Afrika, mon amour

1. November 2021

Die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe hat Afrika in den Focus der Aufmerksamkeit gerückt. Die schwarze Autorin und Filmemacherin wurde als „weithin hörbare Stimme Afrikas in den Gegenwartsliteratur“ ausgezeichnet. Wie sie versucht auch Jennifer McCann Afrika-Stereotypen aufzubrechen – als weiße Reisende. In ihrem schön aufgemachten Buch „Afrika ist kein Land“ erzählt die Biologie-Lehrerin von ihren Reisen – auch nach Simbabwe, wo sie die Ruinenstadt Groß-Simbabwe besucht hat, Reste einer Hochkultur, die bis heute verkannt ist.

Hakuna matata – wirklich?

McCann hat den schwarzen Kontinent auf unterschiedliche Art erlebt, als Helferin in einem Drogencamp, als Backpackerin im Dschungel, als Bergsteigerin auf dem Kilimandscharo. Sie ist als Beifahrerin auf dem Motorrad, in überfüllten Kleinbussen, im Zug und zu Fuß unterwegs und hat reichlich Gelegenheiten das afrikanische Mantra „Hakuna Matata“ (keine Sorge) auf seine Realitätstauglichkeit zu überprüfen. Zum Beispiel bei Scherereien an der Grenze zwischen Kenia und Uganda oder im Drogencamp, wo sie sich angesichts der Not der Menschen hilflos fühlt.

Klischees und Realtität

Immer wieder hinterfragt McCann sich selbst, den Sinn der Freiwilligendienste, ihr eigenes Handeln. Sie erlebt hautnah die Folgen des Kolonialismus aber auch die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen und bleibt doch als Mzungu (Weiße) eine Außenstehende. Auf der einen Seite sieht sie in der „Traummaschinerie Serengeti“ alle Klischees erfüllt, auch ihre eigenen. Auf der anderen Seite wird sie in Angola mit verstümmelten Erwachsenen und hungrigen Waisen konfrontiert, erlebt in Huambo „herzzerreißende Szenen in einer durchlöcherten Stadt“. Oder sie erkennt am Malawisee, welch schreckliche Folgen der immer noch vorhandene Aberglaube für Albinos haben kann.

Nahe an den Menschen

Trotzdem überwiegt für McCann das Positive: „Das Gefühl, im Austausch mit Menschen zu stehen, die plötzlich nicht mehr fremd sind, ist die Essenz der Reisesucht, der Kern des vielumworbenen Reisefiebers“. Immer wieder sucht sie die Nähe der Menschen, spielt mit den Kindern, hilft zu Freunden gewordenen Einheimischen in Notlagen, sorgt sich um überforderte Guides. Und Afrika überrascht sie immer wieder. In Madagaskar etwa trifft sie bei einer Dschungelwanderung auf eine Frau mit Handtasche. „Sie geht zur Kirche. Übermorgen will sie ankommen“, erklärt der Guide. Überraschend wie diese Begegnung sind die meisten Kapitel in dem Buch, das bei den Lesenden sicher das Interesse für den schwarzen Kontinent beflügelt.

Hineingelesen…

… in die Schrecken von Huambo

Armut ist mir bisher in den unterschiedlichsten Formen auf unterschiedlichste Weise begegnet. Und doch ist jede Situation anders. Ich möchte keine Hierarchien aufstellen, nicht sagen, welche Art der Armut schlimmer, welche besser ist. In Huambo merke ich jedoch, dass mir der Vorsatz nicht gelingt. Denn hier leben Waisen, viel zu viele Straßenkinder, die sich an niemanden wenden können, die von der Gutmütigkeit der Menschen, denen sie begegnen, abhängig sind, die in kleinen Grüppchen durch die Stadt ziehen. Hier sitzen vor Geschäften, auf Märkten, an Straßenrändern verkrüppelte Erwachsene, grausam verstümmelt, des Augenlichts beraubt, Hände und Füße abgehackt, von Krankheiten zerfressen. Die Menschen gleichen Relikten, alten Kriegsüberbleibseln, die neben den Einschusslöchern in den Häusern und all der Verwüstung, die hier herrscht, nicht leben, bloß noch da sind. Sie vegetieren in der grausamen Form einer Zwischenexistenz vor sich hin und könne sich nicht aus eigener Macht aus dieser Lage befreien. Sie werden sowohl vom Leben auch auch vom Tod verhöhnt – das ist ihr Zustand. Die Begegnung mit dem Hunger in diese Stadt sensibilisiert mich, lässt mich noch genauer meine Umwelt beobachten, und ich werde in den nächsten Tagen feststellen, dass viele Menschen in diesem Land, selbst die als Korrupt verschrienen Polizisten ihren Mitmenschen Essen und Trinken anbieten.

Info Jennifer McAnn, Afrika ist kein Land, Reisedepeschen, 256 S., 19,50 Euro

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