Was bleibt

7. Oktober 2020

Fabio Geda hat mit seinem Buch „Im Meer schwimmen Krokodile“ einen Überraschungserfolg erlebt.  Jetzt legt der italienische Autor nach  –  mit einem Roman über Einsamkeit.  Der alte Mann  hat sich soviel Mühe gegeben mit dieser Essenseinladung an seine Tochter und die Enkelinnen. Und dann bricht sich eine der beiden den Arm – und er steht allein da mit dem gedeckten Tisch und den fertigen Speisen.  Seine Frau ist tot, die Kinder leben längst ihr eigenes Leben.

Einsamer Ruhestand

Jetzt ist er, der als Architekt in der Welt herumreiste, um Brücken zu bauen und in Venezuela eine heimliche Geliebte hatte, im Ruhestand – und einsam. Da lernt er im Park in der Nähe einer Skateboardanlage eine junge Frau mit ihrem Sohn kennen: Elena und Gaston folgen nach einigem Zögern seiner Einladung. So wird es doch noch ein fast familiärer Nachmittag.

Keine Liebesgeschichte

Aus dem Sonntag mit Elena, so auch der Titel des Romans, entwickelt sich keine Liebesgeschichte, auch wenn sich der alte Mann und der junge Gaston beim Basteln näher kommen. Aber der einsame Vater, der zu seiner Familie ein eher distanziertes Verhältnis hatte, erkennt neue Perspektiven für den Rest seines Lebens. Auch einen Weg aus der Alters-Einsamkeit.

Familiäre Hintergründe

Erzählt wird die Geschichte von der Tochter des Mannes, die schon länger keinen Kontakt mit ihrem Vater hat und am Theater arbeitet. Sie liefert die familiären Hintergründe zu dem Sonntag mit Elena, der letztlich auch zu ihrer Versöhnung mit dem Vater führte.  Fabio Geda regt mit diesem feinfühligen Roman zum Nachdenken an. Darüber, was wichtig ist im Leben, was bleibt.

Hineingelesen…

…in den Familienalltag

Deshalb habe ich meinen Vater auf Seiten beschrieben, die ich in dieser Geschihte nicht verwenden und ganz für mich behalten werde. Wie er seinen Koffer für Venezuela packt und eine in Goldpapier eingeschlagene, mit einer roten Schleife versehene Packung Gianduiotti in seinem Necessaire verschwinden lässt und gleich darauf meiner Mutter auf dem Balkon zur Hand geht, die trockene Wäsche vom Ständer zu nehmen. Wie er sie zum Lachen bringt. Wie er  sie zum Weinen bringt. Deshalb habe ich auch sie, meine Mutter, auf Seiten beschrieben, die ich für mich behalten will.  An einem Abend im Bett – auch dies ein Beispiel – , ein Buch auf den Knien, neben ihr eingekuschelt mein Bruder, wie sie ein Bild betrachtet, das mein Vater ihr aus Vietnam mitgebracht hat, der Dschungel bei Nacht, Tieraugen,  die zwischen den  Blättern hervorblitzen, und zwei Kinder, die aus einem Fluss steigen, die Haut glänzend wie Robbenfell, und das Wasser, das sich kaum vom Ufer unterscheidet. Aus demselben Grund habe ich mich selbst auf Seiten beschrieben, die ich für meine Kinder aufbewahren werde: damit sie wissen, wer ich gewesen bin. Wenn ich eines begriffen habe, dann, dass Geschichten keine Probleme lösen: Sie erlauben uns lediglich, sie zu erkennen und ihnen einen Namen zu geben.

Info: Fabio Geda. Ein Sonntag mit Elena, Hanser, 240 S., 20 Euro

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