen verwechselt. „Eine Lücke in meinem Hirn“, konstatiert er mal. Die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen so immer mehr. Vito kippt in eine Art Ausnahmezustand. Oder ist es nur ein ständiger Rausch?
Sogartiger Bewusstseinsstrom
Anton Weil beschreibt dieses scheiternde Leben in einem langen Bewusstseinsstrom, der einen starken Sog entwickelt und in seiner tiefen Traurigkeit auch Ansteckungsgefahr birgt:
„Schwermut tippt mir auf die Brust, vorsichtig sein, jetzt, gerade hast du kurz aus dem Tal rausgelugt, Vito. Alles ist okay. Du bist noch da. Aber vielleicht ist genau das ja das Problem. Entrückt von der Welt, verlassen von den guten Geistern, noch da, wo alle weg sind.“
Leiden am Leben
Anton Weil ist selbst Schauspieler, Sprecher und Musiker. Vielleicht hat er in „Super einsam“ aus den eigenen Erfahrungen geschöpft – Erfahrungen aus einer Zeit, als er noch seinen eigenen Weg gesucht hat. In seinem Debüt jedenfalls erzählt er fast schmerzhaft ehrlich von der Suche nach einer eigenen Identität, von der Sehnsucht, dazu zu gehören, von toxischer Männlichkeit und sexuellen Verwirrungen, vom Leiden am Leben. Keine leichte, aber eine erhellende Lektüre.
Anton Weil. Super einsam, kein & aber, 239 S., 22 Euro
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