Der Po – von der Quelle bis zur Mündung
Rezensionen / 16. Juli 2018

„Das Schöne ist, über den Fluss zu fahren, ohne eine Spur zu hinterlassen, außer Erinnerungen und Wissen.“ Was der Freund am Ende dieser außergewöhnlichen Reise sagt, hat Paolo Rumiz von Anfang an vorgehabt. In dem Buch „Die Seele des Flusses“ schildert der italienische Autor, wie er zusammen mit wechselnden Freunden auf dem Po durch ein unbekanntes Italien gereist ist. Zunächst im Kanu, später mit einem Segelboot – auch mit Motor. Der Horror neben der Schönheit  Was die Freunde dabei gesehen und erlebt haben, war nicht immer schön, und doch war diese Reise für alle „ein großartiges Abenteuer“. 700 Kilometer haben sie auf dem Fluss bewältigt, auch die Verästelungen des Deltas. Sie haben sich nie gelangweilt aber hin und wieder geärgert über die Zumutungen der Menschen an den Fluss. Sie haben gesehen, „dass der Horror oft neben der Schönheit wohnt“ wie beim – abgeschalteten – Atomkraftwerk Trino, und sie sind der Seele des Flusses näher gekommen. Manchmal, notiert Rumiz, waren sie mit ihrem Boot weit weg von der Zivilisation wie sonst vielleicht nur auf dem Mekong oder auf dem Mississippi. Geschichten aus dem Fluss Und immer wieder fischt der Schriftsteller Geschichten aus dem Fluss, die er literarisch verarbeitet. Man folgt ihm…

Großvater in Gefahr
Rezensionen / 16. Juni 2018

Mörderisch geht es im Allgäu zu, seit Kult-Kommissar Kluftinger in der eher für ihre Berge und Schlösser berühmten Region ermittelt. Und das ist durchaus nicht nur ein Zeichen unserer Zeit, denn schon viel früher – zum Karrierebeginn des Kommissars – gab es dort Mord und Totschlag. So nachzulesen in „Kluftinger“, dem neuesten Titel des erfolgsverwöhnten Autorenduos Klüpfel und Kobr, der wieder einmal ganz oben in der Spiegel-Bestsellerliste steht. Zurück in Kluftingers Vergangenheit Und ganz sicher erfüllt der Wälzer auch die Erwartungen der Kluftinger-Fans. Denn er gewährt ihnen tiefe Einblicke in Kluftingers Vergangenheit bis hinein in seine – langhaarige – Jugend. Da freilich war der Polizistensohn aus dem Örtchen Altusried ein allzu braver Mitläufer in einer eher wilden Clique. Später dann ist er mit seinem Scharfsinn und seiner Kombinationsgabe aufgefallen und hat als „Kriminaler“ Karriere gemacht. Auch, weil er in einem brutalen Mord durch seine Verhörmethoden einen Mann als Täter überführt hat. Ein Nachruf auf den Kommissar Diese Geschichte und eine „Jugendsünde“ holen ihn jetzt wieder ein. Jemand scheint dem Großvater nach dem Leben zu trachten – auf ziemlich perfide Weise. In der Lokalzeitung erscheint ein Nachruf auf ihn, auf dem Friedhof steht sein Name auf einem Holzkreuz und Kluftinger-Sterbebildchen liegen…

Brunetti resigniert
Rezensionen / 18. Mai 2018

Bei Donna Leon rechnet man schon lange nicht mehr mit einem deftigen Krimi. Auch Brunettis 27. Fall macht da keine Ausnahme. Ja, es kommt ein Opfer vor. Aber lange wissen weder Brunetti noch die Leser wie der harmlose Buchhalter zu Fall gekommen ist. Der neue Fall reicht bis ins Privatleben Viel mehr Raum als die Ermittlungen in diesem Fall, der noch dazu das Privatleben des Commissario berührt, weil die Frau des Opfers mit Brunettis Ehefrau Paola befreundet ist, interessieren in diesem Buch der Alltag im von Touristen überrannten Venedig, das erstaunlich stabile Privatleben der Brunettis, die Intrigen rund um den Vize-Questore Patta, die Widersprüche in der Gesellschaft oder auch die Rolle der ebenso attraktiven wie rätselhaften Signorina Elettra, deren Schönheit nur vergleichbar ist mir der von Claudia Griffoni, der temperamentvollen Neapolitanerin. Beide Damen übrigens Brunetti herzlich zugetan. Wer versucht hier wen? So könnte der Titel „Heimliche Versuchung“ auch auf mögliche Techtelmechtel des Familienvaters mit einer der beiden Schönheiten hinweisen. Da legt Donna Leon gekonnt eine Fährte, die in die Irre führt. Eigentlich es geht um ganz andere Dinge, oberflächlich banale Unregelmäßigkeiten, die dem Staat viel Geld kosten. Wie entscheidet sich der Staatsdiener Brunetti? Für die Menschlichkeit oder für die Staatstreue?…

Wer war Jack Kerouac?
Rezensionen / 18. Mai 2018

„Für Leser in meinen Alter war Kerouac unsere eigene Stimme, das Sprachrohr unserer Seele, und in meiner Erinnerung bliebt er das bis ans Ende aller Tage – denn was sins Schriftsteller anderes als der Inbegriff der Zeit, in der sie uns begegnen, und das von da an für alle Ewigkeit?“ Er war das Beatnik-Idol, ohne ihn hätte man sich einen Bob Dylan,einen Donovan, wohl nicht vorstellen können: Jack Kerouac hat mit seinem Roman „On the Road“ das Lebensgefühl der Beat Generation eingefangen. Jetzt hat Anthony McCarten mit seinem Roman „Jack“ zugleich eine Annäherung und eine Distanzierung zu und von diesem „King of the Beats“ versucht, der im Alter von 47 Jahren starb – zerstört von Drogen und Alkohol. Gefährlicher Erfolg Der Roman, der Kerouac groß machte, trieb ihn auch in den Untergang. „Unterwegs“, so die deutsche Fassung von „On the Road“ ist autobiographisch geprägt, neben Kerouac selbst treten auch seine damaligen Freunde und Weggefährten auf: Allen voran Neal Cassady als Dean Mariarty. Hinter Carlo Marx wird Allen Ginsberg vermutet, hinter Old Bull Lee William S. Burroughs. Sind diese Romanfiguren tatsächlich identisch mit ihren realen Vorbildern? Eine Frage der Identität Auch Anthony McCarten geht es in seinem Roman vor allem um…

Baldwins schwarze Familiengeschichte
Rezensionen / 2. Mai 2018

James Baldwins „Von dieser Welt“ ist eine Familiengeschichte, die für viele andere in den 1930er Jahren stehen könnte. Der schwarze Schriftsteller, der als einer der wichtigsten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhundert gilt, erzählt in dem halb-autobiographischen Roman die Geschichte des jungen John Grimes, der in die Fußstapfen seines Stiefvaters Gabriel als Laienprediger treten soll. Erweckungserlebnis in der Hinterzimmerkirche  Baldwin bettet diese Geschichte in die Gebetsversammlung in einer Hinterzimmerkirche in Harlem ein, wo der 14-jährige John sein Erweckungserlebnis erfahren soll. Zwischen dem Beginn der Andacht und Johns Kniefall schildert Baldwin in drei Kapiteln das Leben von Johns Stiefvater, seiner Tante Florence und seiner Mutter. Keine Zeit für den pubertierenden Sohn  Der Stiefvater ist ein eifernder Laienprediger, der als Fabrikarbeiter kaum seine Familie ernähren kann und von Schuldgefühlen geplagt wird, weil er seinen außerehelichen Sohn im Stich gelassen hat. Vor seiner eigenen „Erweckung“ hat Gabriel selbst keine Sünde ausgelassen. Umso strenger maßregelt er seinen Stiefsohn, diesen unsicheren kleinen Kerl, der lieber liest als sich mit Gleichaltrigen prügelt. Die Mutter ist mit dem fünften Kind schwanger und hat weder Zeit noch Geduld für die Sorgen ihres pubertierenden Sohnes, die Frucht ihrer großen Liebe. Und die Tante hat sich zwar von ihrer Familie und…

Liebe überwindet Grenzen
Rezensionen / 2. Mai 2018

Mara ist als Austauschschülerin in Taos/New Mexiko. Die 17-Jährige mit den feuerroten Haaren ist ein Mädchen wie viele andere, aber das Jahr in Taos wird sie für immer verändern. Denn statt mit ihrem Freund Nils auf Erkundungstour zu gehen, macht sie sich allein auf eine Entdeckungsreise. Nils hat eine Neue, hat ihr die Freundin gesteckt. Und Mara ist trotzig entschlossen, den Treulosen zu vergessen. Kayemo ist anders als die anderen Jungs  Das gelingt schneller als erwartet, denn am Straßenrand liest sie den verletzten und leicht verwirrten Indianerjungen Kayemo auf. Sie hilft ihm, wieder auf die Beine zu kommen – und begleitet ihn schließlich sogar in die Abgeschiedenheit der Berge, dorthin, wo Kayemo aufgewachsen ist. Längst hat sich Mara in den geheimnisvollen Jungen verliebt, der so ganz anders ist als die Jungs, die sie kennt. Kayemo lebt in und mit der Natur, betet zu Vater Sonne und hat eine Berglöwin zur Freundin.  Doch sein Leben ist alles andere als heil: Der Vater hat die Familie schon vor langer Zeit verlassen,  die depressive Mutter hat Selbstmord begangen, der demente Großvater wurde in ein Heim verfrachtet, und selbst in den Bergen ist Kayemo nicht sicher. Als Mara ihn fand, war er angeschossen worden….

Das Ende aller Sicherheit
Rezensionen / 22. April 2018

„Die Shaker waren fest überzeugt, wenn sie jede Kleinigkeit planten, könnten sie ein Stück Himmel auf Erden schaffen, einen kleinen Zufluchtsort, und die Gründer von Shaker Heights hatten genauso gedacht.“ Vergebliches Streben nach Harmonie  Doch der Himmel auf Erden bleibt wohl für ewig ein Sehnsuchtsort, auch wenn sich die Menschen noch so sehr abmühen in ihrem Bestreben nach Harmonie. Die Richardsons zum Beispiel, eine typische Familie in den Shaker Heights. Vater, Mutter und vier Kinder. Die Mutter Reporterin in einem Provinzblatt, der Vater Partner in einer Anwaltskanzlei, ein repräsentatives Haus, wohl erzogene Kinder mit besten Aussichten auf eine spätere Karriere. Eine unangepasste Frau bringt die schön geordnete Welt zum Einsturz  Und dann erscheint Mia auf dem Plan, eine Künstlerin, unangepasst, ungebunden, planlos, Mutter einer vaterlosen halbwüchsigen Tochter, Pearl. Ohne es zu wollen bringen die beiden die so schön geordnete Welt von Shakers Heights zum Einsturz. Die Veränderungen kündigen sich nicht an, sie beginnen schleichend mit den Fragen von Izzy, der jüngsten Tochter der Richardsons, nach dem Sinn des Lebens. Mit der Liebelei zwischen Pearl und dem Richardson-Sprössling Trip. Mit einem adoptierten Kind, das die richtige Mutter wieder zurück verlangt. Schließlich erregt ein Gemälde, auf dem Mia mit Pearl im Arm als…

Reinhold Messner als Comic-Held
Rezensionen / 22. April 2018

Reinhold Messner hat so ziemlich alles geschafft, was ein Bergsteiger schaffen kann: Der Sohn eines Dorfschullehrers aus dem Villnösstal hat alle 14 Achttausender dieser Welt bestiegen, er war (zusammen mit Peter Habeler) der erste Mensch, der den Everest ohne Flaschensauerstoff bezwang. Er hat in Begleitung von Arved Fuchs die Antarktis durchquert und im Alleingang die Wüste Gobi. Doch nicht genug damit, der lange ungeliebte Sohn Südtirols hat seiner Heimat eine Reihe von Bergmuseen beschert, er hat als Europa-Politiker die Positionen der Grünen vertreten und Berge von Büchern veröffentlicht. Kein Wunder, dass dieser Mann zur lebenden Legende wurde. Filme wurden mit und über ihn gedreht, – und nun hat er es auch in einen Comic geschafft. Ein komplexes Leben in drei Kapiteln Der italienische Zeichner und Buchautor Michele Petrucci hat sich daran gemacht, Messners „komplexes Leben“ als einen Comic in drei Kapiteln zu erzählen: „Der Berg“, „Die Leere“, „Der Phönix“. Wobei Petrucci nicht linear erzählt, sondern leitmotivisch den Mann porträtiert, der immer neue Herausforderungen sucht, dessen Gedanken aber immer um die eine Tragödie kreisen, die sein Leben verändert hat: Um den Tod seines Bruders Günter am Nanga Parbat. Petrucci zeichnet die beiden Messner-Brüder als Seelen-Verwandte, die unter der Knute des strengen…