Kryptisches um Montecrypto

8. April 2021

Der ehemalige Spiegel-Redakteur und Wirtschaftsjournalist Tom Hillenbrand kann scheinbar alles: Krimis mit Luxemburg-Flair um den eigenwilligen Koch Anselm Kiefer, Science Fiction („Hologrammatica“, „Cube“) und jetzt auch noch ein Finanzthriller, der in der Welt der Krypto-Währungen spielt und nicht mit Anspielungen auf den Namensgeber spart: Montecrypto.

Grundwissen zu Krypto-Währungen

Das klingt kryptisch? Ist es auch. Aber keine Angst: Hillenbrand versteht sein Geschäft und vermittelt in seinem 440-Seiten-Thriller so ganz nebenbei auch Grundwissen zu den Krypto-Währungen. Schließlich muss sich auch Ed Dante erstmal in die Materie einarbeiten. Der Privatermittler und ehemalige Wall-Street-Broker nennt sich zwar Spezialist für „Financial Forensics“, hat aber wenig bis keine Ahnung von Bitcoins, Blockchain & Co.

Ein lukrativer Auftrag

Doch die braucht er für den lukrativen Auftrag, den die Schwester eines kalifornischen Start-up-Unternehmers für ihn hat.  Der Krypto-Investor Greg Hollister ist mit seinem Flugzeug über dem Golf von Mexiko abgestürzt. Dante soll  Hollisters „Schatz“  finden, den dieser womöglich in Krypto-Währungen angelegt hat.

Der Heilige mutierte zum Leibhaftigen

Ohne die (Nach)Hilfe der smarten Bloggerin Mercy Mondego sähe der Ermittler  ganz schön alt aus: „Greg Hollister war, so erklärt Mondego, einst einer der Helden der Kryptobewegung. Ohne seine Pionierarbeit gäbe es digitale Währungen in ihrer jetzigen Form vielleicht gar nicht. Doch irgendwann mutierte Sir Holly, der Erlös-Erlöser, zum Leibhaftigen, zumindest aus Sicht jener Anarchokapitalisten und Libertären, die den Kern der Krypto-Community bilden.“

Nachrichten aus dem Jenseits

Und jetzt schickt Sir Holly seiner globalen Fangemeinde makaber inszenierte Nachrichten aus dem Jenseits. Sie führen zu einem Wettrennen um „Montecrypto“, den inzwischen legendären Schatz Hollisters. Dank Mondego und seiner literarischen Vorbildung hat Dante dabei meist die Nase vorn, kann aber nicht verhindern, dass es Tote gibt.

Inspiration aus dem Silicon Valley

Der Journalist Tom Hillenbrand hat sich bei der Zeichnung des Krypto-Unternehmers gleich von Elon Musk ebenso inspirieren lassen wie von Steve Jobs, beide gleichermaßen genial und weltfremd. Das Plot ist eher einfach gestrickt und relativ früh durchschaubar, aber: Allein schon die Geschichte der Krypto-Währungen und so manche Hintergründe finanzieller Transaktionen sind spannend genug, um Dantes Ermittlungen die ungeteilte Aufmerksamkeit der Lesenden zu sichern.

Hineingelesen…

… in die Welt der Banken

Dante erreicht das Fed-Gebäude, das einen ganzen Blick einnimmt. Es sieht aus wie ein italienischer Renaissancepalazzo, den man zu einem Geldspeicher umgebaut hat: Hohe wehrhaft anmutende Wände, auf dem Dach kleine Türme. Die mehrere Meter hohen Fenster sind allesamt vergittert. Viele Menschen glauben, der Grund für diese Festungsarchitektur sei, dass die New Yorker Fed immense Summen Bargeld horte. Diese Annahme offenbart ein grundlegendes Missverständnis in Bezug auf Notenbanken, ja Banken überhaupt.
An der Ecke Liberty und Nassau bleibt Dante stehen, reckt den Hals, um das gesamte Gebäude betrachten zu können. Erstaunlich viele Menschen hängen noch immer der Vorstellung an, Banken passten auf das ihnen anvertraute Geld auf, verwahrten all die Dollar und Euro in einem großen Safe oder auf einer gut gesicherten Festplatte.
Sie tun nichts dergleichen. Gibt ein Kunde seiner Bank tausend Euro, landet nicht ein Cent davon im Tresor. Die Bank verleiht den Tausender weiter, noch bevor der Kunde durch die Drehtür ist. Das Geld bekommt ein anderer Kunde oder andere Bank, die das Geld erneut verleiht, und die nächste wieder und immer so weiter.
Viele glauben, die Keller der Fed seien voller Gold, mit dem der Dollar abgesichert werde. Aber wie all die Coiner nicht müde werden zu betonen, ist ein Dollar letztlich ein ungedeckter Scheck. Hinter dem Greenback stehen keine Werte. Er ist, um diesen neumodischen Ausdruck zu verwenden, kein Stablecoin.
Vermutlich sind die Medien schuld. In den Nachrichten heißt es stets, die Zentralbank „werfe die Notenpresse an“ oder „flute den Markt mit frischem Geld“. Also ist es vielleicht nachvollziehbar, dass die Leute an Goldbarren und nagelneue Scheinchen denken, die sich in irgendwelchen Tresoren stapeln. Aber wenn die Fed mehr Geld ins System pumpen will, sagt sie den Banken einfach, sie sollen mehr Kredite vergeben, an jeden Hinz und Kunz. Die Fed pumpt nicht. Sie lässt pumpen.

Info Tom Hillenbrand. Montecrypto, Kiepenheuer & Witsch, 450 S., 16 Euro

 

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