Honigsüße Verbrechen

16. Dezember 2021

Tom Hillenbrand („Montecrypto“, „Qube“) ist als Autor von Wissenschaftsthrillern inzwischen über die Krimi-Schiene hinausgewachsen. Und doch haben auch die kriminellen Geschichten um Xavier Kiefer, den Luxemburger Koch mit der guten Spürnase und seine Freundin, die Gastrokritikerin Valerie Gabin, immer eine wichtige Botschaft. Der ehemalige Spiegel-Journalist hat sich gründlich in der Gourmet-Szene umgesehen und verpackt aktuelle Probleme in eine oft mörderisch spannende Geschichte.

Bienensterben und Industrie

Das trifft auch auf den neuesten Kiefer-Krimi  zu: In „Goldenes Gift“ greift Tom Hillenbrand die Diskussion um das Bienensterben ebenso auf wie die industrielle Honigproduktion. So mancher Imker wird den Krimi mit Unbehagen lesen, weil er darin Gefahren erkennt, mit denen auch bei uns in den nächsten Jahren zu rechnen ist. Und so manche Honigliebhaberin wird nach der Lektüre genauer hinschauen, was auf dem Etikett ihres Lieblingshonigs steht.

Globale Verwicklung

Mord und Totschlag wie im Krimi drohen zwar weder dem einen noch der anderen, das bleibt Kiefer und Gabin vorbehalten. Auch diesmal entgeht der allzu neugierige Koch nur knapp einem tödlichen Anschlag, als er den Mördern seines Imkers (Schneider)  auf die Spur kommt. Dass Valeries Recherchen in den USA und in Frankreich mit den mörderischen Ereignissen in Luxemburg zusammenhängen, will der Koch lange nicht wahrhaben.  Doch nachdem er die Attentäter enttarnt hat, muss er feststellen, dass auch bei der Honigproduktion längst internationale Hintermänner mitmischen.

Die ganz großen Schurken

„Was Sie im Supermarkt bekommen, sind meistens Mischhonige – bisschen Mexiko, bisschen Rumänien und ein großer Schuss China, um es mal salopp zu sagen“, erklärt eine Kennerin, „Dass da gepanscht wird, kann man sich vorstellen.“ Gepanscht wird bei  Tom Hillenbrand weltweit – von China über die USA bis nach Frankreich, Luxemburg und ins Saarland. Dass die ganz großen Schurken aus dem Land kommen, wo demnächst die Olympischen Spiele stattfinden, ist nicht allzu überraschend. Doch bis zur Aufklärung dürfen die Lesenden mit Kiefer und Valerie gute 400 Seiten zittern.

Hineingelesen…

… in die Bienen-Verschwörung

„Sagten Sie gerade ‚unsere Imker‘?“
Foo lächelte.
„Es ist spät, und der Tag war nervenaufreibend. Ganz recht, die Imker, Plural. Auch einigen Bienenzüchtern in anderen Ländern haben wir diese CRISPR-Bienen geschickt. Meist versuchen wir es bei Imkern, die schon seit Längerem Allpass-Sirup von uns beziehen. Ein Lackmus-Test quasi.“
„Um zu sehen , wer moralisch völlig verrottet ist? Scheint zu funktionieren. Aber in Kalifornien haben Sie Leute beauftragt, die CRISPR-Königinnen in Völker einer ahnungslosen Imkerin einzupflanzen.“
„Woher zum Teufel wissen Sie das denn?“
Ich komme rum. Über Kalifornien bin ich überhaupt erst auf Sie gestoßen. Wieso dieser Aufwand?“
„Nicht alle sind so dämlich wie Schneider. Meine US-Kollegen gehen deshalb anders vor. Die haben Leute beauftragt, Beuten zu entwenden, neue Königinnen einzusetzen und die präparierten Beuten wieder zurückzubringen.“
Valerie musste an Deborah Wittmer denken.
„Und alles umsonst, oder?“
„Hm? Nein, Rückschläge sind zu erwarten. Das Wichtigste ist, dass wir die Daten haben.“
„Welche Daten?“
„In den Beuten mit den CRISPR-Bienen befanden sich Sensoren. Die erlauben es, nachzuvollziehen, was die Tiere im Stock tun. Bienenvölker sind extrem komplex. Wir müssen herausfinden, was Völker instabil und feindselig gegenüber der Königin werden lässt. Aber keine Sorge, wir kommen schon drauf.“
„Und für diesen Schwachsinn müssen Menschen sterben?“
„Schwachsinn? Wissen Sie, wie viel der Markt für Bestäubung von Blüten wert ist, Valerie?“ „Milliarden, vermute ich.“
Foo zog mit den Zähnen eine Zigarette aus der Schachte, kramte ein Feuerzeug hervor. Währenddessen ließ sie Valérie nicht eine Sekunde aus den Augen.
„Geschätzte 557 Milliarden Dollar. Ohne Bienen keine Äpfel, Chilis, Avocados, nicht mal Kümmer. Mein Auftraggeber will einen größeren Teil der Wertschöpfung. Vorbild ist die Saatgutindustrie.“
„Verstehe ich nicht.“
„Man verkauft den Bauern GMO-Getreide. Das ist resistent gegen Schädlinge, aber auch gegen Pflanzenschutzmittel. Natürlich nur gegen die des gleichen Herstellers. Sie müssen also die gesamte Palette kaufen, Getreide und Pestizid.“
„Und das soll auch bei Honig funktionieren? Das ist doch absurd.“
Foo entzündete ihre Zigarette. Kurz leuchtete ihr Gesicht in der Dunkelheit auf.
„Warum denn? Stellen Sie sich das vor: Eine Biene, die resistent gegen Herbizide ist, mit denen eine bestimmte Obstsorte behandelt. Wird. Und die auch nur die Blüten dieser Obstsorte anfliegt. Ein geschlossener Kreislauf.“

Info  Tom Hillenbrand. Goldenes Gift, KiWi, 475 S., 12 Euro

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