Rafik Schami: Magier der Erzählkunst

23. Juni 2021

Vor einem halben Jahrhundert hat Rafik Schami Syrien verlassen. Das Land, aus dem seit Jahren wieder Millionen fliehen. Doch   der große Erzähler, der  jetzt seinen 75. Geburtstag feiern konnte,  trägt sein Land im Herzen. Und im Namen. Bedeutet doch das Pseudonym Rafik Schami doch „Freund aus Damaskus“.

Sohn eines Damaszener Bäckers

Die Lust am Erzählen hat der promovierte Chemiker wohl schon als Kind in den Gassen von Damaskus aufgesogen, wo er als Sohn eines Bäckers im christlichen Viertel aufwuchs,. Und wie es die Märchenerzähler in alten Zeiten taten, so webt auch er einen großen Erzählteppich aus vielen Mustern, die er übereinander legt.

Ausufernde Fabulierfreude

Seine oft ausufernde Fabulierfreude macht weder vor der Bibel noch vor dem Tod halt und gibt in einer Fülle von Geschichten immer wieder tiefe Einblicke in die syrische Gesellschaft. „Das Gedächtnis ist eine Stadt mit Gassen und Friedhöfen, mit Wirtshäusern und Gefängnissen – mit allem“, hat er einmal gesagt, oder auch „Die Zeit läuft wie ein Akkordeon.“.

Erzählen gegen das Vergessen

Ein Hauch von „Es war einmal“ durchzieht sein Werk, liegen doch die meisten Orte, von denen er schreibt, heute in Trümmern. Die Häuser werde man wieder aufbauen, da ist sich der Deutsch-Syrer sicher. „Was mir Sorgen macht, sind die Trümmer in den Herzen der Menschen.“ Gegen das Vergessen hilft das Erzählen, ist die  Devise von Rafik Schami. Deshalb schreibt und erzählt er rastlos, kehrt in seiner Fantasie heim nach Damaskus oder Malula, und lässt seine Charaktere in Städten leben, die im Bombenhagel untergegangen sind.

Skrupellose Assad-Sippe

Voller Trauer schaut er heute nach Syrien, das die Sippe der Assads in Geiselhaft zu halten scheint. Schon der Vater des heutigen Diktators, der als Luftwaffenoffizier zum „unheimlichen Herrscher des Landes“ aufgestiegen war, hatte Tausende seiner Landsleute ermorden lassen. Skrupellos opfert auch der studierte Augenarzt Baschar Tausende von Unschuldigen seinem Machterhalt.

Freiheit durch das Exil

Rafik Schami floh vor dem berüchtigten syrischen Geheimdienst, lange bevor das Land zur Hölle wurde. „Das Exil hat mir Damaskus geraubt, aber dafür Freiheit geschenkt“, sagte er kürzlich in einem Interview mit der „Zeit“. Doch auch nach 50 Jahren hat der Syrer, der in Heidelberg studiert hat und mit Frau und Sohn in der Pfalz lebt, nicht abgeschlossen mit seinem Herkunftsland. Mit dem realen Syrien hat er allerdings gebrochen, nachdem man ihn nicht zu den schwerkranken Eltern einreisen ließ.

Fliegender Teppich der Fantasie

Inzwischen ist Rafik Schami Deutscher und feiert mit seinen Erzählungen und Romanen nicht nur im deutschsprachigen Raum Erfolge. Seine Bücher wurden in 34 Sprachen übersetzt. Doch seine Liebe gehört dem mündlichen Erzählen, mit dem er an eine lange Tradition im arabischen Raum anknüpft. Die Lesungen inszeniert Schami im Dialog mit dem Publikum, das dem Magier mit der warmen Erzählstimme nur zu gern auf seinen fliegenden Teppich der Fantasie folgt.
Info Am 26. Juli erscheinen seine neuen Geschichten „Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“  bei Hanser.

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert