Erinnerungsarbeit mit Nudeleintopf
Rezensionen , Romane / 30. Juni 2023

Wer „Das Restaurant der verlorenen Rezepte“ von Hisashi Kashiwai mit Genuss lesen will, sollte sich für die japanische Küche und die Kultur Japans interessieren. Sonst könnte der Episodenroman mit seinen immer gleichen Abläufen schnell langweilig werden. In Japan freilich ist das Buch ein Verkaufserfolg. Glück beim Essen Dort weiß man auch um die sozialtherapeutischen Möglichkeiten von Esslokalen. Im Restaurant der verlorenen Rezepte schöpfen der ehemalige Polizeibeamte Nagare und seine Tochter Koishi diese Möglichkeiten aus, um ihre Gästen mit lang entbehrten Geschmackserlebnissen glücklich zu machen. Der Geschmack der Vergangenheit Wer in das versteckte Restaurant findet, will seiner Vergangenheit noch einmal nachschmecken, will sich an seine Jugend erinnern, die erste Liebe, ein Gefühl der Geborgenheit. Und weil der Witwer Nagare bei der Recherche nach den verlorenen Rezepten ebenso pflichtbewusst vorgeht wie beim Kochen, erfüllen die Gerichte auch die Wünsche der Kunden: „Als nächstes griff Hisahiko nach der Miso-Suppe und trank aus der Schale. Ein kurzer Seufzer entwich seinen Lippen. Dann verrührte er mit den Stäbchen das Ei in der Suppe und trank noch einmal. Jetzt entspannte sich auch seine linke Wange. Er strich ein Stück Selleriekohl mit den Stäbchen glatt, legte es auf den Reis und spreizte die Stäbchen anschließend so, dass…

Von der Couch in die weite Welt
Reisebücher , Rezensionen / 21. Juni 2023

Silvia Schröer ist selbst Mutter.  Und sie weiß:  Man muss nicht unbedingt in ein Flugzeug oder in die Eisenbahn steigen, um auf Reisen zu gehen. Für unternehmungslustige Kinder und deren Eltern hat sie eine Idee, die sich kinderleicht umsetzen lässt: Zuhause auf Weltreise gehen. Wie soll das funktionieren? Gemeinsam Fernweh stillen Ganz einfach und ohne lästiges Kofferpacken, dafür mit viel Fantasie, Spielen und Rezepten. So kann die ganze Familie gemeinsam Fernweh stillen. Ob es nun nach Mexiko geht, nach Äthiopien, nach Japan oder Australien. Wichtig ist, dass man sich darüber informiert, wie das Traumziel aussieht, was es für eine Geschichte hat, wer dort lebt und wie die Natur aussieht. Dabei helfen Bücher und Filme, aber auch die kurzen Texte von Silvia Schröer, die Sagen und Märchen. Down Under mit Didgeridoo Und am besten träumt man sich mit der Musik des Landes dorthin. Nach Australien vielleicht mit Didgeridoo-Musik. Aber natürlich gibt es auch Lieder, die Down-under-Feeling wecken.  Mit einer Playlist hilft Silvia Schröer bei der Suche.  QR-Codes helfen dabei. Kostproben aus sechs Ländern Sechs Länder hat Silvia Schröer für ihre Weltreise-Empfehlungen ausgesucht. Und zu jedem Land hat sie wichtige Informationen, Playlists für die Musik, Bücher- und Filmlisten, Bastel und Spielideen. Und…

Doris Dörrie auf Heldenreise
Reisebücher , Rezensionen / 30. März 2022

Doris Dörrie ist bekannt als erfolgreiche Regisseurin und Drehbuchautorin.  Aber sie hat sich auch als Schriftstellerin einen Namen gemacht.  Ihr neues Buch heißt „Die Heldin reist“ und beginnt so: „Im Jahr 2019 bin ich in die USA, nach Japan und Marokko gereist. Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass es für längere Zeit die letzten Reisen gewesen sein sollten.“ Mythos Heldenreise Auf 240 Seiten beschäftigt  sich Doris Dörrie dann mit dem Mythos der Heldenreise, der bis heute männlich geprägt ist. Was aber ist, wenn Frauen reisen, fragt sich die Autorin. Werden sie auch zu Heldinnen, wenn sie Abenteuer bestanden, Krisen bewältigt haben? Abenteuer und Krisen hat Dörrie bei ihren vielen Reisen so einige bestanden – auch wenn sie sich nicht freiwillig exponiert hat. Sie hat einen Beinahe-Absturz überlebt, Anfeindungen, Belästigungen. „Ich bin nur gereist“ Ist sie deshalb schon eine Heldin? Nein, sagt Dörrie am Ende des Buches: „Ich bin keine Heldin, ich bin nur gereist.“ Und das leidenschaftlich gern. Auch wenn sie so manche Show durchschaut wie etwa in Marrakesch. Der Bucket-List-taugliche Djemaa al Fna ist für sie „eine erschöpfte Inszenierung all dessen, was der Tourist erwartet“. Touristin und Vielreisende Und als Vielreisende weiß sie auch, dass ihre Neugier auf…

Tokio ist – ganz anders
Rezensionen / 1. März 2019

Andreas Neuenkirchen ist mit einer Japanerin verheiratet, Vater einer kleinen Tochter und lebt in Tokio, Japans hässlich-schönster Stadt, wie er meint. Der Wahl-Tokioter hat sein Faible für alles Japanische schon mehrmals in Büchern verarbeitet, unter anderem in Krimis (mit Inspektor Sato). Kirschblüte am umstrittenen Schrein Diesmal nimmt er die Leser mit nach Tokio und macht sie vertraut mit allerlei Skurrilem wie Love-Hotels, Convenience-Stores, Karaoke-Kabinen oder dem Radfahrer-Slalom auf den Fußwegen und den Erdbeben sicher verankerten Möbeln. Natürlich auch mit dem Hype um die Kirschblüte, für Neuenkirchen so etwas wie Japans fünfte Jahreszeit. Offiziell eröffnet wird sie ausgerechnet am umstrittenen Yasukumi-Schrein, wo Japan seiner Kriegstoten gedenkt, darunter auch international verurteilter Kriegsverbrecher. Anders als Deutschland hat Japan wenig Probleme mit seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg, hat der Autor erfahren, der schon mal nach Hitler gefragt wird. Der Alltag als Vater Sein Buch über Tokio ist kein Reiseführer, der Insider-Tipps auflistet und Sehenswürdigkeiten abbildet. Neuenkirchen nimmt die Leser vielmehr mit in seinen Alltag als Vater, der sich unter „all den anderen Müttern“ behaupten muss und der seine „fünf Stunden Erwachsenenqualitätszeit“ auskosten will. Gerne stillt er seinen Hunger auch mal in einem Nudelrestaurant, genießt die Ruhe in einem Café und greift auch hin und…

Das Leben ist kein (Glücks)Spiel
Rezensionen / 6. Januar 2019

  Das Leben war schon schwer im von den Japanern besetzten Korea, in Japan selbst wird es manchmal unerträglich, ja, es kann sogar tödlich enden für die „Zainichi“, die Ausländer mit Wohnsitz in Japan – und speziell für die Koreaner. Sie sind geduldet aber verachtet, leben meist in Gettos und haben kaum Rechte. Ja, sie werden sogar gezwungen, einen japanisierten Namen anzunehmen, damit sie nicht abgeschoben werden. Nur für Schweine und Koreaner Für Sunja, die aus ärmsten Verhältnissen stammt und von dem reichen koreanischen „Geschäftsmann“ Hansu ein Kind erwartet, ist das neue Leben ein Kulturschock. Isak, ein engagierter Pastor, hat sie trotz der Schwangerschaft zur Frau genommen, und die beiden wohnen bei Isaks Bruder Yoseb und dessen Frau in ärmsten Verhältnissen: „Die Gegend taugt nur für Schweine und Koreaner,“ erklärt Yoseb den Neuankömmlingen. Noa, der Sohn, wird von Isak im christlichen Glauben erzogen, er ist ein fleißiges, ruhiges Kind. Als dann noch der gemeinsame Sohn Mozasu geboren wird, scheint das Glück der kleinen Familie trotz der trostlosen Umgebung vollkommen. Ein Leben am Rand der Gesellschaft Doch dann wird Isak von den japanischen Behörden, denen die Christen aus Korea ein Dorn im Auge sind, verhaftet. Sunja muss sich und ihre Kinder…