In der Falle

17. April 2022

„Der Ausflug“ ist der neue Roman des Journalisten und Autors Dirk Kurbjuweit. Und dieser Ausflug, der ganz harmonisch beginnt, führt direkt ins Herz der deutschen Finsternis. Amalia, ihr Bruder Bruno und die Familienväter Gero und Josef, Freunde seit Schultagen, freuen sich auf eine gemeinsame Kanutour und das Auffrischen alter Erinnerungen. Doch schon an der ersten Station, einem Wirtshaus, macht eine Clique Einheimischer ihnen klar, dass sie hier nicht willkommen sind.

Böse Vorzeichen

Der unverhohlene Hass gilt vor allem Josef, dem schwarzen Deutschen. Doch die vier wollen sich nicht einschüchtern lassen, auch wenn sich böse Vorzeichen häufen. Die gemieteten Kanus sind alt, die Karte ist untauglich, manche Schleuse unpassierbar. Jeder Paddelschlag ist einer auf den Abgrund zu. Auch die Landschaft, in der sie orientierungslos driften, wirkt zunehmend feindlich, und schon bald ist von der anfänglichen Abenteuerlust kaum mehr etwas übrig.

Der Kongo im Spreewald

Allen ist klar, dass sie in eine lebensbedrohliche Falle geraten sind und es nur mehr darum geht, mit heiler Haut davon zu kommen. Dirk Kurbjuweit skizziert in diesem Roman eine beklemmende Versuchsanordnung, die an Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ erinnert. Nur dass sich der Kongo bei Kurbjuweit im Spreewald befindet. Die Fließe werden zum Symbol der Orientierungslosigkeit, die von der Landschaft auf die Psyche der Freunde überschwappt.

Tod oder Leben

Im Bewusstsein, gejagt zu werden, arbeiten sie sich am eigenen Fehlverhalten ab. Als sie schließlich vor die Alternative gestellt werden, Josef zu erschießen oder selbst erschossen zu werden, implodiert die Freundschaft. Die folgende Entscheidung ist eine auf Leben und Tod. Erzählt wird diese Tour der Extreme von Amalia, der Frau im Quartett, und dem am deutlichsten gezeichneten Charakter.

Existentielle  Frage

Dirk Kurbjuweit gönnt ihr Rückblicke, die eine Vorahnung dessen sind, was den Freunden bevorstehen könnte. Von daher kommt das Ende auch nicht allzu überraschend. Für die Lesenden aber bleibt die Frage, wie sie sich entschieden hätten. Leicht dürfte die Antwort darauf niemandem fallen.

Hineingelesen…

… in  Josefs Probleme

Josef sagt: „Ich möchte, dass wir darüber abstimmen, wer die Pistole haben darf.“
„Warum?“ fragte Bodo.
„Hör auf, Josef, wir haben das schon besprochen,“ sagte Amalia.
Der Revolver steckte hinten in ihrem Hosenbund, drückte gegen ihren Rücken.
„Du hast sie dir einfach genommen. Aber die Pistole ist das Zentrum, ist das, worauf es jetzt ankommt. Die Pistole bedroht vor allem mich, und deshalb sollte ich sie tragen. Natürlich würde ich euch damit verteidigen.“
„Du misstraust uns“, sagte Bodo, „das ist traurig.“
„Was heißt ‚uns‘?“, fragte Josef. „Wer ist jetzt ‚uns‘? Uns Weißen? Meintest du das? Der Schwarze misstraut den Weißen. Der Schwarze steht alleine da, die Weißen sind eine Gruppe, die zusammenhält.“
„Sei nicht so empfindlich“, sagte Gero.
„Das meinte ich nicht“, sagte Bodo.
„Was dann?“ fragte Josef. „Amalia hat die Pistole, „aber du sprichst von ‚uns‘. Gut, sie ist deine Schwester, aber was verbindet euch mit Gero mehr als mit mir? Wir sind beide eure Freunde, nur dass er der Weiße ist, und ich bin der Schwarze. Deshalb gibt es für euch drei ein ‚uns“, das mich ausschließt. Genau das hast du gemeint.“

Info Dirk Kurjuweit. Der Ausflug, Penguin, 188 S., 20 Euro

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