Rüdiger Nehberg, der Menschenfreund

7. April 2020

Rüdiger Nehberg, der am 1. April im Alter von 84 Jahren gestorben ist, wurde zu Unrecht auf das Image eines „Käferfressers“ und Überlebenskünstlers reduziert.  Er war Globetrotter, Abenteurer, und vor allem Menschenrechtsaktivist.  Und er hat ein Buch hinterlassen, das sein Leben erzählt: „Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen“.

Im Tretboot über den Atlantik

Natürlich erzählt er auch da von seinen vielfältigen Abenteuern, davon, wie er den blauen Nil befahren hat, in einem Tretboot und im Einbaum den Atlantik überquert hat und wie er mehrfach dem Tod um Haaresbreite entkommen ist. Doch wichtig ist dem gelernten Bäcker und Konditor im Rückblick auch Dankbarkeit für das, was er auf seiner extensiven Suche nach dem Leben erfahren durfte: „Momente, die mir einmal mehr das Glück bewusst machen, ausgerechnet in Nordeuropa zu leben, in all dem Wohlstand, dem gemäßigten Klima, der Demokratie, der Pressefreiheit, den Bildungsmöglichkeiten, des Friedens, des gemeinsamen Europas. Paradiesische Zustände, wie noch keiner unserer Vorfahren sie erleben durfte. Und ich verspüre die Verpflichtung, davon abzugeben an die, die unter solch erbärmlichen Umständen ihr Dasein fristen müssen.“

Ein Kämpfer für die Menschenrechte

Rüdiger Nehberg hat nicht nur abgegeben, er hat auch gekämpft: Für die Rechte der Yanomami im Amazonasgebiet und später gegen die Genitalverstümmelung von Frauen. Dieser Kampf hat den alternden Recken mit der Welt des Islam vertraut gemacht. Dass er sich für seine gute Sache vor allem mit Muslimen und dem saudischen Königshaus verbündet hat, hat ihm in der westlichen Welt wohl einige Sympathien gekostet. Doch  Rüdiger Nehberg ging es um die Sache, darum Mädchen vor der oft Tod bringenden und meist ein Leben lang behindernden Verstümmelung zu bewahren.  Einige besonders erschütternde Beispiele von Genitalverstümmelungen hat er in seinem Buch beschrieben.

Einblicke in die Denk- und Lebensweise

Es sollte ein Streifzug durch sein abenteuerliches Leben sein. Das ist es auch geworden – mit leicht chaotischer Chronologie, mit einigen Längen und mit vielen interessanten Einblicken in die Denk- und Lebensweise des Einzelkämpfers. Am wichtigsten in seinem Leben war ihm die Azhar-Konferenz mit islamischen Würdenträgern 2006 in Kairo. Auch weil die Beteiligten danach in einem theologischen Rechtsgutachten die Genitalverstümmelung zum Verbrechen erklärten. In seinem Kampf gegen dieses Unrecht suchte Rüdiger Nehberg bis zum Schluss Verbündete. Selbst den des Mordes an dem Journalisten Jamal Kashoggi verdächtigte saudische Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud hätte „Bäcker Rüdi“ gern für seine „Karawane der Hoffnung“ eingespannt. Zu einem Treffen kam es nicht mehr.
Dafür bekommt der engagierte Menschenfreund vielleicht eine Antwort auf die Frage, die ihn ein Leben lang umgetrieben hat: „Das einzig Unbegreifliche für mich ist, warum dieser geniale Schöpfer sich das Problem Erde und Menschheit an die Hacken gehängt hat.“ Das werde er ihn fragen, „wenn er mich zu sich ruft“. Dieser Ruf kam früher als es Nehberg erwartete.
Info: Rüdiger Nehberg. Dem Mut ist keine Gefahr gewachsen, Malik, 430 S., 22 Euro

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