Mit dem Rad übers Polarmeer

10. Januar 2023

20 Grad am ersten Tag des Neuen Jahres. Es ist viel zu warm für diese Jahreszeit. Wer sich da nach Eiseskälte sehnt, kann sich mit dem Berliner Richard Löwenherz auf ein eisiges Abenteuer begeben. In dem Buch „Eis Abenteuer Einsamkeit“ hat er seine Reise mit dem Fahrrad in die Sibirische Arktis beschrieben. Auch wenn Putins Krieg es derzeit unmöglich mahct, diese Tour, die zwischenzeitlich in eine Tortur ausartet, selbst zu unternehmen: Schon die Lektüre jagt den Lesenden kalte Schauer über den Rücken.

Minustemperaturen um die 50 Grad

Alles beginnt in Jakutsk, der kältesten Großstadt der Welt, wo immerhin 300 000 Menschen leben – unbeeindruckt von Minustemperaturen um die 50 Grad. Richard Löwenherz scheint sich diesen Bedingungen angepasst zu haben. Er ist alles andere als ein Warmduscher, schläft auch bei winterlichen Temperaturen unterm Sternenzelt und radelt bei zweistelligen Minusgraden vergnügt durch Eis und Schnee über die russischen Winterstraßen.

Über die Eisdecke des Arktischen Ozeans

Diese „Zimniks“ sind nur befahrbar, wenn Flüsse, Seen und Sümpfe zugefroren sind. Für den Abenteurer eine faszinierende Vorstellung. Sein Ziel nach mehreren Hundert Kilometern über das Eis gefrorener Flüsse ist Tiksi. Dorthin kommt man nach 200 Kilometern nur über die Eisdecke des Arktischen Ozeans. „Wo hat man so etwas sonst noch auf der Welt?“ fragt Richard Löwenherz. „Tatsächlich nirgendwo.“ Grund genug für ihn, das Fatbike zu satteln und sich schwer beladen auf den Weg zu machen.

Männerwelt in der Einsamkeit

Immer wieder hat der Berliner in der Einsamkeit Begegnungen mit gastfreundlichen Menschen: „Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu zu geben: je abgeschiedener ein Gebiet, desto größer die Hilfsbereitschaft der dort lebenden Menschen.“ Arbeiter laden ihn in ihre bescheidene Unterkunft, Lkw-Fahrer in ihr Feier- und Trinkrunde. Es ist eine Männerwelt. Nur in den spärlichen Siedlungen trifft der Abenteurer auf Frauen – und auf die russische Bürokratie.

Unter Spionageverdacht

In den Behörden will niemand so recht glauben, dass Richard Löwenherz nur aus Lust an der Herausforderung in der eisigen Wildnis unterwegs ist. Die Sorge, er könnte ein Spion sein, kann er nicht ganz ausräumen. Schließlich sieht er auch so einiges, das nicht für fremde Augen bestimmt ist: zerstörte Vegetation, vernarbte Landschaften, verseuchter Boden. Eine „Spur der Verwüstung“, die die Förderung sibirischer Bodenschätze hinterlassen hat.

Im Bann des Nordens

Trotz aller Widrigkeiten ist Löwenherz glücklich in der Einsamkeit. „Ich lebe hier meinen Traum auf meine Weise“, bekennt er fast trotzig. Das Ziel Tiksi ist nach der langen Reise schon nicht mehr so wichtig. Für Richard Löwenherz ist der Weg das Ziel. „Der sibirische Norden – er hat mich voll in seinen Bann gezogen!… Ein Teil von mir bleibt dort.“

Die andere Seite Russlands

Wer das Buch heute  liest, weiß, dass Richard Löwenherz Geduld braucht, bis er wieder in Russlands Kältekammer aufbrechen kann. Aber seine Erfahrungen und die fantastischen Aufnahmen zeigen, dass dieses Riesenland auch andere Gesichter hat als das des Kriegsherrn Putin.

Info Richard Löwenherz. Eis Abenteuer Einsamkeit, Delius Klasing, 160 S., 24,90 Euro

 

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